nnz-online
Olaf Schulze über den fragwürdigen Umgang mit Ungeimpften

Keine Entschädigungen, aber öffentlicher Pranger

Dienstag, 26. Oktober 2021, 13:00 Uhr
Nicht geimpfte Personen müssen damit rechnen, ab November für einen quarantänebedingt erlittenen Verdienstausfall keine Entschädigung mehr zu erhalten. In einer Heiligenstädter Gießerei geht man noch etwas weiter...


Das Bundesland Thüringen setzt den Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom 22. September ab November um, wonach nicht gegen das Coronavirus geimpfte Personen keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben, wenn sie quarantänebedingt von der Arbeit fernbleiben müssen. Begründet wird die Maßnahme in einer Pressemeldung des Thüringer Landesverwaltungsamts mit dem in letzter Zeit häufig angepassten Infektionsschuztzgesetz (IfSG), in dessen § 56 Absatz 1 Personen eine finanzielle Entschädigungsleistung zugesagt wird, „denen von der zuständigen Behörde die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise untersagt bzw. eine Absonderung angeordnet wurde.“

Ausdrücklich sieht dieses Infektionsschutzgesetz jedoch in § 56 Satz 4 von der Gewährung einer Entschädigungsleistung ab, wenn das Tätigkeitsverbot oder die Quarantäneanordnung durch Inanspruchnahme einer öffentlich empfohlenen Schutzimpfung hätte vermieden werden können. Eine derartige Empfehlung für eine Covid-19-Schutzimpfung sei durch das Thüringer Gesundheitsministerium bereits am 18. Dezember 2020 öffentlich gemacht worden, schreibt der Pressesprecher des Landesverwaltungsamtes.

„Demzufolge erhalten Personen, für die eine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission vorliegt, nach dem Infektionsschutzgesetz als Kontaktpersonen oder Reiserückkehrer aus Risikogebieten aufgrund der flächendeckenden Verfügbarkeit von Impfangeboten zukünftig keine Entschädigung auf Kosten der Allgemeinheit, wenn im Falle eines Tätigkeitsverbots bzw. einer Quarantäneanordnung kein vollständiger Impfschutz vorliegt.“

Dieser Aussage haben eine ganze Reihe von Arbeitgebern schon widersprochen und ihren Mitarbeitern versichert, dass sie sich nicht an diese Bestimmung halten und auch den Arbeitsausfall im Quarantänefall weiter bezahlen werden. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele wie das gestern bekannt gewordene einer Heiligenstädter Gießerei. Dort wurde eine Wandtafel angefertigt, auf der die Fotos aller umgeimpften Mitarbeiter prangen. Daneben sind die neuen Coronaschuztzmaßnahmen der Firmenleitung zu lesen, die „ausschließlich für umgeimpfte Mitarbeiter“ gelten.

Sie sollen einen Mindestabstand von zwei Metern einhalten und nicht mehr in Gruppen auftreten. „Es darf sich nicht mehr als eine umgeimpfte Person in einem Raum aufhalten“, ist die zweite Regel. „Sobald sich zwei ungeimpfte Mitarbeiter im Raum aufhalten, gilt für diese die Maskenpflicht." Dann folgt der nächste Punkt, über den heftig diskutiert wird: „Veränderungen des Impfstatus sind dem Arbeitgeber mitzuteilen“.

Es kommt aber noch schlimmer: „Einen Überblick über den derzeitigen Impfstatus ist bei dem Schichtplan der Abteilungen ausgehangen“. In dieser konkreten Anordnung gerät nicht nur die Demokratie oder der Datenschutz ins Wanken, sondern in ganz erheblichem Maße auch die deutsche Grammatik. Im letzten Punkt der Coronaschutzmaßnahmen der Gießerei werden ungeimpfte Mitarbeiter verpflichtet, sich über den Impfstatus zu informieren, sobald sie eine andere Abteilung betreten.

Solche Ausschmückungen der Corona-Bestimmungen wie in Heiligenstadt sind nicht weiter verwunderlich, wenn man weiß, wie beispielsweise Gastronomen gedrängt werden, die 2-G-Regelung für Geimpfte und Genesene in ihren Gasträumen anzuwenden, um dadurch jegliche Schutzmaßnahmen weglassen zu können.

Auch bei der Beantragung des Verdienstausfalles via ifsg-online.de sind wie im Heiligenstädter Fall „Angaben zum Impfstatus, der Empfehlung bzw. einer etwaigen Kontraindikation anzugeben.“ Allerdings wird hier kein Foto der in Quarantäne Geschickten verlangt. Laut Zeitungsberichten rudert die Firmenleitung der Gießerei nach erstaunten Medienanfragen inzwischen zurück und fühlt sich missverstanden. Die umgeimpften Kollegen seien ebenfalls für eine solche Regelung gewesen, soll ein Firmensprecher zu Protokoll gegeben haben.
 
Von der unterlassenen Lohnfortzahlung im Quarantänefall ausgenommen sind Arbeiter und Angestellte, für die in einem Zeitraum von bis zu acht Wochen vor der Absonderungsanordnung (steht wirklich so in der Pressemeldung - d.Red.) oder des Tätigkeitsverbots keine öffentliche Empfehlung für eine Impfung gegen COVID-19 vorlag oder eine medizinische Kontraindikation hinsichtlich der COVID-19-Schutzimpfung durch ärztliches Attest bestätigt wird.
 
Weiter informiert das Thüringer Landesverwaltungsamt, dass Personen mit vollständigem Impfschutz keinen Quarantänepflichten mehr unterliegen. Mit wenigen Ausnahmen, so wird aber gleich eingeschränkt, denn wer zum Beispiel aus einem Virusvarianten-Gebiet wieder einreist, der begibt sich auch genesen oder geimpft weiter in Quarantäne. 

In unserem Nachbarland Österreich will der neue Bundeskanzler Schallenberg noch einen Schritt weiter gehen. Sollten dort in mehr als 600 Intensivbetten Covid-19-Patienten liegen, will er Ausgangsbeschränkungen für alle durchsetzen, die nicht vollständig geimpft oder genesen sind. Hausarrest, hieß das früher und ist selbst in kommunistischen Systemen niemals so offen und unverblümt angedroht worden.

Anmerkung des Autors:
Der Artikel sollte ein Bericht werden. Wenn sich Spuren eines persönlichen Kommentars darin finden lassen, so bitte ich das zu entschuldigen. Es fällt angesichts der momentanen Situation bei der Berichterstattung schwer, die reine Sachebene nicht zu verlassen.
Olaf Schulze
Autor: osch

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de