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nnz-Betrachtung über Lockerungen des Lockdowns

Wie lange denn noch?

Sonnabend, 11. April 2020, 19:00 Uhr
Morgen feiert das Christentum die Auferstehung Jesu. Gern würden wir auch die Auferstehung des Lebens feiern, wie es Goethe in seinem Osterspaziergang beschreibt. Doch daraus wird nichts. Die Welt befindet sich im Würgegriff eines Kleinstlebewesens und in Quarantäne. Aber wie lange noch, fragt sich Olaf Schulze …

Berlin vom Reichstag (Foto: oas) Berlin vom Reichstag (Foto: oas)

Das erste Mal seitdem die Religion des hebräischen Zimmermanns in Europa herrscht, sind die Kirchen zu Ostern verwaist, wird der Papst bei seinen Segen für die Menschen und den Erdkreis auf einen menschenleeren Petersplatz blicken. Aber auch die Teppiche muslimischer Gebetshäuser bleiben dieser Tage unberührt. Wir schreiben das Jahr 1 von Corona, dem alles beherrschenden Virus, das Angst von Wladiwostok bis Feuerland verbreitet.

Es war im Jahre 1978 als ein junger amerikanischer Schriftsteller auf dem Wege zu Bestsellerautor seinen Roman „The Stand“ veröffentlichte. Der Anfangsplot dieses legendären Endzeitromans von Stephen King besteht darin, dass aus einem geheimen Militärlabor ein mutiertes Grippevirus ausbricht und fast die gesamte amerikanische Bevölkerung tötet. Eine Horrorvorstellung, von der wir heute mit unserer aktuellen Corona-Epidemie glücklicherweise sehr weit entfernt sind. Auch wenn unbenutzte Straßen in Großstädten, traumschifflose Häfen und ein flugzeugfreier Himmel einen Hauch von Dystopie verströmen.

Einen Monat lang ist nun das öffentliche Leben immer weiter heruntergefahren worden. Eine Allgemeinverfügung jagt die andere und längst tobt ein Überbietungswettbewerb der Behörden, wer die noch strengeren Auflagen erteilt. Einher geht damit, dass die Unsitte der Denunziation in diesem Frühling wieder eine neue Blütezeit erlebt.

In Leipzig wollte die Polizei durchsetzen, dass sich die Einwohner nur 5 km von ihrer Wohnung entfernen dürfen. Diese niemals erlassene Verordnung wurden nach Protesten einzelner mit Bußgeldern belegter Bürger wieder zurückgenommen. In München wollten Polizisten das Lesen eines Buches auf einer Parkbank verbieten, in Frankfurt wird ein einzelner Sonnenbader im Park von vier vermummten Polizisten zum Weitergehen aufgefordert. Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern verbietet ihren eigenen Landeskindern (alle anderen dürfen ohnehin nicht mehr ins Bundesland) österliche Strandspaziergänge, muss das Ansinnen aber auf richterliches Geheiß wieder fallen lassen. Berliner, die in Brandenburg einen Zweitwohnsitz haben, sollten schon gute Schleichwege kennen, um ans Ziel zu gelangen. Die Republik wird inzwischen von einer Welle an Klagen überzogen, meist des Inhalts, dass die im Grundgesetz verbrieften bürgerlichen Freiheitsrechte eklatant verletzt werden und es keine rechtliche Grundlage für die Einschränkungen gibt.

Nach fast vier Wochen Lockdown wird das allgemeine Grummeln immer lauter, zumal wir feststellen können, dass es durch die Krankheit weder ein Massensterben gibt, noch die Krankenhäuser überlastet sind. Ganz im Gegenteil beginnen die ersten medizinischen Versorger über Kurzarbeit nachzudenken. Immer mehr Fachmediziner melden Zweifel an der strikten Kontaktsperre an, erste Untersuchungen, wie die im Nordrhein-Westfälischen Heinsberg, zeigen andere Erkenntnisse als die von den deutschen Regierungen und ihren Medien propagierten. Die Forderungen nach flächendeckenden stichprobenartigen Tests werden lauter, um ein ungefähres Bild der Anzahl bundesweit Infizierter zu erhalten. Es wird eingefordert, einen relative Bezug der verkündeten Fallzahlen zu den durchgeführten Tests darzustellen. Denn es erweist sich natürlich, dass bei mehr Tests auch viel mehr Infizierte nachgewiesen werden. Wie viele von uns sind aber schon länger infiziert und werden niemals Symptome entwickeln?

