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Die Apfelsaison beginnt

Der Säufer unter den Früchten hat es schwer

Donnerstag, 01. September 2022, 14:03 Uhr
Der Herbst kommt und mit ihm die Zeit der Apfelernte. Bei der Hofmosterei Ibe aus Harzungen im Kreis Nordhausen hatte man schon vorher viel zu tun, ohne zusätzliches Nass hätten die Bäume auf den Streuobstwiesen der Region in diesem Jahr schwer gelitten. Dem „Säufer unter den Obstbäumen“ setzt die Trockenheit schwer zu…

Mit dem Herbst kommt auch die Zeit der Apfelernte. Die Bäume haben allerdings mit der Trockenheit zu kämpfen (Foto: agl) Mit dem Herbst kommt auch die Zeit der Apfelernte. Die Bäume haben allerdings mit der Trockenheit zu kämpfen (Foto: agl)


Seit über zehn Jahren gehören Obstbäume zum Leben von Alexander Ibe und Kathleen Hahnemann. In Harzungen haben sie sich eine kleine Mosterei aufgebaut, „versaften“ was sie selber auf mehreren Streuobstwiesen in der Region anbauen und bieten seit ein paar Jahren auch „Lohnmosterei“ an.

Das Geschäft läuft gut, pressen und abfüllen für Jedermann wird es auch in diesem Jahr wieder geben, allerdings musste man die Termine etwas einschränken, um mit der eigenen Produktion hinterher zu kommen, berichten Ibe und Hahnemann. Denn inzwischen gibt es den Saft aus der Region nicht mehr allein im Ort und bei einer Handvoll Händlern, sondern sogar in dem einem oder anderen Supermarkt.

Gute Nachrichten für das kleine Passionsprojekt, doch mit der Freude schwingt auch Sorge mit. Das Jahr war für die Apfelernte in der kritischen Bestäubungsphase im Frühjahr zu kalt und ingesamt viel zu trocken. Schon wieder, muss man leider sagen. Das vergangene, vergleichsweise „normale“ Jahr habe nicht ausgereicht, um die Defizite der Trockenheit aus den Jahren 2018 bis 2020 auszugleichen, erzählt Alexander Ibe, nun kam die nächste Dürre oben drauf. „Es sieht nicht gut aus auf den Wiesen. Die Trockenheit von damals steckt immer noch drin in den Bäumen, vor allem die älteren Pflanzen haben zu kämpfen. Man kann das deutlich sehen, die Bäume trocknen von der Krone her aus. Hinzu kommen sinkende Grundwasserpegel und Krankheiten wie der „schwarze Rindenbrand“ die die Streuobstwiesen zusätzlich unter Druck setzen".

Der Apfel sei der „Säufer unter den Früchten“ und es wird zunehmend schwerer, die Bestände ausreichend zu versorgen. „Wir haben einige jüngere Pflanzen, bei Rüdigsdorf haben wir zum Beispiel 25 neue Bäume in die Erde gebracht, die wir gewässert haben. Aber das ist in der Masse nicht zu machen, dass ist so als ob man einen ganzen Wald gießen wollte“, erzählt Ibe. „Trockenphasen hat es immer gegeben. Aber in der Regel folgten darauf auch wieder nasse Jahre. Dieser Ausgleich fehlt gerade einfach und die Temperaturspitzen sind enorm. Die Bäume können keine Reserven aus der Tiefe holen weil die schlicht nicht da sind.“, ergänzt Kathleen Hahnemann. Andere „Kleinmoster“ machen ähnliche Erfahrungen, erst vor kurzem kam man in Süddeutschland zum Bundestreffen zusammen, an dem auch Hahnemann teilnahm. Hier gebe es bereits bei vielen die Überlegung, bald auf Steinobst, also Pflaume, Pfirsich und Aprikose, umzusteigen, die weniger Wasser brauchen und Hitzeresistenter sind. Und das hieße auch, von Saft auf Mus umsteigen zu müssen.

