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Filme für Filmfreunde

Deutschlands fleißigste Filmemacher drehen in Nordhausen

Dienstag, 18. Januar 2022, 13:22 Uhr
216 Filme hat Erik Grun bisher gedreht, viele davon in Spielfilmlänge und dürfte damit zu Deutschlands fleißigsten Filmemachern gehören. Dabei ist der gebürtige Nordhäuser immer Amateur geblieben und das mit Stolz. Seit kurzem ist Grun wieder in Nordhausen und hat den nächsten Dreh schon fast wieder im Kasten…

Hauptsache Spaß dabei: (Laien-)Schauspieler Jan Graichen und (Amateur-)Filmemacher Erik Grun drehen gemeinsam mit Freunden in Nordhausen Spielfilme (Foto: agl) Hauptsache Spaß dabei: (Laien-)Schauspieler Jan Graichen und (Amateur-)Filmemacher Erik Grun drehen gemeinsam mit Freunden in Nordhausen Spielfilme (Foto: agl)


Was braucht man um Filme zu drehen? Kameras, sicher. Und wenn möglich Schauspieler. Vielleicht einen oder zwei Regisseure. Außerdem freilich Producer, Make-Up-Artist, Vfx-Designer und Artists, Drehbuchautoren, Kostümbildner, Catering, jemand der die Post-Production leitet und ein Heer von Cuttern anleitet, der „BestBoy“ darf nicht vergessen werden.

All das braucht man und mehr, viel mehr. Ein Blick auf den Abspann einer durchschnittlichen TV-Produktion reicht, um diese Wahrheit zu bestätigen. Oder auch nicht. Seit Erik Grun Filme macht, kommt er mit einer Kamera, einer guten Idee und ein paar Freunden und Bekannten aus. Insgesamt 216 Filme hat er bisher gedreht, angefangen in Nordhausen, noch in den 80ern, mit einer Super 8 Kamera. „Ralle und die Tiere“ hieß das Erstlingswerk. Heute brauche man theoretisch nicht mal eine Kamera, ein Handy tue es auch, sagt Grun. Den gelernten Krankenpfleger verschlug in den Wogen der Nachwendezeit nach Bayern, Regensburg um genau zu sein. Seine Liebe zum Film und seinen hemdsärmelig pragmatischen Ansatz nahm er mit und drehte und drehte und drehte, einen Streifen nach dem anderen.

Seit einem guten Jahr nun findet sich Grun in der alten Heimat wieder, selbst frühverentet und die alternde Mutter pflegend. Für seine Leidenschaft bleibt trotzdem Zeit, denn soviel braucht er gar nicht. Mit den richtigen Leuten könne man an drei Tagen soviel schaffen wie andere in drei bis vier Wochen, erzählt der Filmemacher. „Quantität statt Qualität“ ist sein Credo und das muss nichts schlechtes sein. „Im Kern geht es uns um den Spaß, nicht darum Geld zu verdienen. Wenn am Ende die Produktionskosten wieder reinkommen dann ist das schon schön. Im kommerziellen Film sehen Sie keinen Stich, wenn Sie nicht auf der Filmhochschule waren, die trauen einem Amateur nichts zu. Aber für uns ist das relativ egal, wir wollen gar nicht ins Fernsehen“, sagt Grun. Er drehe denn auch lieber mit Amateuren, als mit Profis, die hätten mehr Spaß und seien häufig offener und spontaner als die gelernten Mimen.

Jan Graichen und Hannes Nacke in "Jonas und sein Weichei-Dad" (Foto: Erik Grun) Jan Graichen und Hannes Nacke in "Jonas und sein Weichei-Dad" (Foto: Erik Grun)


Zu denen gehört auch Jan Graichen, der in Gruns jüngstem Werk zum ersten Mal vor der Kamera steht und einen angstbehafteten Vater gibt, der seine schlimmsten Befürchtungen in einer Verkettung unglücklicher und reichlich dunkelhumoriger Umstände bestätigt findet und schließlich zur Tat schreiten muss. Die schwarze Komödie wird aktuell noch gedreht, vor allem in Branderode und Nordhausen, aber auch in Sangerhausen, Erfurt und Stolberg. Die schwarzen Komödie „Jonas und sein Weichei Dad“ ist auch ein Teil coming-of-age Geschichte für Graichens Filius im Film, der vom Branderorder Nachwuchstalent Hannes Nacke gespielt wird. Die Liebe zum Amateurfilm bedeutet nicht, dass man nicht auch eine ordentliche Geschichte erzählen und eine soziale Botschaft verpacken könne, erzählen Regisseur und Schauspieler. Auf ein Genre legt man sich dabei selten fest, von Horror über „Romcom“ bis zur Komödie hat Grun schon so ziemlich alles gedreht.

Filmfreunde Nordhausen
„Jonas und sein Weichei Dad“ sollen aber nur der erste Streich sein. Bis zur Jahresmitte hat der fleißige Filmemacher noch drei weitere Projekte im Kopf, darunter einen waschechten Werwolf-Film, den „Ostwolf“, für den man etwas mehr Aufwand als üblich wird betreiben müssen. Da Grun keine Chance auf die professionelle Filmförderung sieht, hat man jüngst mit einer Crowdfunding Kampagne im Internet experimentiert. „Anfangs hat sich das ein bisschen wie betteln angefühlt aber wenn viele Leute ein kleines bisschen geben, dann kann da schon was bei rumkommen.“ Die Aktion über die Website „Start Next“ sei gut angelaufen aber die Laienschauspieler und Freizeit-Cineasten um den Regisseur wollen gerne noch weiter gehen und den Verein „Film Freunde Nordhausen“ gründen. „Alle Menschen die aktiv oder passiv an Film interessiert sind, können hier eine Vereinigung finden, die sich für Filme interessiert.“, erklärt Grun. Ziel sei es, gemeinsam Filme zu drehen, gemeinsam zu schauen und zu allererst: Spaß dabei zu haben.

Die selbstgeschrieben Drehbücher sind selten länger als 30 Seiten, so wie das in den 90er Jahren im deutschen Kino noch üblich war, erzählt der Filmemacher. Seine Hauptrollen müssen in etwa zwei Wochenende an Zeit einplanen, kleinere Nebenrollen vielleicht einen Drehtag oder auch nur eine halbe Stunde. Für die aktuelle Produktion werden noch zwei solcher kleinen Besetzungen gesucht, bei Interesse kann man sich unter grun.erik@web.de beim Regisseur selber melden.
Angelo Glashagel
Autor: red

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