Das Virus ist seit zwei Monaten in Deutschland unterwegs, die Sterbefälle liegen aber weit unter der üblichen Anzahl Grippetoter und bei den als Coronaopfer Gezählten weiß niemand genau zu sagen, ob sie tatsächlich am Virus verstorben sind. Bei allem, was an Fakten aus den Hotspots in Italien und Spanien bekannt wird, verändert sich das Bild von einer grauenvollen Pandemie allmählich.

Gleichzeitig wächst die Sorge, ob nicht die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus eine grundlegende Veränderung des öffentlichen Lebens zum Schlechteren nach sich ziehen werden. Was geschieht mit einer mühsam entwickelten Infrastruktur gerade in so strukturschwachen Regionen wie der unseren? Der Rattenschwanz an gesellschaftlichen und sozial belastenden Folgeerscheinungen bis hin zu existenziellen Bedrohungen, die uns nach der Beendigung des Lockdowns bevorstehen, ängstigt inzwischen nicht nur Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmer, Angestellte und Ärzte.

Es ist auch schlecht nachvollziehbar, warum kleine Läden geschlossen bleiben müssen, während Hunderte von Kunden nebenan durch Supermärkte walzen. Warum Restaurants und Cafés nicht wenigstens zeitweise mit Platz- und Hygienebeschränkungen öffnen dürfen, um den Betreibern eine Chance zum Überleben zu geben. Warum kann in mittelständischen Betrieben nicht weiter produziert werden, wenn auf Sicherheitsabstand und Hygiene geachtet wird? Wann öffnen Schulen und Kindergärten wieder, wo sich die Bevölkerungsgruppe trifft, die am wenigsten vom Virus betroffen ist? Wäre es nicht sinnvoller, die wirklich Gefährdeten in Alten- und Pflegeheimen umfassend zu schützen? Dass nicht die Gesunden eingesperrt, sondern die Kranken behütet werden?

Vielleicht deshalb, weil kein Politiker jetzt etwas falsch machen und später als konsequenter und tatkräftiger Retter gefeiert werden will?

Aber noch steht die Bevölkerung in großer Mehrheit hinter dem Corona-Management der Bundesregierung. Jedenfalls spiegeln das die erfreulichen Zahlen wider, die das Zweite Deutsche Fernsehen in seinem regelmäßig durchgeführten „Politbarometer“ liefert. Abgesehen vom allgemeinen Trend, dass die Regierungsparteien in der Gunst der Befragten steigen und die Oppositionsparteien an Wählerzuspruch verlieren (in Krisenzeiten ein übliches, von viel Hoffnung und Vertrauensvorschuss geprägtes Phänomen), ist die überwältigende Mehrheit laut ZDF von der Notwendigkeit der Ausgangs- und Kontaktsperren überzeugt. Es sind stolze 88% der Befragten, die sich mit den von der Politik verordneten Maßnahmen einverstanden erklären. Das letzte Mal, dass eine deutsche Regierung 88% Zustimmung für ihre geleistete Arbeit attestiert bekam, muss wohl zu seligen Zeiten der umstrittenen Volkskammerwahlen gewesen sein. Und selbst unter diesen fragwürdigen Bedingungen waren es nicht viele Prozentpunkte mehr Zustimmung als die heutigen 88.

Die ZDF-Zahlen korrespondieren allerdings nicht signifikant mit denen unserer Umfrage, ob Sie als Leserinnen und Leser Vertrauen in das Walten unserer Entscheidungsträger in dieser Krise haben. Fast 58% von 2224 Teilnehmern beantworten diese Frage hier mit nein.

Eine weitere Umfragezahl des ZDF macht jedoch Hoffnung auf Besserung: nur noch 45% empfinden aktuell eine persönliche Gesundheitsgefährdung durch das Virus. Ende März waren das noch 52%.

Warten wir also geduldig ab, ob nach Ostern die Infiziertenzahlen sich so positiv entwickeln, dass der Regierung und ihren vertrauten Virologen eine Lockerung der Einschränkungen gerechtfertigt erscheint.

Für die Religionsausübung zum Osterfest und ein „buntes Gewimmel geputzter Menschen“, wie es Goethe am Ostersonntag sehen wollte, kommt das allerdings zu spät. Klagen katholischer Christen gegen das Gottesdienst-Verbot in Hessen sind vor Gericht gescheitert. Noch.
Olaf Schulze
Autor: osch

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