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Nachgefragt

Ermittlungen gegen Nordhäuser OB

Montag, 13. März 2023, 20:00 Uhr
Wer hätte das gedacht: der Streit um eine angebliche Erweiterung der Verkaufsfläche eines Supermarktes in Niedersachswerfen könnte den Nordhäuser Oberbürgermeister in arge Bedrängnis bringen. Wir haben erste Einzelheiten für Sie recherchiert...


Der Nordhäuser Stadtrat berät in der Regel zu Angelegenheiten im sogenannten "eigenen Wirkungskreis", wie es die Verwalter ausdrücken. Er kümmert sich also um Nordhäuser Angelegenheiten.

Wenn es die Gesetzeslage erfordert oder erlaubt, dann tangieren Vorgänge beim Nachbarn auch die Interessen von Nordhausen. Nun wurde in Niedersachswerfen nicht etwa ein neues Einkaufszentrum, zum Beispiel eine "Harztor-Galerie", geplant und gebaut. Nein, in Niedersachswerfen kamen durch den Umbau des SB- sowie des Baumarktes des Handelsriesen Edeka einige Quadratmeter Verkaufsfläche hinzu.

Und sofort schrillten im Rathaus zu Nordhausen die Alarmglocken, vermutlich jagte eine Krisensitzung die andere. Oder so ähnlich. Die Causa "Herkules" erreichte den Stadtrat und dessen Ausschüsse, schließlich haben die Damen, Herren und Diverse auch mehr als ein Wörtchen mitzureden, wenn es um gut nachbarliche Verhältnisse oder um verwaltungstechnische "Kriegserklärungen" gegen die Nachbarn geht.

Die Verwaltungsspitze entschied sich für "Kriegserklärung". Und so kam der "Herkulesmarkt" derart in die Öffentlichkeit, dass man in der Edeka-Zentrale nahe am Überlegen war, die Belieferung der Haushalte von Rothesütte bis Steinbrücken mit Prospekten einzustellen. Werbung für das Verkaufsparadies gab es in den Medien genug. Alles nachzulesen im Archiv dieser Zeitung.

Denn das Nordhäuser Rathaus, angeführt vom Oberbürgermeister, fand die Aktion in Niedersachswerfen überhaupt nicht gut und befürchtete einen Handels-Gau für die Innenstadt von Nordhausen. Aus dieser kommunalpolitischen Lappalie entwickelte sich indes ein handfester Streit zwischen der Verwaltungsspitze und dem Stadtrat, der nichts von Sanktionen gegenüber dem Nachbarn hielt. Mehrere Beschlüsse wurden gefasst, mehrfach gegen den Willen des Oberbürgermeisters.

Für die Öffentlichkeit fast unbemerkt waren das nicht nur die üblichen Scharmützel, sondern die Rechtsaufsicht des Landkreises Nordhausen schaltete sich ein und begann ein Disziplinarverfahren gegen den Oberbürgermeister anzustrengen und einzuleiten. Das war, wie die Behörde der nnz bestätigte, im Frühjahr des vergangenen Jahres. In Folge der Ermittlungen wurden unter anderem Stadträte befragt, genauer gesagt, sie wurden angehört. Zum Beispiel unterhielt sich die Rechtsaufsicht mit Steffen Iffland, der im Herbst eine sonderbare Begegnung mit der Leitungsstruktur im Nordhäuser Rathaus hatte. Iffland wollte zu einem vereinbarten Termin mit der Bürgermeisterin und musste anschließend erfahren, dass der Oberbürgermeister ein durchaus starkes Interesse am Inhalt des Gespräches und dessen Zustandekommen gezeigt habe. Iffland gab dies zu Protokoll.

Zoff gab es unterdessen auch zwischen dem Fraktionsvorsitzenden der SPD und einem Angestellten aus dem unmittelbaren Arbeitsumfeld des OB, der darin gegipfelt haben soll, dass sich Müllers Anwalt mit einer Unterlassungsklage beschäftigen muss.

Nun also die Ermittlungen gegen den Nordhäuser Oberbürgermeister. Die erfolgen nach dem deutschen Beamtenrecht und sind in den Paragraphen des Thüringer Disziplinargesetzes geregelt. Erst vor einigen Tagen - in einer Beratung mit den Amtsleitern - soll der OB diese Ermittlungen gegen ihn kund getan haben.

Ein beamtenrechtliches Disziplinarverfahren kann unter anderen mit einfachen Disziplinarmaßnahmen - zum Beispiel einem Verweis - enden oder auch zur Entlassung aus dem Beamtendienst führen. Hierzu entscheidet die Disziplinarkammer am Verwaltungsgericht Meiningen abschließend.

Die ermittelnde Behörde hält sich bei den Anfragen der nnz mit dem Verweis auf ein laufendes Verfahren mehr als bedeckt. Da muss man entsprechende Antworten der Behörde schon mehrfach lesen und so heißt es auf die Frage, ob die Kommunalaufsicht ein vorläufiges Dienstenthebungsverfahren gegen den Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen eingeleitet habe: "Dienstenthebungsverfahren regelt § 42 des Thüringer Disziplinargesetzes."

Pikant ist die Angelegenheit allemal, schließlich endet in diesem Jahr die Amtszeit des jetzigen Oberbürgermeisters und eine erneute Kandidatur wird er nicht ausschließen. Wäre das Disziplinarverfahren erst in diesem Jahr eingeleitet worden, dann hätte das durchaus ein politisches Geschmäckle bekommen. So aber begannen die Ermittlungen bereits vor knapp einem Jahr. Und das alles wegen 40 Quadratmeter mehr Verkaufsfläche eines SB-Marktes in Niedersachswerfen, den es dort bereits seit rund zwei Jahrzehnten gibt.
Peter-Stefan Greiner
Autor: psg

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