nnz-online
Ausnahme oder bereits Alltag:

Kinder prügeln Kind ins Krankenhaus

Montag, 27. März 2023, 07:00 Uhr
Der mutmaßliche Mord an einem 12jährigen Mädchen in Freundenberg hat in Deutschland Entsetzen ausgelöst. Auch, weil die mutmaßlichen Täterinnen nicht einmal 14 Jahre alt sind. Und auch, weil es eine grausame Tat war. Sind Kinder bereits so verroht, so gewalttätig und ist Freudenberg ein Einzelfall? Nein, ein jüngstes Geschehen in Ellrich könnte ebenfalls exemplarisch dafür stehen…


Die Geschehnisse sind - Gott sei dank - nicht in ihrer Intensität mit denen in Freudenberg zu vergleichen. Dennoch: ein Mädchen musste ins Nordhäuser Südharz Klinikum gebracht werden. Und das war am Dienstag in Ellrich passiert:

Zwischen zwei Mädchen (5. und 6. Klasse) soll es nach nnz-Informationen bereits eine längere Feindschaft gegeben haben. Sie konnten und können sich nicht leiden, so die. Soll vorkommen, doch am zurückliegenden Dienstag eskaliert die Dauerfehde zwischen dem Mädchen aus Rumänien und dem aus Syrien. Beide leben übrigens mit ihren Eltern schon seit vielen Jahren in Deutschland, mindestens eine von ihnen hat im Landkreis Nordhausen schon die Grundschule durchlaufen.

Jedenfalls geraten die beiden nach der Schule im benachbarten Park aneinander. Sie kratzen sich gegenseitig, ziehen an den Haaren. Schnell haben sich Sympathisanten der einen und der anderen am Ort des Geschehens eingefunden. Und wie das heute nicht nur in Neukölln oder in Wuppertal so ist, man mischt sich ein. Massenschlägerei nannten wir das früher. Dabei wurde - so wird es berichtet - ein Kind so schwer verletzt, dass es letztlich von seinen Eltern ins Klinikum gebracht werden musste. Es soll wohl auch eine Anzeige bei der Nordhäuser Polizei erstattet worden sein. Die weiß auf Nachfrage der nnz am Freitag nichts von der “Angelegenheit”.

Ist diese Qualität des jugendlichen Disputs im beschaulichen Ellrich eine Ausnahme oder eher die Regel? Sie ist immer noch die Ausnahme. Regelschulleiterin Carola Böck sieht schon längere Zeit eine Verrohung im Umgang der Schüler untereinander. Es gebe kaum noch Grenzen in der verbalen Auseinandersetzung. Vor allem werde deren Verschiebung ins Unerträgliche bei den “Jüngeren”, also den Klassenstufen 5, 6 und 7, beobachtet. Wie sich die Kinder und Jugendlichen aller Nationalitäten untereinander beschimpfen, das könne man kaum noch wiedergeben. Egal ob Syrer, Afghanen, Maghrebstaaten oder Osteuropa, die meisten von ihnen leben teilweise schon sieben bis acht Jahre in Deutschland und sind der deutschen Sprache klar mächtig. Doch woher kommt diese Gewalt, kommt dieser Hass, kommt die Verrohung?

Hier sieht die erfahrene Pädagogin ganz klar den Umgang mit den sozialen Medien. Je jünger die Konsumenten, desto realer erscheint ihnen die digitale Welt und deren Möglichkeiten im Positiven wie im Negativen. Sie verlieren nicht nur den Respekt gegenüber anderen Menschen, sie verlieren auch das Maß an Empathie, moralische Schranken im Denken und Handeln scheinen abhanden gekommen oder haben sich möglicherweise durch die Nicht-Erziehung im Elternhaus nie entwickelt. Dieser Prozess habe sich in einer deutlich neueren Qualität bei den Streitereien manifestiert, sagt die Schulleiterin und ergänzt, dass die Probleme gerade die zurückliegenden sechs bis neun Monate an Dynamik gewonnen haben.

Die Schule, die Lehrer, die Betreuer - sie sind oft machtlos, denn sie können nicht ersetzen, was der andere Teil der Erziehung eines Kindes, eines Jugendlichen nicht leisten kann oder oft auch nicht leisten will - das Elternhaus. Und da gibt es zumindest in der Regelschule in Ellrich scheinbar keinen Unterschied in der Nationalität. Die Mehrheit der Streithähne, die sich an diesem Dienstag die “Prügelei” geleistet hatten, sollen Deutsche gewesen sein.

Update Landespolizeiinspektion Nordhausen: Seitens der Pressestelle der Landespolizeiinspektion sind der Sachverhalt und der bisher festgestellte Tatverlauf gegenüber der nnz so bestätigt worden. Da das Opfer laut Pressesprecherin Fränze Töpfer "massiv geschlagen wurde", ermittelt nun die Kriminalpolizei wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Anzeige ging bei der Polizei am Mittwochvormittag ein.
Peter-Stefan Greiner
Autor: psg

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de