Do, 20:00 Uhr
27.02.2020
Betrachtet:
Kompromiss und Dialog oder Ideologie?
Wenn man Worte wie "Kompromiss" oder "Dialog" vernimmt, dann könnte man annehmen, die Politik ist nicht weit entfernt. Doch gefehlt, auch die Ideologie reiht sich unmittelbar nebenan ein...
Sieht so die Dialogbereitschaft aus? (Foto: S. Schedwill)
Ich habe mir heute die Zeit genommen und war "Gast" bei einem Pressegespräch, zu dem der BUND in das Nordhäuser Bürgerhaus, genauer gesagt, in die Bibliothek eingeladen hatte.
Neugierig wurde ich durch die Einladung: "Dem BUND Thüringen wurde ein Rechtsgutachten zugespielt, in dem die Gipsindustrie einen Rechtsanwalt beauftragt hat, ihre Einflussmöglichkeiten auf politische Entscheidungsprozesse und Gesetzgebungsverfahren auszuloten."
Es war wohl das Wort "zugespielt", das mein Interesse weckte, das will ich schon gern zugeben. Aber die Vorsicht ist eben auch die Mutter der journalistischen Porzellankiste und so konnte ich schon an Tag de Einladung auf den Seiten des Bundesverbandes der Gipsindustrie, dem zwölf Unternehmen angehören, das "zugespielte" Dokument einfach so herunterladen. Ohne Hindernis oder Login.
Ohne auf den Inhalt noch einmal einzugehen einzugehen, sei hier mal nüchtern niedergeschrieben, dass ein Bundesverband 1. machen kann was er will, 2. nicht den BUND fragen muss und 3. einen Rechtsanwalt beauftragen kann, damit der Möglichkeiten des mittel- und langfristigen unternehmerischen Handelns ausloten und darstellt. Dass ein von der Gipsindustrie beauftragter Jurist dabei die Belange und unternehmerischen Interessen seines Auftraggebers in den Fokus stellt, versteht sich von selbst. Und wenn die Unternehmen meinen, das Ergebnis der Landespolitik in Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Kenntnis zu geben, dann muss da auch nicht ein Umweltverband um Erlaubnis gebeten werden.
Das Agieren des Bundesverbandes kann man kurz zusammenfassen als Lobbyarbeit. Die gehört dazu, sie ist in Deutschland nicht unter Strafe gestellt, nicht mal in Brüssel. Im Übrigen wird seitens des BUND oder befreundeter Verbände wie zum Beispiel der Deutschen Umwelthilfe auch Lobbyarbeit geleistet. Und das nicht zu knapp. Soweit, so gut, oder eben auch so schlecht.
Doch dem Thüringer und Nordhäuser BUND reicht diese freche Vorgehensweise nicht nur, den im Herbst vergangenen Jahres begonnenen Gipsdialog in Frage zu stellen, sondern den ausgehandelten Kohlekompromiss, in dem auch das mittlerweile allseits bekannte Szenario einer "zusätzlichen umweltverträglichen Gewinnung von Naturgips" enthalten ist, als gescheitert zu erklären. Denn hatte übrigens auch der damalige oberste BUNDler Hubert Weiger unterzeichnet.
Und dann werden die Natur- und Umweltschützer konkreter und reichen eine Pressemitteilung nach, in der unter anderem zu lesen ist, dass dem Kohleausstieg "jetzt ein Ende des Naturgipsabbaus im Südharz" folgen muss. Einfach mal so sollte Schluss damit sein. Begründet wird das von BUND-Kreischefin Heidi Schell unter anderem damit, dass es in der Nähe von Braunkohlekraftwerken genügend Gipshalden gebe, auf denen 20 Millionen Tonnen REA-Gips lagern würden. Daraus wird geschlussfolgert, dass es eine Gipslücke nicht geben kann.
