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nnz-Forum: Nach vorne denken

Donnerstag, 27. August 2009, 07:30 Uhr
Die Straßenränder sind übersäht von Wahlplakaten der Parteien. In allen Farben, in allen Größen. Mit einem hat sich ein Leser der nnz intensiver beschäftigt und Vergleiche gezogen...


Kennen Sie die beiden Männer? Nun, der auf der rechten Seite dürfte bekannt sein. Aber links von ihm, der Mann mit den Blumen, Nikita Chruschtschow, könnte selbst für Altossis schon ein Gedächtnisproblem darstellen. Er war in den 60ern Erster Sekretär des ZK der KPdSU, Stalin-Nachfolger, Gegenspieler von US-Präsident Kennedy und Beschützer Ulbrichts.

Ich habe aufgrund ihrer Gestik die Bilder der beiden Politiker zu ihrem, liebe Leser, Vergleich nebeneinander gestellt. Natürlich hätte ich mich auch jeder Menge Bilder von Denkmälern hervorragender Diktatoren der jüngeren Vergangenheit bedienen können: Lenin, Stalin, Tito, Mao, Ceausescu etc. Alle streckten sie mit übermenschlich-staatsmännischer Geste die Rechte in die lichte Zukunft ihrer Völker und der gesamten Menschheit. Was aus dieser Zukunft geworden ist, das wissen wir heute.

Ich hoffe, Dieter Althaus lenkt uns mit seinem Führungsgeschick nicht auch noch dorthin. Da ich aber weder Herrn Althaus mit einer dieser großen und bösen Figuren der Weltgeschichte vergleichen möchte (Damit wäre denen wahrscheinlich auch Unrecht getan.), noch von Herrn Althaus oder der Thüringer CDU eine Strafanzeige am Halse haben möchte, vergleiche ich die Haltung unseres MP lieber mit der des historisch geschätzten Chruschtschow.

Über Sinn und Unsinn von Wahlkampfplakaten kann man trefflich streiten. Aber sie gehören nun mal zum politischen Geschäft in einer Demokratie. Sie sind Werbeformen oder Werbefloskeln. Nur wird anstatt für eine Ware für eine Politik oder – wie im Falle der CDU Thüringens, die ohne nennenswerten politischen Inhalt in den Wahlkampf ging – ausschließlich für eine Politikerperson geworben. Das ist nicht weiter schlimm. Die Demokratie ist im Wahlkampf ein Marktplatz, wo die Parteien um unsere Stimmen konkurrieren. Hier wird die Demokratie zur Marktschreierin und Feilscherin; sie ist ja auch nicht zufällig auf den Märkten des antiken Athens und unserer mittelalterlichen Städte geboren worden.

Was mir am Wahlplakat für unseren MP zu denken gibt, ist einmal die Tatsache, dass das Produktmarketing der Ware „Dieter Althaus“ so dürftig ausfällt. „Nach vorne denken.“ …??? Ja, wohin denn sonst, wenn ich fragen darf? Nach unten oder nach oben etwa? Glaubt die CDU tatsächlich, die Wähler damit von ihrer Politikerware überzeugen zu müssen, dass man mit Herrn Althaus nicht nach hinten, sozusagen am Rücken herunter oder am unteren Rückenende vorbei zu denken braucht?

Noch bemerkenswerter finde ich allerdings den Fakt, dass sich die Thüringer CDU-Wahlkampfstrategen hier völlig in der Form vergriffen haben. Und Herr Althaus, dem ich nichts Böses unterstelle, hat es geduldet, sich in der Pose des Zukunftslenkers, des Volkstribuns und Vaters aller Thüringer Stammesgenossen darstellen zu lassen. Sozialismusgeschädigten, und das ist nun mal im Freistaat die absolute Mehrheit, muss das entweder sauer aufstoßen oder, so ging’s mir, absolut lächerlich erscheinen. Thüringer Blogger Thüringer Blogger haben sich darüber auf der Seite schon sehr sehenswert lustig gemacht. Herr Althaus, der trägt den Spott davon. Das Plakat mit einem behelmten Althaus ist mein absoluter Favorit.

Ich bin auch dafür, Politik nicht zu bierernst zu nehmen. Aber Herr Althaus in der Chruschtschow-Pose drückt auch etwas Erschreckendes aus. Wer sich derartig zur Schau stellt - nicht nur, aber vor allem hier im Osten - der gibt uns damit zu verstehen, dass er längst über der Wirklichkeit der Menschen steht, dass er den Bezug zu unserem Leben verloren hat. So unterschiedlich die historischen Personen waren, die sich mit dieser Hände-Haltung ihrer Öffentlichkeit präsentierten, eines hatten sie alle gemeinsam: Die in die Zukunft weisende Hand ist der zur Geste erstarrte Ausdruck von Machtarroganz, von Gewalt und Anmaßung.

Über jeden der „Zukunftsweiser“ hat die Geschichte bisher den Stab gebrochen. Ausnahmslos über jeden. Und da Herr Althaus seine Macht nicht durch einen Putsch oder eine Revolution erkämpft, sondern – wenn auch nur indirekt, denn er wird ja nicht direkt vom Volk gewählt - aus unseren Händen treuhänderisch auf Zeit verliehen bekommen hat, bleibt nur ein Fazit: Wir haben ihn schon zu lange an der Macht gelassen. Es wird Zeit, den Chruschtschow wieder in die Mottenkiste der Geschichte zu packen!
Klaus-Uwe Koch, Nordhausen
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Autor: nnz

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