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121. Artenschutzeinsatz des BUND-Kreisverbandes

Nicht reden, sondern tun!

Mittwoch, 08. September 2021, 08:07 Uhr
Die grüne Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund und der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer waren am vergangenen Sonnabend zu Gast im Klimapavillon an der Blasii-Kirche.Währenddessen mähten einige Enthusiasten den vielleicht artenreichsten Halbtrockenrasen des gesamten Südharzer Zechsteinrandes. Und das hat Symbolkraft, meint Bodo Schwarzberg...

Der geschützte und in Thüringen gefährdete Deutsche Enzian (Gentianella germanica) bringt mitunter solch imposanten Exemplare hervor. Durch gezielte Pflegemaßnahmen des BUND-Kreisverbandes Nordhausen, wie zum Beispiel Mahd, Entbuschung und Anlage von Bodenverwundungen, konnte der Bestand, zu dem das abgebildete Exemplar gehört, stabilisiert werden.   (Foto: B.Schwarzberg) Der geschützte und in Thüringen gefährdete Deutsche Enzian (Gentianella germanica) bringt mitunter solch imposanten Exemplare hervor. Durch gezielte Pflegemaßnahmen des BUND-Kreisverbandes Nordhausen, wie zum Beispiel Mahd, Entbuschung und Anlage von Bodenverwundungen, konnte der Bestand, zu dem das abgebildete Exemplar gehört, stabilisiert werden. (Foto: B.Schwarzberg)

Denn geredet wurde und wird leider noch immer – genug, nicht nur im Klimapavillon. All die Mahnungen hochrangiger Gäste, ob im Klimapavillon oder in diversen Talkshows wirken geradezu grotesk, angesichts der Realität von Klimawandel und Artensterben, die dem tatsächlichen, internationalen Handeln fast immer diametral entgegensetzt sind und gegen die die nationale und internationale Politik angeblich keine Mittel zu haben scheint.

Dass die deutschen Grünen hier eine in dieser Hinsicht besonders optimistische Geige spielen, ist dabei besonders fatal: Weil sie alle naturbefreundeten Personen Glauben machen, dass sie die existenziellen Probleme schon lösen werden, sofern sie ins Kanzleramt oder in die Regierung kommen. Dabei aber sind sie längst selbst Teil des farblich austauschbaren politischen Establishments eines Weiterso geworden, nach dem niemand wirklich finanzielle oder gar Wohlstandseinbußen erleiden muss.

Seit den 70er Jahren, als Forscher den US-Ölkonzern Exxon vor den Folgen eines ungebremsten Verbrennens fossiler Kohlenstoffträger warnten, wissen wir aber, worauf ein Weiterso des Ressourcenverschleuderns im Namen des Wohlstandes und hier des Verbrennens fossiler Brennstoffe hinausläuft.

Grundlegend geändert hat sich bis heute trotz grüner Parteien in vielen Industrieländern, an der Tendenz dennoch nichts, wie man anhand zahlreicher Statistiken durchaus niederschmetternd sehen kann. Bekanntlich ist der CO2-Ausstoß statt, zu sinken, um 60 Prozent seit den 90er Jahren gestiegen und auch das Artensterben konnte trotz so manch grüner Regierungsbeteiligung nicht im mindesten, im nationalen oder gar internationalen Maßstab gestoppt werden.

Wie soll man da den Grünen glauben?
Nicht zuletzt: In der gesamten Klimadiskussion wird die Biodiversität als ein weiterer Schlüsselfaktor unserer Zukunft immer wieder vergessen, auch von den Grünen im aktuellen Wahlkampf. Was nützt die international berühmt gewordene Krefelder Insektenstudie, nach der innerhalb weniger Jahrzehnte 75 Prozent der Insekten verschwunden sind, was nützen all die dramatischen Entwicklungen in den Roten Listen, wenn sie im Wahlkampf seitens der Politik von untergeordneter Bedeutung sind?

Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes Nordhausen werden diesen Trend nicht stoppen können und die etablierte Politik nicht von ihrem Kurs des Verdrängens abbringen können, schon gar nicht in Zeiten des überfarblich grün geprägten Wahlkampfes. Aber wir können wenigstens vor unserer Haustür praktisch und auch erfolgreich tätig werden. Da wir uns auf zum Teil sehr kleine, besonders artenreiche Splitterflächen konzentrieren und unsere Pflege auf einzelne Arten abstimmen, konnten wir für Nordthürigen, auch in Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten, wesentliche Populationen seltener Pflanzenarten bisher erhalten, so eine Population des extrem seltenen Spätblühenden Brand-Knabenkrautes, des in Thüringen vom Aussterben bedrohten Feld-Enzians, der Arnika, der Alpen-Gänsekresse, der Schmalblättrigen Miere oder des Abbiss-Pippaus, um nur einige zu nennen.

Am vergangenen Sonnabend sorgten wir mit der Mahd von mehreren hundert Quadratmetern eines Halbtrockenrasens im Naturschutzgebiet Alter Stolberg mit für die Erhaltung von knapp 30 gefährdeten und geschützten Pflanzenarten, die auf dieser kleinen Fläche ihre mit letzten Rückzugsorte im Gebiet haben. Einige kommen fast ausschließlich in weitem Umfeld auf dieser kleinen Refugialfläche vor. Jahrelange Beobachtungen der jeweiligen Populationen scheinen zumindest bisher zu belegen, dass sich die meisten dieser Arten, selbst angesichts des Klimawandels, durch eine schonende, sehr extensive Bewirtschaftung erhalten und auch fördern lassen. So konnte in diesem Jahr, sicherlich auch unter dem Einfluss des klimatologisch endlich durchschnittlichen Sommers, von einer sehr seltenen Orchideenart ein neuer Höchstwert blühender Exemplare ermittelt werden.

Einige wenige Arten scheinen angesichts langer Dürreperioden jedoch selbst bei optimaler Bewirtschaftug zurückzugehen. Da wir sehr selektiv bewirtschaften, kennzeichneten wir zum Beispiel blühende Exemplare des Deutschen Enzians (Gentianella germanica) vor der Mahd, so dass diese nicht abgemäht wurden und zur Samenbildung übergehen können.

Fünf Mitstreiterinnen und Mitstreiter verbrachten bei wunderschönem Spätsommerwetter sechs arbeitsreiche Stunden an teils steilen Hängen. Aber deren unterschiedliche Exposition von Süd, über Südwest, bis Nordwest auf nur wenigen hundert Quadratmetern, bringt in Verbindung mit kontinuierlicher Bewirtschaftung, den Besonderheiten des Gipsuntergrundes, des auf ihm entstehenden, flachgründigen Rendzina-Bodens sowie dem hiesigen Klima eine weit überregional einzigartige Pflanzenwelt mit vielen seltenen und bedrohten Vertretern hervor.
Mit dem jüngsten Artenschutzeinatz im NSG Alter Stolberg ist das praktische Jahresprogramm des BUND-Kreisverbandes Nordhausen nicht abgeschlossen. Bis zum Jahresende werden wir noch mindestens fünf große sowie mehrere kleine Einsätze durchführen, um die teils historischen Bewirtschaftungsformen auf Flächen mit zum Teil wertvollstem Arteninventar zu immitieren und um wesentliche Lücken zu füllen, die der staatlich organisierte Naturschutz auch wieder unter der aktruellen grünen Thüringer Umweltministerin leider zulässt. Hierzu wird es einen Folgebeitrag geben.
Bodo Schwarzberg, Vorstandsmitglied BUND-Kreisverband Nordhausen
Autor: red

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