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Schlüsselübergabe am Humboldt-Gymnasium

Zukunft für die Tradition

Montag, 06. September 2021, 20:15 Uhr
500 Jahren Nordhäuser Bildungsgeschichte wurde heute mit der feierlichen Übergabe des „neuen“ Humboldt-Gymnasiums ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Nach rund drei Jahren Bauzeit und guten 13 Millionen Euro verfügt man nun über eine der modernsten Schulen im Freistaat…

Symbolische Schlüsselübergabe am Humboldt-Gymnasium, v.l.: Landtagspräsidentin Birgit Keller, Schulleiter Volker Vogt und Landrat Matthias Jendricke (Foto: agl) Symbolische Schlüsselübergabe am Humboldt-Gymnasium, v.l.: Landtagspräsidentin Birgit Keller, Schulleiter Volker Vogt und Landrat Matthias Jendricke (Foto: agl)

Den Praxistest am lebenden Objekt haben die neuen Räumlichkeiten heute morgen bereits bestanden. Bevor die hohen Damen und Herren sich am Nachmittag mit Lob bedachten, waren es die Schülerinnen und Schüler des Humboldt-Gymnasiums, die endlich an ihren angestammten Platz zurückkehren konnten.

Im Sommer 2017 hatte man sich vom „alten“ Humboldt verabschiedet. Der letzte Besuch war für viele Ehemalige wie eine kleine Zeitreise - jahrzehntelang hatte sich am Gebäude nicht viel getan, es war nur älter geworden. Bodenwellen, bröckelnder Putz, marode Infrastruktur und der besondere „Charme“ eines gut 160 Jahre alten Schulgebäudes - all das gehört nunmehr der Vergangenheit an. Die Räume sind groß und licht, die technische Ausstattung so modern wie es eben noch vertretbar ist, das Haus barrierefreier als es das Gesetz verlangt und dazu noch Schick anzusehen. Vom „alten“ Humboldt bleibt die Fassade, dahinter ist alles neu.

„Abriss“, das Wort wollte lange niemand in den Mund nehmen, zumindest nicht diejenigen, die das zu entscheiden hatten. Für die aber, die hier arbeiten mussten, war klar das es so wie ehedem nicht lange weitergehen würde. In seiner Zeit als Bürgermeister der Stadt habe er der damaligen Landrätin mit Regelmäßigkeit gedroht, die Schule dicht zu machen wenn der Kreis hier nicht bald anpacken würde, erinnerte sich Matthias Jendricke heute. Nun ist er selber Landrat, hat die Akte mit seinen gesammelten Briefen von seiner Feuerwehr direkt mit auf den Weg bekommen, erzählt er. Die Landrätin war zu dem Zeitpunkt Ministerin, die auf ihrem Heimweg gar nicht anders konnte, als am Humboldt vorbeizukommen. Den beiden Entscheidern wiederrum saßen die Schulleiter im Nacken, Ralf-Gerhard Köthe und Volker Vogt.

Dass Birgit Keller auch noch dem richtigen Ministerium vorsaß, mag man als glückliche Fügung für Nordhausen betrachten. Die Stadt verfügt nach einigem Auf und Ab, um den Abriss kam man trotz anders lautender Pläne irgendwann nicht mehr herum, über eine der modernsten Schulen des gesamten Freistaates. Rund 13 Millionen Euro hat der Neubau der Schule gekostet, 240 Millionen hat das Land Thüringen unter Keller insgesamt für seine Schulen locker gemacht. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und man ist noch nicht am Ende. Die Sanierung der Turnhalle aus DDR-Zeiten ist bereits im Gange, Schritt drei wird der Bau einer „Mensa“ in der Altstadt sein.

Über den Bau, seine Hindernisse und seinen Fortgang, über Kosten und die neue Ausstattung wurde an dieser Stelle schon viel und oft berichtet. Heute ging es vor allem anderen darum zu konstatieren: es ist geschafft. Und das rechtzeitig, auch wenn vom Schulhof-Pflaster noch ein paar Meter fehlen und der Bauzaun das Bild noch ein wenig trübt. In der Aula warf der Beamer ein Zitat des Namensgebers der Schule an die Wand: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“. So sprach einst Wilhelm von Humboldt, der wie kein anderer für Reform und Aufbruch an Deutschlands Schulen steht. Ein guter Name für eine Schule und eine große Aufgabe, meinte Ministerpräsident Bodo Ramelow heute in den neuen Räumlichkeiten. Die Schule könnte nun als eine der modernsten des Freistaates in die nächste Etappe starten. Man habe in der Gegenwart für die Zukunft gebaut und dabei auch eine 500 Jahre alte Tradition bewahrt.

Gemeint ist damit nicht allein das neue Schuljahr, sondern vor allem die Digitalisierung. Eine klassische Tafel sucht man in den neuen Räumen vergebens. Dem einen oder anderen Pädagogen hat bei der technischen Einführung in der vergangenen Woche der Kopf ganz schön geraucht, ist am Rande der Eröffnung zu hören, doch man ist guter Dinge. Der Crash-Kurs sei hart aber gut gewesen, die IT’ler kompetent und über das Maß hilfsbereit. Auch Lehrer können lernen. Sechs junge Kollegen haben sich zudem bereit erklärt, als Administratoren und Multiplikatoren in Sachen digitale Schule zu fungieren. Das neue Haus wird auch eine neue Zeit mit sich bringen. Dem Reformer Humboldt hätte es bestimmt gefallen.

Worte von Lob und Dank gab es am Nachmittag viele und freilich auch Geschenke. Brigit Keller und Landrat Jendricke sind jetzt Ehrenmitglieder im größten Schulförderverein des Freistaates, die Stadt Nordhausen hat dem Gymnasium eine „Mutteruhr“ gespendet mit der früher der Herr Direktor das Läuten der Schulglocke steuern konnte und vom Bauherren gab es etwas echt historisches: ein kleines archäologisches Fundstück, das während der Bauarbeiten zu Tage getreten war.

Der Auftritt der hohen Damen und Herren endete schließlich mit der symbolischen Schlüsselübergabe an Schulleiter Volker Vogt. Für Lehrer und Schüler, die fleißigen Bauarbeiter und all diejenigen, die hinter den Kulissen gewerkelt haben, will man am kommenden Freitag eine ordentliche Party schmeißen. Ab 18 Uhr will man bis Mitternacht unter Coronabedingungen auf dem Schulhof feiern. Mehr als 600 Leute dürfen sich dann nicht auf dem Gelände aufhalten, aber für eine ordentliche Einweihungsfeier sollte es allemal reichen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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