Alexander Ibe und Kathleen Hahnemann haben vor etwas mehr als zehn Jahren angefangen, ihre Mosterei aufzubauen (Foto: agl) Alexander Ibe und Kathleen Hahnemann haben vor etwas mehr als zehn Jahren angefangen, ihre Mosterei aufzubauen (Foto: agl)


Man hat viel Aufwand und Arbeit in die Pflege der Bäume gesteckt, erzählen die beiden und mancherorts bekam man dabei auch Hilfe aus der Umgebung, etwa von Axel Judenhahn, der beim hegen, pflegen und beschneiden vieler Bäume geholfen hat. Man müsse nun sehen, wie es mit dem Apfel weiter geht. Wie gut die Bäume mit den klimatischen Veränderungen klar kommen, hänge auch vom Standort ab. In der Gumpe etwa, wo die Pflanzen viel Schatten haben, sieht es noch gut aus.

Wer nun mit Sorge auf die eigenen Obstbäume blickt, muss nicht gleich verzagen. Sollte die Ernte in diesem Jahr magerer ausfallen als in 2021 muss das nicht zwingend am Wetter liegen sondern begründet sich vielleicht auch schlicht mit dem Umstand, dass Apfelbäume „alternieren“. Auf gute Erntejahre folgen weniger ertragreiche, weil sich die Pflanzen schlicht „ausruhen“.

Lohnmost nach Termin
Geerntet wird, trotz aller Schwierigkeiten, auch in diesem Jahr und die ersten Buchungen für die Mosterei liegen schon vor. „Die Nachfrage ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, wir sehen vor allem jüngere Leute, die ihre Ernte zu uns bringen, mitunter auch von weiter her.“, erzählt Hahnemann. Die Terminvergabe war dabei bisher neben der Anmeldung im Netz auch telefonisch möglich. Diesen Doppelansatz habe man aufgeben müssen, berichtet Hahnemann weiter, die Zahl der Anrufe war mit den hauptberuflichen Verpflichtungen nicht mehr in Einklang zu bringen.

Dafür ist die Terminvergabe auf der Internetseite der Mosterei nun denkbar einfach. Im Kalender stehen ab dem 5. September bis in den November hinein pro Woche sechs „Presstage“ zur Verfügung. Wer seine Ernte versaften will, der wählt einen Termin, ein Zeitfenster und einen Mengenwert. Werden die Äpfel pünktlich vorbeigebracht, kann man beim mosten dabei sein und den Saft noch am selben Tag mit nach Hause nehmen. Zu beachten ist, dass bei Mengen über 200 Kilogramm zwei „Zeitslots“ gebucht werden müssen.

Für die kommende Erntesaison hat sich die kleine Mosterei Ibe aus Harzungen ein neues Logo auf umweltfreundlichen Graspapier gegönnt (Foto: agl) Für die kommende Erntesaison hat sich die kleine Mosterei Ibe aus Harzungen ein neues Logo auf umweltfreundlichen Graspapier gegönnt (Foto: agl)


Wem seine Bäume keine größeren Mengen bescheren, muss die nicht allesamt zu Mus und Kuchen verarbeiten. Über die „Sammelbox“ können auch kleinere Ernten noch zu Saft gemacht werden. Die Saftpakete werden dann nach dem mosten anteilig zur Menge des eigenen Beitrags ausgegeben.

Bleibt die Frage, wann man ernten sollte. Das hängt von den Sorten ab, erklärt Alexander Ibe, manche kommt früher, andere später. „Man sollte in jedem Fall warten, bis die Äpfel wirklich reif sind. Die einfachste Methode ist, einmal herzhaft abzubeißen zu sehen wie es schmeckt und sich zu fragen: möchte ich daraus Saft machen? Ist man sich nicht sicher, kann man auch einen Blick auf die Kerne werfen. Wenn die braun sind, ist der Apfel reif. Bei Birnen ist es etwa anders, die sollte man möglichst unreif ernten, denn wenn Birnen zu weich werden, bekommt man kaum noch Saft heraus.“

Übrigens taugt auch Fallobst für die Presse, solange die Früchte noch nicht angefault sind. Und da hat die Trockenheit ein Gutes: so lange es nicht zu feucht wird, bleiben gefallene Äpfel häufig längere Zeit verwertbar. Wohl bekomm’s.
Angelo Glashagel
Autor: red

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