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Hegegemeinschaft Rotwild Südharz/Thüringen:

Fachgespräch zur Zukunft der Rotwildeinstandsgebiete

Freitag, 07. Oktober 2022, 13:52 Uhr
Der Einladung in die Kalkhütte nach Urbach folgten nahezu 80 Vertreter der Jagd-, Land- und Forstwirtschaft, des Landesjagdverbandes Thüringen, der Politik und der Jägerschaft. Im Mittelpunkt stand die Zukunft der Rotwildeinstandsgebiete in Thüringen...

Fachtagung und Podiumsdiskussion in der Kalkhütte rund um das Rotwild (Foto: Hegegemeinschaft Südharz) Fachtagung und Podiumsdiskussion in der Kalkhütte rund um das Rotwild (Foto: Hegegemeinschaft Südharz)

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der Hegegemeinschaft Niels Neu und eines Grußworts des Nordhäuser Landrats Matthias Jendricke referierte Prof. Dr. Dr. Sven Herzog einleitend zum Thema „Rotwildeinstandsgebiete in Thüringen – wie soll unser Rotwild künftig leben und bewirtschaftet werden?“.

Herzog hat Forstwissenschaften, Medizin und Biologie studiert und ist derzeit unter anderem als Hochschullehrer an den Universitäten in Dresden und Göttingen tätig. Anlass des Fachgesprächs ist die Festlegung von vier Rotwildgebieten in Thüringen durch die Thüringer Verordnung zur Festlegung von Einstandsgebieten für das Rotwild (Thüringer Einstandsgebietsverordnung -ThürEGVO-) vom 02.08.2014, mit der dem Rotwild der Lebensraum vorgeschrieben wird.

Hierzu gehört unter anderem der Harz. Außerhalb dieser Gebiete kann Rotwild mit Zustimmung des Flächeneigentümers zwar geduldet, aber auch ebenso auf Antrag bei der unteren Jagdbehörde ohne kontrollierten Abschussplan durch Totalabschuss des weiblichen Wildes beseitigt werden. Eine sogenannte Bewirtschaftung, also eine Hege und Bejagung nach bestimmten Kriterien, ist nicht erlaubt.

Doch die Lebensräume des Rotwildes verändern sich durch Borkenkäferkalamitäten, Trockenheit, intensivere Freizeitnutzung des Waldes und einer hierdurch stärkeren Beunruhigung des Wildes mit der Folge, dass das Rotwild als ursprüngliche Offenlandart wieder das Harzer Vorland besiedelt. „Historisch gesehen kam Rotwild in Europa flächendeckend vor, lebte im Sommer in den Mittelgebirgen und zog im nahrungsarmen Winter in die Auwälder.

Blick in das Auditorium (Foto: Hegegemeinschaft Südharz) Blick in das Auditorium (Foto: Hegegemeinschaft Südharz)

Diese gibt es nicht mehr, so dass das Rotwild in die offene Feldflur zieht, was zu einem gewissen Grad tolerierbar sein sollte. Es geht jedoch nicht um zahlenmäßig mehr Wild, sondern darum, dass sich Rotwild auf einer größeren Fläche ausbreiten darf“, so Prof. Herzog, „Dem Wolf erlauben wir ja auch, die alten Lebensräume wieder zu besiedeln.“ Natürlich muss man dabei auch etwaige Probleme in den Blick nehmen, aber einen zwingenden Zusammenhang zwischen Wilddichte und Wildschäden, den gibt es nicht, so Herzog weiter.

Diese lassen sich auf ein hinnehmbares Maß durch ein modernes Wildtiermanagement minimieren. Man muss auch Äsungsflächen und Ruhezonen zulassen sowie veraltete Bejagungsmethoden durch intelligente Bejagungsstrategien ersetzen. Dass auch Rothirsche durch Beweidung zum Erhalt von ökologisch wertvollen Offenlandschaften beitragen können, zeigt ein Projekt auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Die Rothirschbeweidung auf dem Übungsplatz bewirkt den Erhalt von ökologisch wertvollen Offenlandlebensräumen mit zahlreichen streng geschützten und gefährdeten Arten.

