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nnz/kn-Betachtung: Die eigene Welt

Mittwoch, 29. Juli 2009, 07:29 Uhr
Nun endlich haben wir sie – die Story des Politsommers. Frau Schmidt und ihr gestohlener Dienstwagen. Und natürlich haut sofort der Bund der Steuerzahler auf den Tisch, zückt den Taschenrechner, bringt Zahlen ins Spiel, die nicht nachgerechnet werden. Und die andere Politik, also jenseits der SPD, die wettert los.


So spricht ein, bis dahin mir unbekannter CDU-Haushaltspolitiker namens Georg-Schirmbeck davon, dass der Frau Schmidt das gesunde Volksempfinden abhanden gekommen sei. Der Mann muss – wegen seines Doppelnamens – wohl Wessi sein und die Geschichte seiner eigenen Partei nicht so recht kennen. Erinnert sei an die Dienstwagenaffären einer Frau Süssmuth oder einer Frau Hohlmeier. Vermutlich haben Frauen der Politik häufig Affären mit ihren Dienstwagen. Doch das ist ein anderes Feld der Betrachtung.

In einem aber hat der Mann mit dem Doppelnamen nicht ganz Unrecht: Der Umstand mit dem Volksempfinden. Ich würde sagen, das Ausmaß der Abgehobenheit in der bezahlten Politik war noch nie so krass wie derzeit.

Die Damen und Herren Landtags- oder Bundestagsabgeordneten, die Damen und Herren Minister aller Branchen und Gebietskörperschaften sowie deren Staatssekretäre, die leben in einer wunderschönen Welt. Behütet und beschützt – vor allem vor uns. Da dürfen zum Beispiel die Kinder der Bundestagsabgeordneten einen eigenen Kindergarten besuchen, Hauptsache, die Sprösslinge kommen nicht mit der Außenwelt in Berührung. Kein Wunder, für die bis zu 170 zu betreuenden Kinder wurden zur Abschottung und Betreuung an der Spree satte zehn Millionen DM verbaut.

Schicke Dienstwagen, tolle Wohnungen, ein Fahrservice, der diejenigen Bundestagsabgeordneten, die zum Beispiel am Berliner Hauptbahnhof ankommen, mit einem dicken Daimler die 500 Meter zum Bundestag chauffiert – das ist doch eine Welt? Auf jeden Fall ist es nicht die Welt, in der die restlichen 99,98 Prozent der Menschen in diesem Lande zurechtkommen müssen.

Denen wird jedoch immer mal ein Besuch abgestattet, vor allem in jenen Zeiten, da die Existenzängste ein wenig größer werden. In der Wahlkampfzeit. Doch sieht man sich diese Termine etwas näher an, dann wird klar, die Regierenden wollen auch dann nicht wirklich wissen, was das draußen – also bei uns allen – so los ist.

Unternehmen werden besucht. Na klar, alles Vorzeigunternehmen, denen es gut geht. Da kann man loben und wird gelobt, bevor es zum gemeinsamen Mittagessen, zum Finger-Food oder dem Glas Sekt geht. Oder es werden Schulen besucht, die erst kürzlich gebaut oder generalsaniert wurden. Oder es gibt Grundsteine zu legen, Bänder durchzuschneiden oder Richtsprüchen zuzuhören.

Danach geht es sofort zurück in die eigene Welt, die so schön vermutlich aber auch nicht ist. Ständig ist man den Attacken des politischen Gegners ausgesetzt, da werden hinter dem eigenen Rücken die „Messer gewetzt“. Irgendwann will jeder schließlich mal ganz oben sein. Oder man hat sich eingerichtet, wie die Abgeordneten aus unserer Nordthüringer Region: Manfred Grund, Egon Primas und Dr. Klaus Zeh (alle CDU) werden vermutlich bis an ihr Erwerbslebensende hauptpolitisch arbeiten. Bei Dagmar Becker von der SPD scheint mir der Wunsch größer als die Realität zu sein und bei der LINKEN weiß man sowieso nie so genau, woran man ist.

Während dessen wird dem zu regierenden Volke gern mal ein Brocken hingeworfen. Wenn sich eine Frau Schmidt ihren Dienstwagen klauen lässt. Das lenkt ab, zum Beispiel von der Beantwortung der Frage, wer meine Schweinegrippeimpfung bezahlt?
Peter-Stefan Greiner
Autor: nnz/kn

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