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Ernährungs-Projekt an Kindergärten zog Zwischenbilanz

Gesund und lecker von Anfang an

Mittwoch, 01. September 2021, 12:55 Uhr
Das lecker leider nicht gleich gesund bedeutet, das lernt man als Kind recht schnell. Was uns aber tatsächlich gut tut und trotzdem schmackhaft ist, dass wird nicht jedem mitgegeben. Rund 12 Prozent der Thüringer Kinder gelten am Übergang zur Schule als übergewichtig. Das Problem wollte man 2019 angehen, jetzt zog man in Nordhausen Zwischenbilanz...

Selbst gemacht schmeckt es gleib besser - am Kindergarten Ida's Wald- und Wiesenkinder hat man sich in den letzten Monaten schlau gemach was gesund und lecker ist (Foto: agl) Selbst gemacht schmeckt es gleib besser - am Kindergarten Ida's Wald- und Wiesenkinder hat man sich in den letzten Monaten schlau gemach was gesund und lecker ist (Foto: agl)


Nordhausens angehende Grundschüler haben oft ein wenig zu viel Speck auf den Hüften. Bei rund 12 Prozent der Thüringer Kinder wird während der Schuleingangsuntersuchung Übergewicht bishin zur Adipositas festgestellt. In Nordhausen und einigen anderen Landkreisen liegen die Zahlen deutlich über dem Durchschnitt. Als einer von zehn Kindergärten im Freistaat wurde so auch der Kindergarten "Ida's Wald- und Wiesenkinder" auserwählt, ein Pilotprojekt in Sachen gesunder Ernährung durchzuführen.

"Natürlich war es während der Einschränkungen, die Corona nötig gemacht hat, schwierig für uns, auch noch an einem weiteren Gesundheitsthema zu arbeiten. Aber die Arbeit und das Lernen zum Beispiel in einer gemeinsamen Videokonferenz, in der wir uns zur Ernährungsbildung ausgetauscht haben, haben sich für uns gelohnt", sagt Vanessa Gerlach, Leiterin des Kindergartens. "Die Kinder haben großen Spaß beim Spielen mit den Bildungsmaterialien und sind stolz darauf, was sie alles über Lebensmittel und gesunde Ernährung wissen. Außerdem haben wir gemeinsam mit der DGE und unserem Caterer besprochen, wie wir unsere gesamte Verpflegung, also Frühstück, Mittagessen und Vesper, verbessern können."

Die Brotbüchse auf Papier kommt bei Erziehern und Eltern gut an... (Foto: agl) Die Brotbüchse auf Papier kommt bei Erziehern und Eltern gut an... (Foto: agl)


Anfassen, ausprobieren und lernen - das ist die Devise. Dafür wurden durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) eigene Lehrmaterialien erstellt. Dazu gehört auch die papierne Brotbüchse. Die kann von Erziehern gemeinsam mit den Kindern mit allerlei gesunden Leckereien gefüllt werden. Die Wunschbox nehmen die Kinder mit nach Hause und können Mama und Papa zeigen, was sie gerne einmal in der Brotbüchse wiederfinden würden. Beim "Teile-Frühstück" kann man auch Dinge ausprobieren, die es so zu Hause vielleicht nicht gibt. Der volle Renner in dem Nordhäuser Kindergarten war aber etwas ganz praktisches: eine kleine Hafermühle. Die hatte man besorgt um die Kinder gesundes Müsli nahezubringen. Gezeigt hat sich, dass es gleich viel besser schmeckt, wenn man selber Hand angelegt hat.

"Eltern sprechen uns hin und wieder darauf an, dass ihre Kinder vom Gelernten erzählen und selbst mehr mitbestimmen möchten, was zuhause auf den Tisch kommt", sagt Gerlach. Dieser Effekt ist gewünscht und wird durch Elterninformationen zum Projekt und zur Ernährungsbildung verstärkt.

...bei den Kindern ist die kleine Hafermühle der große Renner (Foto: agl) ...bei den Kindern ist die kleine Hafermühle der große Renner (Foto: agl)


Noch einmal durchstarten in Phase II
Während der Corona Pandemie hat man sich vor allem digital und telefonisch ausgetauscht. Die DGE hat ernährungsbildende Spiele entwickelt und mit den Kitas gemeinsam getestet. Außerdem wurde die Verpflegung in den Kindertagesstätten gesundheitsförderlicher. Unterstützt wird das Projekt vom Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) und von der Techniker Krankenkasse (TK).
  
