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Regionale Geschichte bei der Polizei

Für historische Zusammenhänge sensibilisieren

Mittwoch, 25. Mai 2022, 10:00 Uhr
Selten wird der geschichtsträchtige Raum des Hue de Grais Saals auf der Nordhäuser Darre für öffentliche Ausstellungen genutzt, denn er befindet sich mitten im Gelände der Nordthüringer Polizeiinspektion. Doch gestern waren neben anderen Gästen gleich drei Bürgermeister gekommen, um feierlich eine Sonder-Exposition zu eröffnen …

Ausstellungseröffnung gestern Nachmittag im Hue de Grais Saal (Foto: Eva Maria Wiegand) Ausstellungseröffnung gestern Nachmittag im Hue de Grais Saal (Foto: Eva Maria Wiegand)


„Jüdisches Leben in Nordhausen im 19. Jahrhundert, im Kontext zu polizeilichen Maßnahmen“ ist der Titel der Schau, die von der Nordhäuser Historikerin Marie Luise Zahradnick konzipiert und in einem eigenen Projekt an der Hochschule Nordhausen erstellt wurde. Ihr ursprünglicher Ansatz, das Leben jüdischer Mitbürger in ihrer Gemeinde anhand der drei noch erhaltenen Friedhöfe in Nordhausen, Bleicherode und Ellrich unter die Lupe zu nehmen, findet jetzt eine Interessante Ergänzung.

Die Landespolizeiinspektion Nordhausen entschloss sich, diese Sonderausstellung im Zusammenwirken mit der Hochschule Nordhausen und dem Verein „Gegen das Vergessen“ bis zum 8. Juli in besagtem Hue de Grais Saal unterzubringen. Zur Eröffnung waren die Bürgermeister der beteiligten Städte gekommen. Alexandra Rieger für die Kreisstadt, Frank Rostek aus Bleicherode und Henry Pasenow aus Ellrich nahmen im Ausstellungsraum Platz, um den Eröffnungsreden zu lauschen.

Das Kalkül der Behörde ist es nun, die junge Generation allgemein und die jüngeren Polizisten insbesondere vermehrt mit der Geschichte und den historischen polizeilichen Bezügen vertraut zu machen und so ihr Verständnis für Maßnahmen wie etwa den Schutz jüdischer Einrichtungen zu stärken. Es habe schon viele Ansätze gegeben, das Verhalten der Polizei im Dritten Reich zu untersuchen, sagte Behördenleiter Matthias Bollenbach, aber es sei eben auch interessant, wie die Polizei in früheren Zeiten agierte und sich unter anderem auch als Baubehörde mit der jüdischen Gemeinde ins Benehmen gesetzt habe. Eine Beschäftigung mit der Vergangenheit als Fortbildunsgmaßnahme für seine Kollegen stärke auch das Verständnis dafür, warum noch heute jüdische Einrichtungen bewacht werden müssen. Bollenbach verwies auf das pluralistische Gesellschaftssystem im 19. Jahrhundert, in dem die jüdischen Gemeinden gut integriert waren. Die Polizei könne eine tragende Rolle bei der Erhaltung solcher demokratischen Gepflogenheiten spielen. „Die Polizei ist kein abgeschotteter Bereich, unsere Zielstellung ist es, gute Kontakte zu alle Bürgern zu haben“, betonte der Leiter der Landespolizteiinspektion.

Projektleiterin Marie-Luise Zahradnick, die auch dem Nordhäuser Geschichts- und Altertumsverein vorsteht (Foto: Eva Maria Wiegand) Projektleiterin Marie-Luise Zahradnick, die auch dem Nordhäuser Geschichts- und Altertumsverein vorsteht (Foto: Eva Maria Wiegand)


Die Kuratorin Marie Luise Zahradnick zeigte sich dankbar für die Möglichkeit, ihr Projekt hier zeigen und über das Miteinander in einer Gesellschaft ins Gespräch kommen zu können. Die Schautafeln werden nach dem 8. Juli auch in Bleicherode und Ellrich zu sehen sein, wo es alte jüdische Friedhöfe gibt, die städtischem Schutz und Pflege unterstehen. Dem Nordhäuser Polizeihauptkommissar Jens Bönisch obliegt es nun, angemeldete Besuchergruppen durch die Ausstellung zu führen und zu den Schautafeln die Bezüge zur polizeilichen Arbeit damals und heute herzustellen. Er möchte, dass alle seine Kollegen diese Chance nutzen ihr Wissen aufzufrischen und will auch für Polizeibeamte Sachsen-Anhalts und Ordnungsamtsmitarbeiter aus den drei Städten mit jüdischen Friedhöfen referieren. Unterstützt wird er dabei von Joachim Heise aus der regionalen Arbeitsgruppe des Vereins „Gegen Vergessen Für Demokratie“, der gestern ebenfalls vor Ort war.

Die Ausstellung „Jüdisches Leben in Nordhausen im 19. Jahrhundert, im Kontext zu polizeilichen Maßnahmen“ soll für jedermann zugänglich sein, wird allerdings Besuchern, die sich gruppenweise anmelden vorbehalten sein. Unter der Telefonnummer 03631 - 96 15 13 können sich Interessenten bei Hauptkommissar Bönisch anmelden, der dann den Termin bestätigt und die Schautafeln erklärt sowie weiterführende Auskünfte zur Polizeiarbeit in der Kaiserzeit geben wird.

Im nächsten Schritt wird das Projekt derzeit in der Gedenkstätte Lager Dora weitergeführt, wo die Polizeiarbeit während der NS-Zeit thematisiert ist. Hier wünscht sich Bönisch, jeden Polizisten und Polizeianwärter der weiteren Region zu einem Besuch veranlassen zu können, damit das Gedenken auch im Kontext polizeilicher Arbeit für die nächsten Generationen erhalten bleibt.
Olaf Schulze
Autor: osch

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