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TÜV Thüringen zu Verkehrsunfällen im Ausland:

Die „Grüne Karte“ bleibt ein wichtiger Helfer

Freitag, 23. Juli 2021, 13:48 Uhr
Das Auto ist nicht nur des Deutschen liebstes Kind, es ist auch der beliebteste Urlaubsbegleiter – allein in diesem Sommer werden mehr als die Hälfte der Deutschen auf den eigenen vier Rädern in die Ferien fahren...

Die Urlaubsstimmung kann jedoch schnell umschlagen, wenn es auf der Reise zu einem Unfall kommt. Ärger ist da vorprogrammiert, denn bei der Schadenregulierung nach einem Crash im Ausland erwarten viele Autofahrer zusätzliche Probleme. Unfallexperte Achmed Leser vom TÜV Thüringen erklärt, was bei einem Auslandsunfall unbedingt zu beachten ist.

Auch wenn es bei einem Blechschaden bleibt und niemand verletzt wird: Ein Unfall ist immer ärgerlich, kostet viel Zeit und verursacht jede Menge Papierkram. Passiert er noch dazu im Ausland, wiegt die Last doppelt schwer, denn die Schadenregulierung mit der ausländischen Versicherung wird unter Umständen zu einer zeitraubenden und nervenaufreibenden Prozedur. Achmed Leser ist Unfallexperte und kennt zahllose Fälle, bei denen geschädigte Autofahrer ihrem Geld hinterherlaufen mussten. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass die regulierende Versicherung erst nach einem halben Jahr zahlt. Gerade bei ungeklärter Schuldfrage kann der Prozess langwierig und teuer werden. Wer hier keine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen kann, muss tief in die Tasche greifen und hat am Ende womöglich schlechte Karten“, so Leser.

„Grüne Karte“: Jetzt auch digital, dafür aber nicht mehr grün
Gute Vorbereitung macht sich dabei schnell bezahlt, weshalb Auslandsreisende einige Dinge immer griffbereit im Handschuhfach haben sollten: „Auch wenn die Grüne Versicherungskarte für die Einreise in die Länder der EU und einige weitere europäische Staaten überflüssig geworden ist, empfehle ich das Mitführen der ‚Internationalen Versicherungskarte für den Kraftverkehr‘. Bei Reisen nach Italien kann sie im Schadenfall ohnehin notwendig sein“, erläutert Achmed Leser. Seit 1965 gilt die Grüne Versicherungskarte als Nachweis für den Versicherungsschutz und beinhaltet die Versicherungsnummer und die Adressen der ausländischen Gesellschaften, die im Schadenfall regulieren. Ab 2021 wird die Grüne Karte von den Versicherungen nur noch mit einem weißen Hintergrund ausgegeben, ihr Name bleibt aber trotz neuer Hintergrundfarbe bestehen. Ab sofort ist die Karte auch digital erhältlich und kann vom Autofahrer bequem zuhause ausgedruckt werden. Ein Ausdruck auf Papier ist aber Pflicht, das digitale Dokument allein genügt nicht. Bestehende Karten auf grünem Papier dürfen bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit weiter genutzt werden. Ein weiteres wichtiges Dokument, welches auf keinen Fall fehlen sollte, ist der sogenannte europäische Unfallbericht. Dieser ist europaweit einheitlich und in allen Sprachvarianten gleich aufgebaut. Er erleichtert das Ausfüllen bei fremdsprachigen Unfallgegnern. Verbandskasten, Warndreieck und Warnwesten für alle Insassen gehören bei jeder Reise ohnehin zum Pflichtprogramm.

Erste Schritte nach einem Autounfall im Ausland
Was tun, wenn es im Ausland zu einem Verkehrsunfall gekommen ist? „Zuerst sollte, genau wie bei einem Unfall in Deutschland, Ruhe bewahrt und die Unfallstelle gesichert werden“, so der Tipp des Unfallexperten. „Dabei die Warnweste nicht vergessen! Sind Personen zu Schaden gekommen, setzen sie sofort einen Notruf ab. Europaweit ist die einheitliche Notrufnummer 112 erreichbar. Danach Verletzten Erste Hilfe leisten. Bei Personen- und hohem Sachschaden sollte in jedem Fall die Polizei hinzugezogen werden“, rät Achmed Leser.

Auch wenn es sich nur um einen scheinbaren Bagatellschaden handelt, sollten sich Geschädigte alle Daten vom Unfallgegner notieren. Hier hilft der europäische Unfallbericht. In einigen Ländern muss auch bei einem geringen Unfallschaden die Polizei gerufen werden. „Machen Sie unbedingt Beweisfotos und eine Skizze vom Unfallhergang mit genauer Angabe des Unfallorts. Manchmal ist im Nachhinein nicht mehr ganz klar, an welcher Ecke der Unfall passiert ist. Notieren Sie sich Namen und Adressen von Zeugen“, empfiehlt Unfallexperte Achmed Leser.

Wie komme ich zu meinem Recht?
Ist das Auto fahrbereit und stammt der Unfallgegner aus einem EU-Mitgliedsland oder Andorra, Island, Liechtenstein, Monaco, Norwegen, der Schweiz oder dem Vereinigten Königreich, können die Ansprüche gegenüber dem Unfallverursacher in Deutschland beim Schadenregulierungsbeauftragten der ausländischen Versicherung geltend gemacht werden. Über den Zentralruf der Autoversicherer kann dieser in Erfahrung gebracht werden. Aus Deutschland ist der Zentralruf telefonisch unter 0800 250 260 0 (kostenfreie Servicerufnummer) erreichbar, aus dem Ausland unter der Rufnummer +49 40 300 330 300. Kommt der Unfallgegner allerdings aus einem anderen Land, muss der Schaden bei der ausländischen Versicherung im Herkunftsland geltend gemacht werden. Das erweist sich oftmals als schwierig, zumal dabei eine Sprachbarriere hinzukommt.

„Nach der Unfallmeldung beginnt die Zeit des Wartens. Im Zweifel ist es immer von Vorteil, einen Verkehrsrechtsanwalt hinzuzuziehen. Dieser muss in dem entsprechenden Land, in dem sich der Unfall ereignet hat, tätig werden können“, schildert Achmed Leser. Die Regulierung des Schadens kann hingegen dauern und wird immer nach dem Recht des Unfalllandes verhandelt. Oftmals haben die Unfallgeschädigten dort kein Anrecht auf einen Werkstattersatzwagen, Nutzungsausfallgeld oder Wertminderung am Fahrzeug. Auch die Kosten für ein unabhängiges Gutachten werden von den ausländischen Versicherungen in aller Regel nicht übernommen. Es sei denn, dieses wird ausdrücklich gefordert. „Wir empfehlen dennoch zur Beweissicherung ein Gutachten erstellen zu lassen. Sollte der Wagen zwischenzeitlich repariert oder verkauft worden sein, hat man so gegenüber der Versicherung einen handfesten Beweis über die Höhe des ursprünglich verursachten Schadens“, rät Leser.

Die regulierenden Assekuranzen können sich mit ihrer Entscheidung bis zu 12 Wochen Zeit lassen. Immerhin übernehmen sie die Kommunikation mit der ausländischen Versicherung. Auch der Unfallgegner bekommt Gelegenheit, Stellung zu beziehen und seine Sichtweise zu schildern – da sind ein paar Wochen schnell vergangen. Wer häufig ins Ausland fährt und kein Risiko eingehen möchte, ist deshalb mit einem Auslandsschutzbrief beziehungsweise einer Zusatzversicherung, die nach deutschem Recht reguliert, gut beraten.
Autor: red

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