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Agentur für Arbeit zeigt sich optimistisch

Es wird eine Zeit nach Corona geben

Dienstag, 04. Januar 2022, 13:10 Uhr
Der Nordthüringer Arbeitsmarkt stemmt sich gegen die Krise - alle wichtigen Marker zeigen deutliche Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr und bewegen sich in Richtung Vorkrisenniveau. Die Pandemie bleibt eine Herausforderung, aber Agentur-Chef Karsten Froböse blickt optimistisch auf die Zeit danach…

Grafik (Foto: Arbeitsagentur Nordhausen) Grafik (Foto: Arbeitsagentur Nordhausen)

Mit insgesamt 7.248 Arbeitslosen ist in den drei nördlichsten Landkreisen Thüringens das Jahr 2021 zu Ende gegangen. Wie üblich zog Karsten Froböse, Chef der Nordhäuser Arbeitsagentur zu Beginn des neuen Jahres Bilanz und die fiel überraschend positiv aus. „Das war die bislang niedrigste Arbeitslosigkeit in einem Dezember. Wir hatten 1.300 Arbeitslose weniger als im Jahr zuvor.“, erklärte Froböse heute. Zur Tradition gehört auch, in die „Glaskugel“ zu blicken und eine Prognose für die kommenden Monate abzugeben. Die war im Januar 2021 düster ausgefallen - wenn man am Jahresende rund 9.000 Arbeitslose zu zählen hätte, sagte Froböse damals, dann wäre es „gut gelaufen“.

Ein erfreulicher Irrtum, die Zahlen sind nun deutlich niedriger ausgefallen als erwartet. Verglichen mit dem Vormonat sei zwar ein Plus von 330 Personen zu verzeichnen, dies sei aber durchaus saisontypisch und stelle keine Besonderheit dar, so Froböse. Das Jahresende bringe regelmäßig mehr Arbeitslose mit sich. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 5,5 Prozent. Im Jahr zuvor betrug sie 6,4 Prozent.

Der Blick zurück
Der Arbeitsmarkt in Nordthüringen ist bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. Bei der Sicherung der Arbeitsplätze hätten die Maßnahmen zur Kurzarbeit eine wichtige Rolle gespielt, wenn auch in deutlich geringerem Umfang als im Jahr zuvor. “Betriebe haben zu einem Großteil ihre Geschäftstätigkeit wieder hochgefahren.“, sagt Froböse. Um über 1.000 sei die Zahl gemeldeter Stellen zum Vorjahr gestiegen.

Im Verlaufe des Jahres wurden rund 1.200 Anzeigen auf Kurzarbeit von den Unternehmen eingereicht, deutlich weniger als im Jahr 2020. Damals waren über 3.600 Anmeldungen auf Kurzarbeit eingegangen. Zu Beginn des Jahres 2021 konnten in der Spitze über 8.000 Arbeitsplätze durch Kurzarbeit gesichert werden. Im Jahr zuvor lag der Höhepunkt bei über 15.000. Von Kurzarbeit betroffen waren in diesem Jahr vor allem Dienstleistungsbereiche, Handel, Gastronomie und Tourismus. Vom Sommer konnte sich die Lage bis in den Herbst hinein entspannen. Im Dezember nahm die Zahl der Anzeigen infolge der Einschränkungen im Zusammenhang mit der vierten Corona Welle wieder zu. Auch verlängerte die Bundesregierung die erleichterte Bezugsdauer.

Rund 35 Millionen Euro Kurzarbeitergeld wurden 2021 durch die Nordhäuser Arbeitsagentur an Unternehmen in Nordthüringen ausgezahlt, darunter knapp 15 Millionen Euro Sozialversicherungsbeiträge. Das sei immer noch billiger als tatsächliche Arbeitslosigkeit, man habe mit der Kurzarbeit ein sehr gutes Instrument an der Hand gehabt. Derzeit laufen die Betriebsprüfungen in den Unternehmen, um die Rechtmäßigkeit der bislang vorläufigen Zahlungen festzustellen. Die Prüfungen bieten Sicherheit für Unternehmen und Beitragszahler.

