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Nordthüringer Jobmarathon

Drei Landkreise, dreißig Jobs, 180 Tage

Mittwoch, 19. Januar 2022, 13:50 Uhr
Personalnot aller Orten - von der Verwaltung, über die große Industrie bis zum kleinen Handwerksbetrieb oder der Gaststätte - Nachwuchs- und Fachkräftemangel stehen bei vielen ganz oben auf der Sorgenliste. In Nordthüringen sucht man nach kreativen Wegen sich dem Problem zu stellen. Zum Beispiel mit einer „Jobbloggerin“…

Kurzer Crash-Kurs hinter der Theke - Jobbloggerin Franzi zapft im Charlie's ihr erstes Bier (Foto: agl) Kurzer Crash-Kurs hinter der Theke - Jobbloggerin Franzi zapft im Charlie's ihr erstes Bier (Foto: agl)


Franziska „Franzi“ Strupf ist „Bloggerin“, ein „social media content creator“, eine „Influencerin“. Der moderne Netzjargon kennt bestimmt noch andere Begriffe für das, was die 24jährige tut. Ist das ein „echter“ Job? Im Moment schon, sogar in mehr als einem Sinne. Die gelernte Bauzeichnerin tourt zur Zeit als „Jobbloggerin“ durch Nordthüringen und bringt hier ihren 19.500 „Followern“ auf Instagramm diverse „echte“ Jobs näher, in Summe 30 an der Zahl, indem sie selber einfach mal reinschnuppert, sei es auf dem Bauhof, in der Schokoladenmanufaktur, unter Tage oder, wie jüngst, hinter dem Tresen einer Bar.

Die Idee zu dem „Jobmarathon“ wurde vom Regionalmanagement Nordthüringen angestoßen, in dem sich die Kreise Kyffhäsuer, Unstrut-Hainich und Nordhausen zusammengeschlossen haben um etwas ausgefallenere Projekte umsetzen zu können. Im letzten Jahr konnte man so zum Beispiel in den drei Kreisen mit der „co-working“ Idee experimentieren. Den Arbeitsmarkt und die Fachkräftegewinnung hatte man auch da fest im Blick und um nichts anderes geht es auch bei dem „Jobmarathon Nordthüringen“. Die Jobbloggerin berichtet 180 Tage lang aus 30 verschiedenen Unternehmen und Berufsfeldern und das direkt, nahbar, persönlich und zielgruppengerecht.

In Nordhausen hat „Franzi“ gestern im „Charlie’s“ angefangen, dem gerade frisch eröffneten Restaurant des Fürstenhofes. Für die junge Frau heißt das: in der Küche schwitzen, kühles Blondes zapfen und im Akkord Zimmer auf Vordermann bringen, eine Tour de force durch den Hotel-Alltag. Drei Tage wird gearbeitet, am vierten Tag getippt, geschnitten und hochgeladen. Ihre Erfahrungen bringt die Bloggerin über ihre Kanäle in knappen Videos an ihre „Community“, außerdem gibt es detaillierte und reich bebilderte Blogeinträge auf einer eigenen Website und bei Facebook.

Nachdem Unstrut-Hainich-Kreis und dem Kyffhäuserkreis wurde der Staffelstab gestern an den Nordhäuser Kreis übergeben. v.l.: Landrat Matthias Jendricke, Jobbloggerin Franziska Strupf und Unternehmer Axel Heck (Foto: agl) Nachdem Unstrut-Hainich-Kreis und dem Kyffhäuserkreis wurde der Staffelstab gestern an den Nordhäuser Kreis übergeben. v.l.: Landrat Matthias Jendricke, Jobbloggerin Franziska Strupf und Unternehmer Axel Heck (Foto: agl)


Hotelchef Axel Heck freut die Idee. Das Haus um ein Restaurant mitten in der Corona-Pandemie zu erweitern sei ein Wagnis gewesen, aber keines das man hätte umgehen können. Ohne Restaurant kein ordentliches Hotel. Nun heißt die größte Sorge des Hauses abseits der Pandemie: woher noch passendes Personal nehmen? Auch das Hotelgewerbe will gelernt sein, Heck braucht Leute vom Fach. Neun Auszubildende zählt man aktuell, fünf davon hat man mit Hilfe des Europaservice nach langen Gesprächen vor Ort aus Marokko geholt. In der Region sind die Nachwuchsfelder spärlich bestellt.

„Wir konkurrieren alle um die jungen Köpfe“, kann auch Landrat Matthias Jendricke berichten, dem es in seiner Verwaltung nicht anders geht als Axel Heck in seinem Hotel. Ob bei der Polizei, in der Pflege, auf dem Bau oder hinter dem Steuer eines Lkw - nahezu jede Branche sucht frisches Blut für die Zukunft. Gerade deswegen müsse man alle Register ziehen, um junge Leute und die Firmen der Region zueinander zu bringen. Warum also nicht auch eine social media Kampagne samt Bloggerin fahren?

Für „Franzi“ geht es nach dem Fürstenhof bei Feuer Powertrain weiter, dann bei Schachtbau, der Hochschule, der Spedition Kielholz & Rybicki, im Elektrohandwerk bei der Liebram GmbH, bei Brauer Reisen und noch einigen mehr. „Ich habe im Unstrut-Hainich-Kreis und im Kyffhäuser schon viele Jobs kennenlernen dürfen, von einigen wusste ich noch nicht einmal das es sie überhaupt in Thüringen gibt. Manches hat mir mehr gelegen als anderes, das ist ja klar, aber spannend war alles.“, sagt die 24jährige. Ob sie am Ende ihres „Marathons“ an das Reißbrett zurückkehrt weiß sie noch nicht. Eine denkbare Möglichkeit wäre auch, über die social media Erfahrung in Richtung Mediengestaltung und Marketing zu gehen. Chancen habe sie in den letzten Wochen viele gesehen, sagt die Bloggerin und mit ihre viele junge Leute, die sich noch orientieren wollen und müssen. Wenn die Berichte der "Influencerin" bei der Entscheidung helfen, dann hat die ihren Job gut gemacht.
Angelo Glashagel
Autor: red

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