Dass die Gipsindustrie in den zurückliegenden Jahren schon viele Schritte unternommen hat, um selbst effizienter zu produzieren, um Ersatzstoffe zu verarbeiten, um Forschungsergebnisse der Nordhäuser Hochschule produktionswirksam werden zu lassen, um Recycling in den Prozess der Herstellung zu integrieren, all das zählt nicht. Dichtmachen, zumachen, plattmachen.
Irgendwann ist der Gips sowieso weg, weil er wie jeder mineralische und fossile Rohstoff endlich ist. Also heute aussteigen und abschalten, was in Deutschland noch abzuschalten ist? Stattdessen, so Schell und Vogel heute Vormittag unisono, auf Lehmbaustoffe setzen. Das ist Irrsinn schon in sich selbst, denn Lehm besteht aus Sand, Schluff und Ton. Was aber ist, wenn auch diese Rohstoffe aufgebraucht sind, Sand ist jetzt schon knapp und das nicht nur im Südharz. Und können wir Ton und Sand einfach mal so zusammenharken?
Womit wir wieder bei den Kompromissen wären. Die allerdings sehen beim BUND unter anderem so aus, dass sich die Südharzer Unternehmen von diesem "zugespielten" Papier distanzieren sollen, nur dann sind die Umweltverbände zum weiteren Dialog bereit. Doch die Gipsindustrie, so entbehrlich sie dem BUND auch zu sein scheint, will weiter reden, will über mögliche Kompromisse diskutieren. Vielleicht kommt dieses Angebot auch von dieser Seite, weil hier Motive des Handelns die Erwirtschaftung von Gewinn und damit verbundenen Steuern sind, wie das im Kapitalismus nun mal üblich ist. Dass diese Steuern vielleicht in andere Richtungen fließen sollten, das ist durchaus diskutabel, aber weder in Nordhausen noch in Erfurt zu lösen. Aber einen Dialog einfach abzubrechen oder auszusetzen, keinerlei Kompromisse einzugehen, das hat meiner Meinung seinen Ursprung in einem anderen Handlungsmotiv: Ideologie.
Peter-Stefan Greiner
Autor: redSieht so die Dialogbereitschaft aus? (Foto: S. Schedwill)
Ich habe mir heute die Zeit genommen und war "Gast" bei einem Pressegespräch, zu dem der BUND in das Nordhäuser Bürgerhaus, genauer gesagt, in die Bibliothek eingeladen hatte.
Neugierig wurde ich durch die Einladung: "Dem BUND Thüringen wurde ein Rechtsgutachten zugespielt, in dem die Gipsindustrie einen Rechtsanwalt beauftragt hat, ihre Einflussmöglichkeiten auf politische Entscheidungsprozesse und Gesetzgebungsverfahren auszuloten."
Es war wohl das Wort "zugespielt", das mein Interesse weckte, das will ich schon gern zugeben. Aber die Vorsicht ist eben auch die Mutter der journalistischen Porzellankiste und so konnte ich schon an Tag de Einladung auf den Seiten des Bundesverbandes der Gipsindustrie, dem zwölf Unternehmen angehören, das "zugespielte" Dokument einfach so herunterladen. Ohne Hindernis oder Login.
Ohne auf den Inhalt noch einmal einzugehen einzugehen, sei hier mal nüchtern niedergeschrieben, dass ein Bundesverband 1. machen kann was er will, 2. nicht den BUND fragen muss und 3. einen Rechtsanwalt beauftragen kann, damit der Möglichkeiten des mittel- und langfristigen unternehmerischen Handelns ausloten und darstellt. Dass ein von der Gipsindustrie beauftragter Jurist dabei die Belange und unternehmerischen Interessen seines Auftraggebers in den Fokus stellt, versteht sich von selbst. Und wenn die Unternehmen meinen, das Ergebnis der Landespolitik in Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Kenntnis zu geben, dann muss da auch nicht ein Umweltverband um Erlaubnis gebeten werden.