"Es ist uns wichtig, dass die Präventionsprojekte gerade dort ankommen, wo sie besonders gebraucht werden. Das ist unsere soziale Verantwortung. Dafür möchten wir im aktuellen Projektjahr noch mehr Kitas gewinnen", sagt Guido Dressel, Leiter der TK-Landesvertretung Thüringen. "Ernährungsbedingten Krankheiten kann vor allem dann vorgebeugt werden, wenn eine gesunde Lebensweise früh als ganz normal in den Alltag einfließt und die Kita ist ein entscheidender Teil des Alltages." Der Krankenkasse gehe es dabei nicht ausschließlich um Übergewicht, bei der Auswertung der Schuluntersuchungen sei häufig auch Untergewicht festgestellt worden. Das Ziel müsse deswegen eine grundsätzlich gesündere Ernährung sein.
 
Also: mehr Gemüse und weniger Fleisch zum Mittag
Die Speisepläne der Kitas, insbesondere das Mittagessen, werden in Zusammenarbeit mit der Vernetzungsstelle Kita-Verpflegung Thüringen regelmäßig anhand der DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas ausgewertet. Die Ergebnisse und praktische Handlungsempfehlungen bespricht die DGE mit den Kitas und Essensanbietern.

Nun ist das alles eigentlich nicht wirklich neu. Angebote rund um gesunde Ernährung gibt es viele und in allen Altersgruppen. Aber: derlei Möglichkeiten gibt es nicht immer da, wo sie tatsächlich gebraucht würden und würden oft nur punktuell eingesetzt, meint Dressel. Die Pilotvorhaben sollen einen anderen Ansatz verfolgen. Man wolle Wissen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vermitteln, sondern spielerisch und in Abstimmung mit den Einrichtungen, Zulieferern und den Elternhäusern für langfristige Veränderungen sorgen.

v.l.: Verbraucherminister Dirk Adams, Prof. Stefan Lorkowski und Guido Dressel von der Techniker Krankenkasse (Foto: agl) v.l.: Verbraucherminister Dirk Adams, Prof. Stefan Lorkowski und Guido Dressel von der Techniker Krankenkasse (Foto: agl)


Geklappt hat das bisher nur bedingt - Corona kam einigen der Plänen dazwischen. So war unter anderem geplant, Kinder und Eltern zu einem gemeinsamen Essen einzuladen, wobei die Kinder das kochen übernehmen sollten. So die Lage stabil bleibt, wolle man das nun nachholen, erklärte Professor Stefan Lorkowski von der Universität Jena, der die Thüringer Sektion der DGE ehrenamtlich leitet.

Im Frühjahr 2021 zeigte die Auswertung bereits mehr Gemüse und weniger Fleischgerichte auf den Speiseplänen als im Vorjahr. Das ist laut DGE eine positive Tendenz, die geforderten Standards sind allerdings noch nicht erreicht. "Es war ein entscheidender Schritt, dass die Verbesserung der Kita-Verpflegung in Thüringen gesetzlich verankert wurde", sagt Verbraucherschutzminister Dirk Adams. Seit 2019 muss die warme Mittagsmahlzeit in den Einrichtungen den aktuellen ernährungswissenschaftlichen Qualitätsstandards, etwa der DGE, für eine ausgewogene, altersgemäße, vollwertige und gesundheitsfördernde Mittagsmahlzeit entsprechen.

"Deswegen helfen wir den Essensanbietern und den Kitas neben den Analysen auch ganz praktisch mit Ideen, wie sie zum Beispiel Vollkornvarianten in Form von Nudeln, Reis und Brot so anbieten, dass es den Kindern schmeckt oder sie Lust zum Probieren haben", sagt Prof. Dr. Stefan Lorkowski, Leiter der DGE – Sektion Thüringen. "Außerdem lohnt sich etwas Geduld. Manche Kinder müssen neue Speisen oder Zubereitungsarten bis zu zehn Mal und mehr angeboten bekommen, bis sie offener dafür werden oder sogar davon kosten."

Laufen soll das Vorhaben noch bis zum Sommer kommenden Jahres. Danach, so die Hoffnung, werde man das Gelernte auch auf andere Einrichtungen übertragen können.
Angelo Glashagel
Autor: red

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