Doch nicht in allen Wirtschaftsbereichen zeichne sich ein positives Bild. Man habe auch Massenentlassungen, vorrangig aus dem Bereich der Automobilzulieferer, bewältigen müssen. Rund 450 Beschäftigte hätten in dem Zusammenhang 2021 ihre Arbeit verloren. Darunter waren auch Betriebe wie „Eaton“ in Nordhausen. Allein hier wurden 240 Arbeitnehmer auf die Straße gesetzt. Die meisten ständen inzwischen wieder in Lohn und Brot, hieß es bei der heutigen Pressekonferenz.

Arbeitslosigkeit nähert sich Vorkrisenniveau
8.088 Männer und Frauen waren im Jahresdurchschnitt 2021 arbeitslos, 8,3 Prozent weniger als 2020. Knapp 5.000 Menschen wurden von den Jobcentern betreut, über 3.000 Personen waren als Kundinnen und Kunden bei der Arbeitsagentur. Die Arbeitslosenquote sank auf 6,1 Prozent und nähert sich dem Vorkrisenjahr 2019. Damals lag die Arbeitslosenquote bei 6,0 Prozent und etwas über 8.000 Menschen waren auf Jobsuche. Im Jahr 2020 betrug die Arbeitslosenquote pandemiebedingt 6,6 Prozent.

Interessant hier sind die Zahlen zur „Unterbeschäftigung“. Die umfassen nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch jene, die sich in Fort- und Weiterbildungen, geförderten Arbeitsverhältnissen oder arbeitspolitischen Maßnahmen wie der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ befinden und nicht zur reinen Arbeitslosenstatistik zählen. Im Dezember lag die Zahl der „Unterbeschäftigten“ bei 11.539, wobei 74,1 Prozent auf die tatsächlich Arbeitslosen entfielen. Im Dezember 2021 ist auch dieser Personenkreis um rund 1.500 Personen geschrumpft und lag bei 10.031, wobei die reine Arbeitslosenstatistik 72,3 Prozent ausmachte.

Zahl der arbeitslosen Jugendlichen sinkt wieder
Die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen konnte 2021 um rund 18 Prozent reduziert werden. „Fachkräfte sind gefragt und das bietet weiterhin Chancen für junge Menschen“, bestätigt Froböse. „Daran ändert die Pandemie nichts.“ Es gäbe zunehmend Ältere in den Betrieben und mit deren Ausscheiden suche man entsprechenden Ersatz. 614 unter 25jährige waren im Jahresdurchschnitt des vergangenen Jahres gemeldet, knapp 140 weniger als 2020. Die Arbeitslosenquote liegt hier bei 5,9 Prozent. Vor einem Jahr betrug sie noch 7,5 Prozent.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stabilisiert sich
83.816 Menschen waren zur Jahresmitte 2021 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach dem die Beschäftigung über mehrere Jahre rückläufig war, blieb die Zahl jetzt erstmals zum Vorjahr praktisch konstant. Das Land Thüringen verzeichnete zur Jahresmitte sogar einen Beschäftigungszuwachs um 0,5 Prozent. Im Vergleich zum ersten Quartal 2021 stieg die Beschäftigung in allen drei Landkreisen um 0,4 Prozent (+374) leicht an. Fast jeder dritte Beschäftigte arbeitet aktuell in Teilzeit.



Der Blick in die Landkreise


3.107 Arbeitslose waren im Landkreis Nordhausen registriert, 5,6 Prozent (-186) weniger als im Jahresverlauf 2020. Die Zahl der Arbeitslosmeldungen ging im Landkreis um über 10 Prozent zurück. Die Arbeitslosenquote lag 2021 bei 7,4 Prozent.

