nnz-online
Gesetzgeber sagt unmissverständlich: Jain!

Böllerverbot oder doch nicht

Dienstag, 28. Dezember 2021, 14:43 Uhr
Viele nnz-Leser treibt derzeit die Frage um, ob sie denn nun an Silvester böllern dürfen oder nicht. Der Verkauf von Knallkörpern und Raketen ist in Deutschland strikt verboten. Das wenigstens ist geregelt. Alle Antworten zu weiterführenden Fragen haben aber etwas vom berühmten „Radio Erewan“ …


Der Gesetzgeber legt in der Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschuztzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-Cov-2 im Paragraph 20a zum Stichpunkt "Pyrotechnik, Jahreswechsel“ folgendes fest:

(1) Jeder Person wird empfohlen, in der Zeit vom 31. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 1. Januar 2022 auf das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen zu verzichten.
(2) In der Zeit vom 31. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 1. Januar 2022 ist das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände der Kategorie F 2 im Sinne des § 22 Abs.1 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz in der Fassung vom 31. Januar 1991 (BGBl. I S. 169) in der jeweils geltenden Fassung im öffentlichen Raum in festgelegten Bereichen unzulässig; § 18 Abs. 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Salopp übersetzt heißt das wohl: wo es nicht von den Behörden ausdrücklich verboten wurde, ist es erlaubt Feuerwerkskörper zu zünden.

Aus der zuständigen Behörde, dem Landratsamt, erfuhren wir, dass die Regeln für dieses Jahr adäquat denen vom letzten Jahr sind. „Im öffentlichen Raum in festgelegten Bereichen unzulässig“ steht in der Verordnung. Das Nordhäuser Landratsamt hat jedoch wie bereits vor Jahresfrist keine solchen Plätze - sprich Verbotszonen - im Kreisgebiet und auch nicht in der Kreisstadt definiert, weshalb es dem einzelnen Bürger im privaten (nicht öffentlichen) Bereich nicht verboten ist, zu böllern bis der Arzt kommt. Immer vorausgesetzt, man hat etwas, was man abbrennen kann.

Erst heute, und damit vielleicht ein ganz klein wenig zu spät, forderte die Thüringer CDU das Böllerverkaufsverbot aufzuheben. „Die Menschen“, so steht es in der Pressemitteilung der Landtagsfraktion, „bräuchten klare Regeln statt aktionistischer Hau-Ruck-Entscheidungen kurz vor dem Jahreswechsel.“ Als ein zentrales Problem machen die Christdemokraten die Umsetzbarkeit eines Böllerverbotes aus: „Die Polizei wird nicht in der Lage sein, das Verbot zu kontrollieren“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende, Mario Voigt. Auch er kann damit eigentlich nur das Verbot auf den festgelegten Plätzen im öffentlichen Raum meinen.

Dem einen oder der anderen wird sich die zusätzliche Frage stellen, wo die Raketen auch herkommen sollen, wenn es doch ein Verkaufsverbot gibt? Hier weiß wiederum die CDU des Freistaates Auskunft zu geben, wenn sie in oben erwähnter heutiger Pressemeldung betont „Am Ende wird das Problem nur nach Tschechien verschoben, wo dann illegale Böller eingekauft werden. Diese sorgen am Ende für ein viel höheres Verletzungsrisiko.“ Warum Herr Vogt die illegale Beschaffung in Polen nicht im gleichen Atemzug erwähnt, bleibt ungeklärt. Immerhin kommt von dort der gefürchtete Polen-Böller.

Inzwischen frage ich mich, ob denn wie von Mario Vogt behauptet, die Beschaffung im Ausland überhaupt illegal ist. Verboten ist doch nur der Erwerb von Feuerwerkskörpern in Deutschland. Was ein Tourist in Polen oder Tschechien kauft und dann zu Hause anzündet, steht doch in einer ganz anderen Verfügung, oder?

Sehr kreativ legt den Maßnahmen- und Verordnungsdschungel die kleine Gemeinde Neustadt im Verbund von Harztor aus. Dort findet am Neujahrstag um 19 Uhr auf dem Weinberg ein großes Feuerwerk - nein, Entschuldigung: eine "Nacht in Farbenpracht" - statt. Vermutlich gehen die Neustädter davon aus, dass dann der 1. Januar schon gelaufen ist, an dem nicht geknallt werden darf. Aber noch wahrscheinlicher haben sie ein Gesetz gefunden, dass "Nächte in Farbenpracht" nicht verbietet. Was ja auch irgendwie beruhigend ist!
Olaf Schulze
Autor: osch

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de