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Menschenbilder (13)

Donnerstag, 25. August 2011, 06:47 Uhr
Aus dem im Spätherbst des Jahres 2011 erscheinenden reich bebilderten Buch "Menschenbilder aus der Harz- und Kyffhäuserregion" von Bodo Schwarzberg veröffentlicht die nnz in loser Folge eine Auswahl an Texten über Mitbürger, die er seit April 2010 zu ihrem Leben, ihrer Tätigkeit und deren gesellschaftlichen und persönlichen Hintergründen gesprochen hat.

Dipl.-Ing Otto Katzmann

20 Jahre lang Betriebsdirektor des VEB Schachtbau Nordhausen

Mit Stolz präsentiert Otto Katzmann Bilder vom größten Projekt des einstigen VEB Schachtbau Nordhausen: Den unter seiner Leitung entstandenen untertägigen Anlagen des Pumpspeicherwerkes Markersbach in der Nähe des sächsischen Schwarzenberg. Mit einer Leistung von 1050 Megawatt ist es heute noch immer die zweitgrößte Anlage ihrer Art in Deutschland. Zu den damals erbrachten Leistungen des Traditionsbetriebes gehört unter anderem die Anlage der 150 Meter langen, 46 Meter hohen und 24 Meter breiten Kaverne, in der heute insgesamt sieben Turbinen Elektroenergie erzeugen.

„Auffahrung und Ausbau der mit 30 Grad Gefälle aufzufahrenden Steilteile der beiden Triebwasserleitungen waren technologische Herausforderungen. Die Triebwasserleitungen verbinden den Wasserspeicher des Oberbeckens mit den Pumpturbinen in der Kaverne (= Maschinenraum). Der Ausbruchdurchmesser der Triebwasserleitungen beträgt ca. acht Meter und der lichte Durchmesser der einzubauenden Stahlverrohrung 6,20 Meter, die Länge beider Steilteile 1,1 Kilometer“, sagt er.

Und: „Der VEB Schachtbau Nordhausen hat die Arbeit gemacht, die Bergbau- und Baubetriebe nicht machen konnten oder wollten. Beispiele sind: Das Teufen von Schächten unter schwierigen geologisch-hydrologischen Verhältnissen mit Hilfe des Gefrierverfahrens oder mit dem in unserem Betrieb entwickelten Schachtbohrverfahren, die Herstellung von unterirdischen Dichtungswänden mittels Schlitzwandverfahren oder die Anwendung von Spritzbeton, auch in Verbindung mit der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise. Unser Bestreben war Termintreue und Lieferung von Qualitätsarbeit. Das war das Erfolgsrezept des VEB Schachtbau Nordhausen.“

„Primus inter pares - Ich war der Erste unter Gleichen“, sagt Otto Katzmann über das Verhältnis zu seinen 3.000 Mitarbeitern, deren Chef er immerhin fast 20 Jahre lang war und denen er viel Eigenverantwortung übertrug: „ ‚Beim Schachtbau kann jeder machen, was er will, aber nur wenn er macht, was er soll‘ , sagte ich damals stets.“ – Als ausgesprochener Pragmatiker stieß der am 02.08.1923 in Berka/Werra geborene Bergbauingenieur immer wieder an die ideologisch geprägten Widerstände seitens der SÈD, die ihm nicht selten das Leben und die Arbeit schwer machten.

Aber Otto Katzmann hatte Erfahrung mit den Härten des Lebens und mit Optimismus, Hoffnung und Zuversicht, - Eigenschaften, die ihn Verbindung mit seiner unglaublichen Tatkraft zu immer neuen Motivationsschüben führten.

Der Sohn eines einfachen Hauers im Kalibergbau besuchte von 1929 bis 1937 die Volksschule und war schon frühzeitig vom Bergbau fasziniert. „Die Berichte meines Vaters und die Kontakte mit anderen Bergleuten beflügelten meine Phantasie“, sagt er. Doch zwischen diesen Wunsch und seiner Erfüllung sollte das Leben für den jungen Mann noch schwere Prüfungen und lebensbedrohlich hohe Hürden stellen.

Seine erste schwerwiegende Erfahrung war die Arbeitslosigkeit seines Vaters Otto Katzmanns sen. zwischen 1931 und 1935. Lediglich auf Grund der Tatsache, dass die Familie nebenbei noch ein wenig Landwirtschaft betrieb, verdankte sie wenigstens eine existentielle Grundsicherung, denn die 13 Reichsmark, die sie als so genannte Wohlfahrtsunterstützung vom Staat erhielt, hätten dafür niemals ausgereicht. „Eigentlich wollte ich die Oberschule in Eisenach besuchen. Aber allein eine Monatskarte für die Bahn kostete 9,10 RM. Ich sehe noch meine Mutter vor mir, wenn sie weinend vor dem leeren Portemonnaie saß“, denkt er zurück.

