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Archiv stellte digitalisierte Siegelsammlung vor

7.000 Stücke Thüringer Geschichte

Montag, 29. August 2022, 14:17 Uhr
Im Jahr 2017 machte man in Nordhausen einen für die Thüringer Geschichte bedeutsamen Glücksfund: in einem alten Schrank fanden sich mehrere tausend alte Siegel und Siegelabdrücke aus sechs Jahrhunderten. Die riesige Sammlung will man nun mit Hilfe der Öffentlichkeit aufarbeiten...

Ein gut erhaltenes Siegel aus der Sammlung des Nordhäuser Stadtarchis. Nicht alle der bis zu 600 Jahre alten Siegel sind noch derart gut in Schuss (Foto: agl) Ein gut erhaltenes Siegel aus der Sammlung des Nordhäuser Stadtarchis. Nicht alle der bis zu 600 Jahre alten Siegel sind noch derart gut in Schuss (Foto: agl)


Siegelstempel, Kerzen, Wachs - früher durften diese Instrumente in keiner Schreibstube fehlen. Wer Echtheit und Provinienz glaubwürdig bekunden wollte, der siegelte. Die Kulturtechnik hat sich an mancher Stelle bis heute erhalten, führte Michael Kramer, der erste ehrenamtliche Beigeordnete der Stadt Nordhausen aus, der am Samstagnachmittag in der Altendorfer Kirche Bürgermeister Buchmann vertrat. Vom Notar bis zum „Gütesiegel“ oder der Plakette am Auto - wenn es amtlich sein soll, werden auch heute noch Siegel genutzt.

Wie wichtig die Authentizität des Schriftverkehrs schon im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit war, zeigt die Nordhäuser Siegelsammlung eindrucksvoll. Um die 7.000 Siegel aus der alten Reichsstadt, ihrer Umgebung und der weiteren Region haben Sammler im 19. und frühen 20. Jahrhundert zusammengetragen. Das man diesen historischen Schatz jetzt heben kann, verdankt man dem Kollegen Zufall: anno 2017 war man im Kunsthaus dabei, Möbel zu rücken. Dabei sollte auch ein alter Schrank bewegt werden, denn offenbar lange Zeit niemand mehr geöffnet haben muss. Darin fanden sich, sicher aufbewahrt und konserviert, die zum Teil mehrere Jahrhunderte alten Überbleibsel historischer Korrespondenz.

„Diese Sammlung war ein Glücks- und auch ein Sensationsfund, ein echter Schatz, das kann man nicht anders sagen“, meint Prof. Dr. Hiram Kümper, der für die Universität Mannheim an der Aufarbeitung des Fundes arbeitet. Der Umfang der Sammlung ist dabei sowohl Fluch als auch Segen. Die Siegel geben in Form, Ausführung und Inhalt Hinweise auf ihre Besitzer und derer gab es viele - jede Stadt, jedes Kloster, jeder Graf, jeder noch so kleine Adelige, viele Geistliche und später auch manch wohlhabender Bürger hat ein Siegel geführt. Die Sammlung zeigt in ihrer Masse damit einen Querschnitt durch Thüringen und die angrenzenden Gebiete, der für die Forschung von großem Interesse ist.

Andererseits ist die Anzahl der Objekte schier überwältigend und könnte von einem kleinen Stadtarchiv wie dem der Stadt Nordhausen alleine nicht aufgearbeitet werden. Zusammen mit den Partnern in den Universitäten wird man deswegen einen anderen Weg nehmen und plant, Masse mit Masse zu begegnen.

Citizen Science
Das Stichwort ist Schwarmintelligenz oder vielleicht der passendere englische Begriff „Crowdsourcing“. Statt ein paar hochdotierte Fachleute im stillen Kämmerlein auf Jahre hinaus vor sich hin werkeln zu lassen, wird man die bereits vollständig digitalisierte Sammlung in einer Datenbank im Netz der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.

Dr. Miriam Weiss von der Universität Saarbrücken erläuterte den Crowdsourcing Ansatz des Projektes (Foto: agl) Dr. Miriam Weiss von der Universität Saarbrücken erläuterte den Crowdsourcing Ansatz des Projektes (Foto: agl) Angesprochen werden sollen dabei vor allem Lokalhistoriker und interessierte Laien, prinzipiell kann aber jeder bei der Aufarbeitung der Sammlung behilflich sein, auch ohne besondere Vorkenntnisse. Wie man ein Siegel fachlich beschreibt und die Eingabemaske richtig nutzt sowie andere hilfreiche Tipps, Kniffe oder auch Literaturhinweise wird in kurzen Videos erläutert.

„Wir versuchen die möglichen Barrieren so niedrig wie möglich zu halten. Man muss wirklich keine Scheu haben, die diversen Hilfsmittel auf der Seite bieten fast schon ein Rund-um-sorglos-Paket um auch ohne Vorkenntnisse an der Sammlung arbeiten zu können.“, erläuterte Dr. Miriam Weiß von der Universität Saarbrücken, die zusammen mit den Kollegen aus Mannheim und Leipzig das Forschungsprojekt begleitet.

Wer selber einen Blick auf die Sammlung werfen will und sich vielleicht einmal als „Sphragistiker“, also als „Siegelkundler“, versuchen will, findet weitere Informationen auf der Website des Nordhäuser Archivs.
Angelo Glashagel
Autor: red

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