Das Agieren des Bundesverbandes kann man kurz zusammenfassen als Lobbyarbeit. Die gehört dazu, sie ist in Deutschland nicht unter Strafe gestellt, nicht mal in Brüssel. Im Übrigen wird seitens des BUND oder befreundeter Verbände wie zum Beispiel der Deutschen Umwelthilfe auch Lobbyarbeit geleistet. Und das nicht zu knapp. Soweit, so gut, oder eben auch so schlecht.
Doch dem Thüringer und Nordhäuser BUND reicht diese freche Vorgehensweise nicht nur, den im Herbst vergangenen Jahres begonnenen Gipsdialog in Frage zu stellen, sondern den ausgehandelten Kohlekompromiss, in dem auch das mittlerweile allseits bekannte Szenario einer "zusätzlichen umweltverträglichen Gewinnung von Naturgips" enthalten ist, als gescheitert zu erklären. Denn hatte übrigens auch der damalige oberste BUNDler Hubert Weiger unterzeichnet.
Und dann werden die Natur- und Umweltschützer konkreter und reichen eine Pressemitteilung nach, in der unter anderem zu lesen ist, dass dem Kohleausstieg "jetzt ein Ende des Naturgipsabbaus im Südharz" folgen muss. Einfach mal so sollte Schluss damit sein. Begründet wird das von BUND-Kreischefin Heidi Schell unter anderem damit, dass es in der Nähe von Braunkohlekraftwerken genügend Gipshalden gebe, auf denen 20 Millionen Tonnen REA-Gips lagern würden. Daraus wird geschlussfolgert, dass es eine Gipslücke nicht geben kann.
Dass die Gipsindustrie in den zurückliegenden Jahren schon viele Schritte unternommen hat, um selbst effizienter zu produzieren, um Ersatzstoffe zu verarbeiten, um Forschungsergebnisse der Nordhäuser Hochschule produktionswirksam werden zu lassen, um Recycling in den Prozess der Herstellung zu integrieren, all das zählt nicht. Dichtmachen, zumachen, plattmachen.
Irgendwann ist der Gips sowieso weg, weil er wie jeder mineralische und fossile Rohstoff endlich ist. Also heute aussteigen und abschalten, was in Deutschland noch abzuschalten ist? Stattdessen, so Schell und Vogel heute Vormittag unisono, auf Lehmbaustoffe setzen. Das ist Irrsinn schon in sich selbst, denn Lehm besteht aus Sand, Schluff und Ton. Was aber ist, wenn auch diese Rohstoffe aufgebraucht sind, Sand ist jetzt schon knapp und das nicht nur im Südharz. Und können wir Ton und Sand einfach mal so zusammenharken?
Womit wir wieder bei den Kompromissen wären. Die allerdings sehen beim BUND unter anderem so aus, dass sich die Südharzer Unternehmen von diesem "zugespielten" Papier distanzieren sollen, nur dann sind die Umweltverbände zum weiteren Dialog bereit. Doch die Gipsindustrie, so entbehrlich sie dem BUND auch zu sein scheint, will weiter reden, will über mögliche Kompromisse diskutieren. Vielleicht kommt dieses Angebot auch von dieser Seite, weil hier Motive des Handelns die Erwirtschaftung von Gewinn und damit verbundenen Steuern sind, wie das im Kapitalismus nun mal üblich ist. Dass diese Steuern vielleicht in andere Richtungen fließen sollten, das ist durchaus diskutabel, aber weder in Nordhausen noch in Erfurt zu lösen. Aber einen Dialog einfach abzubrechen oder auszusetzen, keinerlei Kompromisse einzugehen, das hat meiner Meinung seinen Ursprung in einem anderen Handlungsmotiv: Ideologie.
Peter-Stefan Greiner
Kommentare
SeniorRepente
27.02.2020, 21.21 Uhr
BUND Presseempfang im städtischen Gebäude?
Der BUND gibt Presseempfang in der städtischen Bibliothek? Dann darf das dann aber auch die Gipsundustrie ebenfalls in den Räumen der Stadtverwaltung, hoffe ich?
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