Nachdem sein Vater 1935 wieder in den Schacht einfahren durfte, konnte Otto Katzmann doch noch zur so genannten Deutschen Aufbauschule nach Eisenach wechseln, wo er im Februar 1942 das Abitur machte. Da sein Vater der längst verbotenen SPD angehört hatte, war ihm eine antijüdische Erziehung erspart geblieben. In der Volksschule jedoch wurde er Zeuge des brutalen Antisemitismus: „Nachdem der Klassenlehrer uns Schüler am Beginn eines Schuljahres platziert hatte, blieb ein jüdischer Junge übrig. Er stand allein mitten im Klassenraum, während wir anderen bereits saßen: Der Lehrer fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn sich Hans, so hieß der Junge, neben mich setzte. ‚Ihr sind doch Freunde? ‘, fragte er. ‚Ja, antwortete ich, Hans ist ein guter Kerl.‘ Das aber wollte der Lehrer keineswegs gelten lassen. Mit den Worten ‚Es gibt keine guten Juden‘, belehrte er unsere Klasse.“ Danach durfte Hans neben Otto Katzmann Platz nehmen.

Seine Eltern wollten ihrem Jungen die Träume von einer Karriere im Bergbau ausreden, indem sie ihn vor den letzten großen Ferien in den als ‚Knochenmühle‘ verrufenen Schnepfenbuschschacht nach Hessen schickten. – Aber er blieb hart: „Das stehst Du durch“, sagt er sich. Unter Tage beging er 1941 seinen 18. Geburtstag vor Streb.

Nach dem Abitur wurde er zum 15. Infanterieregiment als Mot.-Schütze nach Kassel eingezogen, das zur 6. Armee des späteren Generalfeldmarschalls (ab 1943) Friedrich Paulus gehörte. Dem glücklichen Umstand, dass ihm der „Küchenbulle“, wie er ihn nennt, kochend heißen Kaffee über sein Bein gekippt hatte, verdankte er möglicherweise sein Leben. Denn bei der so genannten Abstellungsuntersuchung wurde er für nicht k.v. („kriegsverwendungsfähig“) befunden. So entging er der Abstellung nach Stalingrad. Nach einer langen stationären Behandlung, bei der ihm kurzzeitig die Amputation gedroht hatte, und dem Dienst in einer Genesungskompanie, kam der junge Soldat Ende 1942 zum neu aufgestellten Infanterieregiment 148, wurde am 24.12.1942 nach Südfrankreich versetzt und später, nach Landung der alliierten Truppen, zum Kampfeinsatz auf die Mittelmeerinsel Sizilien,.

Noch heute verfolgen ihn mitunter die schrecklichen Erlebnisse rund um die Schlacht bei Agira gegen kanadische Soldaten. Am 29.07.1943 geriet er in kanadische Kriegsgefangenschaft. Die nächsten Stationen waren eine Anzahl primitiver Kriegsgefangenencamps in Tunesien und Algerien. „Im Hafen von Algier wurden wir auf einen US-amerikanischen Truppentransporter verfrachtet. In einem Konvoi von mehr als 60 Schiffen landeten wir Ende September 1943, trotz der Nähe deutscher U-Boote, sicher im Hafen von New York. Während meines fast dreijährigen Aufenthaltes in den USA habe ich eine Vielzahl unterschiedlichster Jobs ausgeführt.

Unter anderem war ich als Apfelsinenpflücker im „Citrus-Valley“ bei Los Angeles tätig. Das klingt romantisch, war aber verdammt harte Arbeit. Die Zeit in den USA hat mich geprägt“, sagt er. Otto Katzmann wurde 1946 entlassen. Nach einer zweijährigen Unter-Tage-Tätigkeit zuerst im thüringischen Kali bei Vacha, dann im niedersächsischen Steinkohle- und Kalibergbau und zuletzt im Eisenerzbergbau bei Salzgitter erfüllte er als so genannter „Bergbaubeflissener“ endlich die langersehnten Voraussetzungen für ein Ingenieurstudium mit dem Schwerpunkt Erzbergbau an der Bergakademie Freiberg von 1948 bis 1953.

Auf Grund hervorragender Leistungen wurde ihm sogar eine wissenschaftliche Assistenz mit anschließender Promotion in Aussicht gestellt. Wohl wegen seiner beruflichen Tätigkeit in den „Westzonen“ erfolgte jedoch kurzfristig eine schriftliche Absage seitens der Bergakademie. Daraufhin stellte er sich im Mansfeld-Kombinat vor und wurde als Mechanisierungsingenieur unter Tage eingestellt.

