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25 Jahre Nordhäuser Tafel

Keine Zeit zum Klagen

Donnerstag, 21. Oktober 2021, 16:30 Uhr
Seit einem Vierteljahrhundert sammelt die Nordhäuser Tafel Lebensmittel, um Menschen in Not aushelfen zu können. Zum Jubiläum hat man für die kommenden Woche eine besondere Ausgabe zusammengestellt. Dabei ist die Zeit für solche Besonderheiten eigentlich zu knapp…

Die Nordhäuser Tafel hilft seit 25 Jahren Bedürftigen (Foto: agl) Die Nordhäuser Tafel hilft seit 25 Jahren Bedürftigen (Foto: agl)

Wenn Helga Rathnau auf die Entwicklung der Nordhäuser Tafel zurückblickt, sieht sie viel Licht aber auch manchen Schatten. Beides geht bekanntermaßen Hand in Hand. Vieles hat sich in den vergangenen 25 Jahren geändert und ist doch scheinbar gleich geblieben.

Drei bis vier Jahre, dann hat sich die Idee der „Tafel“ in einem so reichen Land von alleine erledigt. Das dachte Rathnau damals, anno 1996, als sie die Nordhäuser Institution ins Leben rief. „Ich war naiv als ich anfing. Heute sehe ich, dass wir manche Lücke für die Menschen füllen und ich glaube leider nicht, dass wir einmal überflüssig werden“. Höhen und Tiefen gehen von Beginn an Hand in Hand. Im ersten Nachwendejahrzehnt ist der Bedarf an Unterstützung hoch, wird von den Bedürftigen aber nur zögernd angenommen. Die hohe Arbeitslosigkeit bringt viele Menschen zur Tafel und das nicht allein um ihren Kühlschrank zu füllen, sondern auch um hier zu arbeiten. Von Amts wegen vermittelt, kann man auf eine ganze Reihe an Leuten zurückgreifen, die zupacken können und wollen.

Über Personalmangel kann Rathnau damals nicht klagen, dafür wird sie mit ihren Anliegen bei den Supermärkten der Region regelmäßig abgewiesen. Heute gibt es Tage, da kann sich die Tafel vor materiellen Zuwendungen ihrer Unterstützer kaum noch retten, dafür fehlt es immer wieder an zupackenden Händen. Einige der ehrenamtlichen Helfer sind, wie Rathnau auch, mit der Tafel alt geworden. Durch den Kreis fahren, Kisten schleppen, stundenlang sichten und sortieren - das ist keine Arbeit für von der Zeit geschundene Rücken. Aus der Hochschule rekrutiert sich regelmäßig Unterstützung, aber die Arbeitszeiten der Tafel vertragen sich nur schlecht mit dem Kursplan der Studenten. Anders als in mancher Großstadt ist man eben nicht in den Abendstunden unterwegs, sondern am Morgen. Zwei mal die Woche, dienstags und donnerstags, wird die Ausgabe in der Grimmelallee ab 12 Uhr geöffnet.

Früher hatte man von Montag bis Freitag geöffnet und bediente Außenstellen in Bleicherode und Sondershausen. Dass es das nicht mehr gibt und dass der Arbeitsmarkt seltener einsatzfähige Kräfte auf der Reservebank hält, dass sind auch gute Zeichen. Und doch scheint die Arbeit der Tafel nicht weniger oder zumindest nicht leichter geworden zu sein. Die Schwerpunkte haben sich verschoben. Die Alten kommen seit der Corona-Krise kaum noch, erzählt Rathnau. Die beliebte Suppenküche, immer auch ein sozialer Treffpunkt für die Bedürftigen, ist bis heute geschlossen und man ist sich nicht sicher, dass man noch Kräfte finden kann, um sie wieder in Betrieb zu nehmen. Vor der Tür steht derweil häufig jüngeres Klientel, oft Männer Mitte 30, Anfang 40, erzählt Rathnau.

Wer vor ihren Pforten wartet, kümmert die Tafel nicht. Geholfen wird jedem. Auf die Tafel kann man sich verlassen, darauf sind Rathnau und Kollegen stolz. Und man hat Partner, auf die man wiederum bauen kann. Stadt und Kreis zählen dazu, Supermärkte, Bäcker und Privatleute. Auch der Schatten der Corona-Krise hatte hier sein Licht, die Schlangen vor der Ausgabe in der Grimmelallee verschwanden jetzt nicht auf dem Hinterhof und der Suppenküche. Und das hat manchen Mitbürger dazu bewogen, die Tafel finanziell zu unterstützen. Das einmal nicht das Geld die größte Sorge ist, das hatte gerade in den letzten Jahren, Seltenheitswert.

Zum Kreis der Unterstützer gehören auch die Kirchen und ihre Gemeinden. Gerade zur Erntedank-Zeit gehen viele frische Spenden bei der Tafel ein. „Dieses Jahr war Erntedank absolut überwältigend“, sagt Rathnau. Gemüse und Obst stapelten sich bis unter die Decke und in der Grimmelallee wurden Überstunden eingelegt, um das herbstliche Füllhorn noch rechtzeitig an den Mann zu bringen. Sicher, es gibt Sorgen und Nöte, aber man hat keine Zeit sich zu beklagen, sagt die Tafel-Chefin.

Und so hat man trotz der vielen Arbeit noch die Zeit gefunden, sich etwas für das Jubiläum einfallen zu lassen. Mit ein wenig pekuniärer Unterstützung aus dem Landratsamt konnte man in der vergangenen Woche aktuelle und altgediente Mitarbeiter und Ehrenamtler zum Essen einladen. Für die „Kundschaft“ wird man einmalig am kommenden Donnerstag einen extra Beutel bereit halten, der viele Dinge enthält, die es bei der Tafel sonst nur an Weihnachten gibt: Kaffee, Schokolade, kleine Überraschungen für den Nachwuchs und mehr.
Angelo Glashagel
Autor: red

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