Prof. Dr. Dr. habil. Sven Herzog, Dr. Daniel Hoffmann, Lars Kothe, Leiter des Forstbetriebs der Firma Knauf, Michael Hübner, Hohnsteiner Forst GbR - Fürstlich Stolbergsche Verwaltung,  Dr. Lucas von Bothmer (Foto: Hegegemeinschaft Südharz) Prof. Dr. Dr. habil. Sven Herzog, Dr. Daniel Hoffmann, Lars Kothe, Leiter des Forstbetriebs der Firma Knauf, Michael Hübner, Hohnsteiner Forst GbR - Fürstlich Stolbergsche Verwaltung, Dr. Lucas von Bothmer (Foto: Hegegemeinschaft Südharz)
Die anschließende Diskussionsrunde moderierte Dr. Lucas von Bothmer, Chefredakteur der Zeitschrift ÜBERLÄUFER und von 2012 – 2020 Chefredakteur der Zeitschrift JÄGER. "Grundsätzlich sind wir offen für eine großflächigere Bewirtschaftung des Rotwildes, bitten aber darum, dass Forst- und Landwirtschaft die Chance gegeben wird, wirtschaftliche Erfolge zu generieren", mahnte Lars Kothe, Leiter des Forstbetriebs der Firma Knauf Deutsche Gipswerke KG.

Auch Michael Hübner, Förster der Hohnsteiner Forst GbR - Fürstlich Stolbergsche Verwaltung sieht es so, dass die zielgerichtete Bewirtschaftung des Rotwildes nicht an der Reviergrenze aufhören darf. „Wir versuchen, den sogenannten Wald-Wild-Konflikt mit Hilfe eines modernen Wildtiermanagements gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bei uns gehören Forst- und Jagdwirtschaft zusammen. Die Jagd leistet einen wichtigen Beitrag zu unserem Betriebsergebnis.“

Die Diskussion zeigte, dass der Wildbestand im Moment ein eher geringes Problem ist, sondern viel drängendere forstwirtschaftliche Fragen, insbesondere wie unser Wald künftig aussehen soll, zu beantworten sind. Die derzeitige Vegetationssituation aufgrund der Waldschadensproblematik bietet demgegenüber sogar die Möglichkeit, Habitatflächen für das Rotwild aufzubauen. Für eine nachhaltige Nutzung müssen wir Forstleute, Jäger und Landwirte die Fläche, auf der wir arbeiten, immer wieder neu bewerten, forderte der Wildbiologe und Naturschützer Dr. Daniel Hoffmann. "Wir verlangen von den afrikanischen Ländern, die Elefanten unbeschadet der von ihnen verursachten Schäden zu erhalten, legen aber vor der eigenen Haustür andere Maßstäbe an."

Am Ende herrschten nach zahlreichen Wortmeldungen seitens der Vertreter des Forstamts Bleicherode, des Präsidiums des Landesjagdverbandes, der IG Rotwild, der Landwirtschaft und der hiesigen Jägerschaft unter den Anwesenden Einigkeit darüber, dass eine Ausweitung des Lebensraumes für das Rotwild überdacht werden muss. Die angestoßene Diskussion hierüber kann jedoch erst ein Anfang sein, denn es bedarf eines für alle Seiten tragbaren Lösungsansatzes und insbesondere auch Zugeständnisse bzgl. der vom Rotwild benötigten Äsungsflächen und Ruhezonen, denn wenn sich die Lebensräume weiter verschlechtern, führt der Überlebenskampf des Rotwildes unweigerlich zu Schäden und Konflikten.

Gerichtet an den CDU-Landtagsabgeordneten und naturschutzpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Stephan Tiesler, appellierte der Vorsitzende der Kreisjägerschaft Nordhausen, Torsten Meißner, dass hierfür auch ein entsprechender politischer Wille erforderlich ist. Tiesler Dieser versprach das Thema aufzugreifen und in den Landtag zu transportieren.
Autor: psg

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