Dass die damals Verantwortlichen die Fähigkeiten des jungen Diplomingenieurs außerordentlich hoch einschätzten, zeigte sich in dessen Beauftragung mit dem Aufbau eines vollkommen neuen Kupferschieferschachtes in Niederröblingen bei Sangerhausen, was dessen Planung einschloss. Darauf ist Otto Katzmann noch heute ausgesprochen stolz. Denn immerhin war er gerade erst 30 Jahre alt, und erst sechs Monate im Kombinat tätig, als er mit dieser zukunftsweisenden Arbeit betraut wurde. „Alle Mitwirkenden waren begeistert davon, ein neues Werk für 5.000 Menschen aufbauen zu dürfen“, denkt er zurück.

Während seines Studiums war er zunächst der CDU beigetreten, die er jedoch wenige Jahre später wieder verließ: „Ich beobachtete, dass sich die Politik der Blockpartei kaum von jener der SED unterschied. Da konnte ich auch Mitglied dieser Partei werden“, begründet er diesen Schritt. Allerdings vertraute er damals auf den neuen Weg, den die SED nach dem Tode Stalins und der Übertragung der Macht auf Nikita Chruschtschow einschlagen wollte.

Den Aufbau des neuen Kupferschachtes in Niederröblingen leitete Otto Katzmann bis zum Jahre 1960. Wohl auf Grund der dabei von Ihm geleisteten Arbeit beauftragte man ihn in demselben Jahr mit der Übernahme der Abteilung Produktion und Technik innerhalb der VVB Nichteisenmetallindustrie mit Sitz in Lutherstadt Eisleben, zu der sämtliche Bergbaubetriebe u.a. im Mansfeldischen, im Raum Freiberg und Ilmenau sowie im Raum Rottleberode (Fluss- und Schwerspat) gehörten. Damit unterstand Otto Katzmann direkt dem Generaldirektor.

Die neue Tätigkeit in der VVB machte ihm wenig Freude: „Das ‚Parteigetöse‘ war übermächtig. Eines Tages fragten mich z.B. Parteisekretär und Generaldirektor allen Ernstes, wie ich gedenke, in einer Uraltbleihütte im Freiberger Raum den Welthöchststand, dessen Einführung auf allen Gebieten der Wirtschaft propagiert wurde, durchzusetzen. Otto Katzmann reagierte so: „Luftwaffe anfordern und bombardieren! Mit Panzern Schutt wegräumen und neu bauen. Das aber ist eigentlich gar nicht mehr notwendig.“ – 1962 trennte man sich im beiderseitigen Einverständnis. Der Diplomingenieur kehrte als Technischer Leiter nach Niederröblingen zurück, obwohl er in dieser Funktion 300 Mark weniger verdiente. Doch die Möglichkeit, wirklich schöpferische Arbeit leisten zu können, war ihm dieses Opfer wert. 1965 wurde Otto Katzmann als Produktionsdirektor des Mansfeld-Kombinates berufen.

Damit trug er für die Arbeit von rund 15.000 Kumpeln Verantwortung, was den Bergbau, die Verhüttung, die Energie- in Wasserversorgung und die Transportleistungen der entsprechenden Betriebe im Raum Mansfeld, Hettstedt und Eisleben einschloss.

An diese Zeit erinnert er sich besonders gern, zumal die Chemie mit dem Generaldirektor Prof. Dr. Karl-Heinz Jentzsch, wie er sagt, stimmte.

Im Jahre 1969 schlug die Geburtsstunde für das zweite große Lebensprojekt des engagierten Diplom-Ingenieurs: Der VEB Schachtbau Nordhausen wurde damals mit dem Bau des Pumpspeicherwerkes Markersbach bei Schwarzenberg beauftragt. „Ein solch großes Projekt möchte ich von einem Mann geleitet wissen, der etwas davon versteht“, ließ ihn Professor Jentzsch damals wissen. Der Schachtbau hatte bereits damals einen überregional hervorragenden Ruf: „Gute Werkstätten als Herz des Betriebes, eine fähige Leitung als dessen Hirn sowie viele leistungsfähige Ingenieure – diese Einschätzung eilte dem Schachtbau mit seinen damals rund 2.500 Beschäftigten voraus“, sagt er.

