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Nur eine kann es werden - oder?

Dienstag, 30. November 2021, 09:00 Uhr
Wahlen von Personen haben immer einen ganz besonderer Reiz. Vor allem, wenn sie in den Niederungen der Politik stattfinden. Zum Beispiel in den Kommunen. Heute ist es wieder soweit. 37 Menschen sollen eine Bürgermeisterin für Nordhausen wählen...


Also, die Frauenquote im Kandidatenfeld haben wir in der Rolandstadt schon mal mit 100 Prozent souverän gemeistert. Drei Frauen stehen zur Wahl. Eine Frau aus Nordhausen, eine Frau aus der Nähe von Wolfsburg und eine Frau, die sechs Jahre im Nordhäuser Rathaus tätig war, aber nie wirklich ein gewisses Maß an Empathie für diese Stadt, geschweige denn für die Menschen entwickelte.

Jutta Krauth war nicht gut für die Entwicklung der Rolandstadt. Sie regierte nicht, sie verwaltete. Und das nicht mal für die Menschen, sondern ausschließlich für die Verwaltung selbst. Diese Feststellung ist die Summe dessen, was sich bis heute als Wahlvorfeld aufgetan hatte. Sie hatte seit einigen Jahren kaum noch einen Draht zu ihrer SPD-Fraktion, sie hatte keinen Draht zu anderen Fraktionen und sie hatte keinen Draht zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus. Ausgenommen einige, die ihr - aufgrund der ihr gegebenen Macht - hörig waren.

Ich kenne die Vorgänger von Frau Krauth eigentlich sehr gut - Klaus Wahlbuhl und Matthias Jendricke. Jeder hatte und hat seine Ecken und Kanten - aber sie einte und eint nicht nur, dass sie Nordhäuser sind, sie einte und eint, dass sie für die Nordhäuser regieren wollten und es auch taten. Ein wenig Selbstdarstellung und Selbstbestätigung gehört immer dazu und sei ihnen verziehen. Sie wussten und wissen, was dieses kommunale Gemeinwesen braucht, sie konnten es schmecken, riechen, fühlen. Sie waren und sind mittendrin, statt nur täglich acht Stunden dabei.

Wahlbuhl und Jendricke hatten das, was man gemein hin und platt Stallgeruch nennt. Den bekommt man nicht geschenkt, der wird vermutlich nur angeboren. Selbst ich, der seit fast 30 Jahren in dieser Stadt lebt und gearbeitet hat, würde mich nur oberflächlich als Nordhäuser bezeichnen. Sicher, ich fühle mich hier wohl, weil ich privat Geborgenheit und Liebe spüre und täglich aufsauge, aber ich habe immer noch einen distanzierteren Blick auf das Geschehen zwischen Rosengarten und Darrweg. Ich schaue zum Beispiel kritisch auf die Kosten für Theater und Straßenbahn. So richtig und wuchtig spürte ich den Unterschied damals, als vor vielen Jahren mehr als 3.000 Menschen für den Erhalt "ihres" Theaters auf die Straßen gingen.

Eine Frau Merz kann diese notwendige Prise an Empathie und Sympathie für die Stadt Nordhausen (gemeint ist nicht die Verwaltung) nicht entwickeln. Sie würde vermutlich einfach nur verwalten und keine politischen Akzente setzen. Vielleicht eine zweite Frau Krauth werden, was unter diesem Oberbürgermeister vermutlich nicht schwer wäre.

Bleibt also noch Frau Rieger. Ihr geht es wie mir: irgendwann mal in Nordhausen angekommen und heimisch geworden. Was Sie von mir unterscheidet? Allein schon das Alter. Frau Rieger hat noch viele Jahre vor sich, um eine echte Nordhäuserin zu werden. Sollte sie heute gewählt werden, dann hat sie einen Berg vor sich, den sie abtragen muss. In erster Linie muss sie jetzt im Zweifel immer für Nordhausen sein, auch wenn es ihrem Protegé Matthias Jendricke als Landrat nicht passt. Je schneller sie sich durch entschiedenes Handeln als Nordhäuser Bürgermeisterin von ihm verwaltungspolitisch emanzipiert, ohne eine Kampffront aufzumachen, desto schneller könnte sie eine echte Kommunalpolitikerin werden.

Doch auch das ist das Verrückte: Es könnte durchaus sein, dass der Wahlakt am späten Nachmittag ungültig gemacht wird. In Nordhausen, soviel habe ich in den vergangenen drei Jahrzehnten gelernt und erfahren, ist nahezu alles möglich. Andeutungen gibt es da bereits.
Peter-Stefan Greiner

Update 11.50 Uhr
Die heutige Wahl könnte durchaus ein Meilenstein in der Nordhäuser Demokratiegeschichte
werden. Nach Informationen der nnz, die von mehreren Stadträten bestätigt wurden, wird Oberbürgermeister Kai Buchmann der heutigen Stadtratssitzung fernbleiben. Dann müsste defacto die Bürgermeisterin die Sitzung leiten, die steht aber gleichwohl zur Wahl. Geht vermutlich auch nicht, also muss der erste ehrenamtliche Beigeordnete, Michael Kramer, die Sitzungsleitung übernehmen.

Immer mehr im Raum steht auch ein möglicher Abbruch der Wahl. Die Frage ist dann nur: wer stellt den Antrag? Und: was ist dann anders? Die Antwort: Nichts, denn der Oberbürgermeister wird die Stelle mit genau dem gleichen Text (Anforderungen) wieder ausschreiben. Und dann geht das Spielchen von vorn los.

Die nnz wird heute aus der Nordhäuser Ballspielhalle natürlich ab 17 Uhr mit einem Live-Ticker berichten.
Autor: psg

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