Der Kyffhäuserkreis hatte den höchsten Rückgang bei der Arbeitslosigkeit 2021. Weniger Arbeitslosmeldungen und ein leichter Zuwachs an Vermittlungen ließ die Zahlen sinken. Durchschnittlich 2.768 Menschen waren im vergangenen Jahr ohne Arbeit, 10,1 Prozent (- 310) weniger als 2020. Die Arbeitslosenquote lag bei 7,5 Prozent. Im Vorjahr betrug sie 8,2 Prozent.

2.213 Arbeitslose waren durchschnittlich im Landkreis Eichsfeld gemeldet. Das waren 9,6 Prozent (-236) weniger als im Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote lag bei 4,1 Prozent, im Vorjahresvergleich um 0,4 Prozentpunkte niedriger.

Fachkräftenachfrage hoch
Fast 2.000 freie Stellen waren Ende Dezember noch frei. Nur knapp 300 Stellen sind an Ungelernte und Helfer gerichtet. Der überwiegende Teil erfordert den Einsatz von Fachkräften.

Die Hälfte der freien Stellen kommt aus dem verarbeitenden Gewerbe, aus Industrie und Handwerk. Über 200 Stellen sind aus Gesundheits- und Sozialbereichen gemeldet. „Die Krise zeigt, wie wichtig die Besetzung dieser Stellen ist. Applaus alleine reicht nicht. Wir brauchen diese Fachkräfte. Ich denke dabei vor allem an die älteren Menschen. Sie haben einen Anspruch auf gute Pflege.“

Was kommt 2022?


„Die Demografie spricht dafür, dass die Arbeitslosigkeit 2022 weiter sinken wird“, ist sich Froböse sicher. „Allerdings bremst die Pandemie den Aufschwung. Niemand kennt genau den Verlauf der nächsten Monate und das bringt Unsicherheit. Alarmierend ist und bleibt das Verhältnis von Jung zu Alt. Zwar habe man bei den Schulabgängen zuletzt ein leichtes Plus zu verzeichnen gehabt, von den Zahlen der frühen 2000er Jahre sei man aber weit entfernt. Vor 20 Jahren zählte man noch rund 35.900 Schulabgänger die auf den Arbeitsmarkt strömten, heute kommt man im Jahr eher auf 18.000 Schulabgänger. Für die Betriebe heißt das ganz konkret: Auf 10 Ältere über 55 Jahren kommen nur drei Jüngere unter 25 Jahren. Für die kommenden zehn Jahre rechnet man mit leichten Anstiegen, für einen Ausgleich der Altersproblematik würden diese aber nicht reichen.

Eine ausgleichende Wirkung durch strukturelle Veränderung wie die zunehmende Digitalisierung sei ebensowenig zu erwarten, meint Froböse. „Neue Technik bedeutet nicht weniger sondern andere Arbeit. Trotz der technischen Revolutionen ist die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt gestiegen. Wir haben heute viele Berufe, die es vor 20 Jahren noch gar nicht gab. Die Frage wird sein, wie wir uns auf den Wandel einstellen, an was wir festhalten und wie wir mit dem Neuen umgehen“.

Veränderungen in Bereichen wie der Automobilindustrie und anderen Wirtschaftszweigen verlangten „aktives Handeln“. „Die Pandemie hat wie ein Turbo gewirkt und manche Entwicklung beschleunigt. Wir brauchen deshalb gezielte Weiterbildung. Weiterbildung sichert Zukunft.“, sagt der Agenturleiter.

Konsequentes Handeln verlange auch die Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Auf 100 Ausbildungsstellen kamen im vergangenen Jahr nur 67 Bewerber. „Deshalb werden wir auch 2022 gemeinsam mit unseren Arbeitsmarktpartnern alle Möglichkeiten nutzen, um für Ausbildung in unserer Region zu werben. Ausbildung ist Zukunft“, unterstreicht Froböse.

Insgesamt fällt sein „Blick in die Glaskugel“ für das Jahr 2022 positiv aus. Man blicke optimistisch auf das kommende Jahr, so Froböse, „es wird eine Zeit nach Corona geben“.
Angelo Glashagel

Die ausführliche Statistik findet sich hier
Autor: red

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