Zu den zentralen Säulen des Betriebes gehörten insbesondere die Teufung von Schächten und die geologische Erkundung. Die Übernahme der Leitung des Schachtbaus durch Otto Katzmann fiel in eine Zeit, in der vor allem Umstellungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft zunehmend an Bedeutung gewannen. Wieder jedoch bekam der Pragmatiker Otto Katzmann Probleme mit der SED: „Mein Parteisekretär, ein biegesteifer Anhänger der so genannten Planwirtschaft, wollte jede Schraube Jahre im Voraus geplant haben, was auf Grund der Abhängigkeiten von den noch gar nicht planbaren Aufträgen vollkommen unmöglich war“, denkt er zurück. Der pragmatische Leiter bemühte sich um eine „friedliche Koexistenz“ mit der Partei:

Dennoch ereilte den Parteisekretär schließlich ein Nervenzusammenbruch – wegen der angeblich „schlechten Leitungstätigkeit“ Otto Katzmanns. „Das war das Ende der friedlichen Koexistenz zwischen Parteisekretär und Betriebsdirektor“, betont der Diplomingenieur. Otto Katzmann informierte die Kombinatsleitung, bat um Klärung und verband dies mit der Feststellung: „Einer von uns ist zuviel an Bord!“ Das Ergebnis war: Der Parteisekretär wurde Vorsitzender der Kreisparteikontrollkommission der Kreisleitung der SED in Nordhausen. Otto Katzmann blieb Betriebsdirektor des VEB Schachtbau Nordhausen. „Sie war aufreibend, diese Zeit. Ich hätte sie lieber für konstruktive Arbeit genutzt“, sagt er. Wenn es um die Lösung von Problemen für seinen Betrieb ging, sei er nötigenfalls keiner Konfrontation ausgewichen. Dass ihn die SED-Kreisleitung dafür gelegentlich als „arrogant“ bezeichnete, störte ihn nicht.

Der Diplom-Ingenieur wusste aus Erfahrung, dass bei der Realisierung von Großvorhaben wie dem Pumpspeicherwerk Markersbach (PSW-Mb) eine durchgängige persönliche Verantwortlichkeit geschaffen werden musste. „Nur so ließen sich beim Auftreten von Problemen in der Realisierungsphase zeit- und nervenraubende, gegenseitige Schuldzuweisungen vermeiden. Und nur so entwickelten sich bei den Beteiligten die Bereitschaft und der Zwang, Probleme kooperativ zu lösen“, sagt er. Die damaligen Leitungsstrukturen des VEB SBN jedoch hätten dies nicht zugelassen.

Sie seien vom Generaldirektor und durch „Beschlüsse“ der betrieblichen Parteileitung und Gewerkschaftsleitung bestätigt worden und hätten daher den Status der Nichtantastbarkeit erlangt. Otto Katzmann sagt: „Um langatmigen Strukturdiskussionen zu entgehen und Zeitverzug zu vermeiden, ließ ich eine SAG (=Sozialistische Arbeitsgemeinschaft“) bilden. Erfahrene Persönlichkeiten verschiedener Berufssparten wurden in die SAG delegiert. Ihre Aufgabe in dieser Startphase waren: Erarbeitung erforderlicher Unterlagen und Mitarbeit und Koordinierung bei Planung und Projektierung des Vorhabens.

Die Mitarbeiter der SAG wussten, dass sie das Projekt PSW-Mb als Führungskräfte bis zur Übergabe begleiten würden. Sie waren stolz darauf, an einem derartig großen Auftrag mitwirken zu dürfen. Schließlich konnte ich die Kombinatsleitung und unsere Partei- und Gewerkschaftsleitung dazu bewegen, der notwendigen Anpassung der Leitungsstrukturen zu zustimmen, in dem ich ihnen mögliche Konsequenzen bei Misserfolg aufzeigte.“ – Die Inbetriebnahme der Untertageanlagen der PSW – Mb erfolgte störungsfrei. Vereinbarte Termine und Preise wurden eingehalten.

Aber auch im baulichen Zustand des Betrieb selbst sorgte Otto Katzmann für zahlreiche zukunftsträchtige Neuerungen: So gelang es ihm, Ende der 70-er Jahre einen Ministerratsbeschluss zu erreichen, der die Errichtung eines vollkommen neuen, modernen Werkes in Nordhausen beinhaltete.

Auf bis zu 55 Baustellen gleichzeitig waren die Mitarbeiter des Schachtbaus in den fast 20 Jahren unter Otto Katzmann damals tätig, darunter auch im Ausland: So wurden in der Mongolei Schächte vertieft und neue Fördergerüste installiert. Im sowjetischen Kriwoj Rog erfolgten Unterstützungsarbeiten beim Bau einer Eisenerzaufbereitung. Auch im früheren Jugoslawien teuften die Nordhäuser einen Schacht. In Mozambique übernahmen sie die technische Leitung von Bergbauunternehmen, insbesondere zum Abbau des Stahlveredlers Tantalit, für dessen Verarbeitung in der DDR eine Pilotanlage entstand. In Marokko trat der VEB Schachtbau vor allem als Berater zu Fragen der geologischen Erkundung auf.

In der DDR gehörte neben Markersbach auch die Erschließung des Kalischachtes Zielitz zu den Großprojekten des Betriebes, die als so genannte Staatsplanaufgabe eine ganz besondere wirtschaftliche Bedeutung hatten. „Ich sorgte für die gleichmäßige Förderung unterschiedlichster Bereiche: Fiel ein Bein um, dann standen wir noch auf mehreren anderen“, begründet Otto Katzmann seine damalige Philosophie.

1988 schied der Diplomingenieur aus dem VEB Schachtbau aus Altersgründen aus: „Ich bin Schachtbauer mit Leib und Seele gewesen. Trotzdem fiel mir der Abschied vom Berufsleben nicht schwer, denn dem Sekretär für Wirtschaft im SED-Politbüro, Dr. Günter Mittag war es gelungen, die Wirtschaft der DDR zu einem computergestützten Chaos zu entwickeln. Die Krönung seines Schaffens war das Gesetz über die Einheit von Plan, Bilanz und Vertrag. Dieses sollte gravierende Folgen für unseren Montagebetrieb haben. So wurden praktisch über Nacht einige größere Aufträge gekündigt und eingestellt. Oder: Die Kontingente zum Bezug von Vergaser- und Dieselkraftstoff waren so knapp bemessen, dass z.B. unser Werkstattfahrzeug seinen Service für die Baustellen einstellen musste. Ein Baustellenchef „erbettelte“ beim Auftraggeber Dieselkraftstoffkontingent, um die Arbeiten weiterführen zu können, u.s.w., u.s.w.. Es war deprimierend. Mir war klar, dass all dies zwangsläufig zum Ende der DDR führen musste. Und das stimmte mich optimistisch, vertrauend auf die Zukunft.

Als ehemaliger Betriebsdirektor eines VEB wurde Otto Katzmann mittels „typisierender Betrachtung“ als „staatsnah“ eingestuft. Das hatte eine Kürzung der Rente, offiziell „Begrenzung“ zur Folge. „So wurde auch das Ende meiner beruflichen Tätigkeit, nunmehr aber in einem neuen Gesellschaftssystem, kritisch bewertet, diesmal wegen meiner Arbeit im Osten Deutschlands.“

Diesem Schlag ins Gesicht eines Menschen, der sich zum Wohle des VEB Schachtbau Nordhausen bis zur Selbstaufgabe mit der SED-Wirtschaftspolitik auseinanderangesetzt hat, begegnete er mit einer erfolgreichen Klage.

Otto Katzmann wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, so 1958 mit dem Nationalpreis für den Aufbau der Schachtanlage Niederröblingen, 1971 als Verdienter Bergmann und später als Verdienter Techniker.

Seit 59 Jahren ist er mit seiner Elselore verheiratet. „Während ich ansonsten im Leben immer nur Glück im Unglück hatte, hatte ich mit ihr erstmals Glück im Glück. Und das hat sich auch nach sechzig Jahren nicht geändert“, sagt der 88-jährige liebevoll. Sohn Detlef Katzmann (geb. 1954) wurde wie sein Vater ebenfalls Bergingenieur, während Tochter Andrea den Beruf einer Physiotherapeutin erlernte. Sie ist heute Personalratsvorsitzende im Nordhäuser Krankenhaus.

Zur Familie gehören mittlerweile fünf Enkel und eine Urenkelin.

Seine Freizeit füllt der humorvolle 88-jährige am liebsten mit Wandern und mit der Schriftstellerei aus: Zu seinen persönlichen Aufzeichnungen zählen insbesondere die „Abenteuer und Erlebnisse des jungen Bergknappen Katerle unter den Grenadieren.“

Darin schreibt er zum Geleit: „Das Buch widme ich den Enkeln. Es soll ein Dank sein an meine Eltern und an alle die vielen Eltern meiner Generation auf der Erde, die um das Leben ihrer Söhne im Krieg bangen mussten, ohne dass sie etwas Weltbewegendes in der Politik bewegt haben.“

Das Buch wird von Helmut Peter von der Autohaus Peter GmbH und vom Maler und Grafiker Klaus-Dieter Kerwitz (mit Grafiken) großzügig unterstützt. Kommentar sind nicht erwünscht
Autor: nnz

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