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Tierschützer beschuldigen Unternehmen und Veterinäramt

Massenhaftes Tiersterben in Sollstedt entdeckt

Dienstag, 08. Juni 2021, 15:22 Uhr
Es war im April dieses Jahres als im Nordhäuser Veterinäramt bekannt wurde, dass sich am Ortsrand von Sollstedt in einem Schafzuchtbetrieb Verstöße gegen den Tierschutz ereignet haben sollen...

In diesem Stall sollen die Schafe untergebracht worden sein (Foto: privat) In diesem Stall sollen die Schafe untergebracht worden sein (Foto: privat)
Die dort ansässige Agrar Sollstedt GmbH ist ein Tochterunternehmen der niederländischen Van Asten Group, die in Nordhausen eine große Schweinezuchtanalge betreibt. Zu diesem Zeitpunkt war scheinbar auch schon die Tierschutzorganisation PETA durch eine Whistleblowerin von den Vorfällen informiert und erhebt nun schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen und das Veterinäramt.

Auf ihrer Webseite behaupten die Tierschützer, dass Hunderte Schafe und mehrere Kleintiere in verschiedenen Ställen in Sollstedt qualvoll verhungert oder verdurstet sind. Aufnahmen würden zeigen, wie Beauftragte der Van Asten Group das Grundstück über Tage hinweg begingen, Container zur Entsorgung der Tierkörper bereitgestellt wurden und mehrere hundert Tiere „in Nacht- und Nebelaktionen vom Grundstück abtransportiert“ wurden.

Indirekt werfen die PETA-Aktivisten dem Nordhäuser Veterinäramt vor, von den Vorgängen in Sollstedt gewusst zu haben, weil Vertreter des Amtes von Zeugen vor Ort gesehen wurden. „Die Betriebsleitung hat das Veterinäramt informiert, das Veterinäramt war vor Ort und prüft derzeit den Sachverhalt im Hinblick auf mögliche tierschutzrechtliche Verstöße und Vergehen gegen die gesetzlichen Regelungen zur Tierkörperbeseitigung“, schreibt das Veterinäramt dazu auf Nachfrage der nnz. Auch über die Anzahl der verendeten Schafe könne das Amt keine Aussagen treffen, heißt es weiter.

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Mutterunternehmen der Agrar Sollstedt GmbH & Co KG, die Van Asten Group, den Fall also schon vorgebracht. In deren eigener Stellungnahme liest sich das folgendermaßen: „Der Schäfermeister war zuletzt nachlässig mit der Dokumentation der Bestandszahlen unserer Schafherde umgegangen. In der Bestandsdokumentation wurden falsche Angaben eingetragen, die keine klaren Aussagen über die Zahl der Tiere und die Verfassung der Herde zuließen. Weiterhin räumte er eine unsachgemäße Lagerung von verendeten Tieren ein. Daraufhin hat die Geschäftsführung unverzüglich das Veterinäramt des Landkreises Nordhausen informiert und zur Klärung des weiteren Vorgehens hinzugezogen. In kurzfristiger Absprache mit der zuständigen Stelle sowie der Betriebsleitung wurden der Sachverhalt umgehend aufgearbeitet und die verendeten Tiere sowie die eingestreute Mistmatte fachgerecht entsorgt.“

Diese Aufnahme soll angeblich den Abtransport der verendeten Schafe zeigen (Foto: PETA) Diese Aufnahme soll angeblich den Abtransport der verendeten Schafe zeigen (Foto: PETA)
Nachdem PETA die verschiedenen Aufnahmen zugespielt wurden, erstattete die Tierrechtsorganisation Strafanzeige gegen Van Asten und den zuständigen Schäfermeister. „Es ist unfassbar, dass sich das Tierleid direkt vor den Augen des zuständigen Schäfermeisters abgespielt hat. Hunderte Schafe sind über mehrere Wochen hinweg verhungert oder verdurstet – bei einem Unternehmen, das schon in der Vergangenheit tierschutzrechtlich auffällig geworden ist“, so Agrarwissenschaftlerin Lisa Kainz, PETAs Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie. „Wir fordern ein sofortiges Tierhalteverbot für Van Asten, damit diese Firma nie wieder ein Tier quält oder tötet.“

Diese Darstellung weisen die Schweinezüchter von der Nordhäuser Darre entschieden zurück und teilen ihrerseits mit, dass sie sich „bezüglich des von Peta veröffentlichen Artikels rechtliche Schritte“ vorbehalten werden.

Auch das Nordhäuser Veterinäramt ist über die Anschuldigungen der Tierrechtler nicht amüsiert und stellt fest, dass die Schilderungen nicht der Wahrheit entsprächen und das Amt die PETA-Vorwürfe nicht bestätigen könne. Jedoch geht auch aus den Statements der beiden Beschuldigten hervor, dass es zu massiven Tierrechtsverstößen gekommen sein muss, denn Van Asten stellt klar: „Mitte April hat sich der verantwortliche Schäfermeister zu einigen Verfehlungen gegenüber der Geschäftsführung bekannt. Daraufhin wurde die Zusammenarbeit mit ihm beendet.“

Auf die „Verfehlungen“ weisen auch die ergriffenen Maßnahmen des Amtes hin. Landratssprecherin Jessica Piper erläutert: „Die Betriebsleitung hat Mitte April für die erforderliche fachgerechte Tierkörperbeseitigung, die Räumung des Stalls und die Unterbringung der Schafe in einem anderen Stall im Landkreis Nordhausen gesorgt. In dem Stall in Sollstedt werden derzeit keine Tiere mehr gehalten. Die Tiere sind jetzt an einem anderen Ort untergebracht. Der derzeitige Schafbestand wird fachgerecht versorgt und tierschutzgerecht gehalten. Er steht unter regelmäßiger tierärztlicher Betreuung und Behandlung. Es besteht keine Gefahr für das Wohl des Schafbestandes.“

PETA hatte auch das Nordhäuser Amt scharf angegriffen. Veterinäramt und Van Asten seien für tierfeindliches Verhalten bekannt und im diesjährigen Veterinäramtsranking wäre das Kreisveterinäramt Nordhausen unter den Top 5 der tierfeindlichsten Veterinärbehörden Deutschlands gelandet. Die Behörde hätte in der Vergangenheit mehrere Mißstandsmeldungen verharmlost und nach Ansicht der Organisation nicht die Tiere, sondern deren Halter geschützt.

Zeugen in Sollstedt besagen aber, dass durch das Eingreifen des Veterinäramtes die fachgerechte Entsorgung der toten Tiere erst in die Wege geleitet wurde. Nach offizieller Aussage des Amtes haben die bisherigen Untersuchungen von verstorbenen Tieren keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass die Tiere verhungert oder verdurstet sind. Ebenso gäbe es keine Hinweis auf eine Tierseuche im Bestand.

Woran die vielen Tiere nun aber verstorben sind und um welche Anzahl es sich handelt, kann das Veterinäramt bisher nicht abschließend sagen. Das Unternehmen Van Asten teilt außerdem mit, es habe in Absprache mit dem Veterinäramt und weiteren Schafexperten beschlossen, die Schafherde aus Sollstedt nach Nordhausen zu überführen.

„Anschließend wurde die Herde von Tierärzten untersucht und verendete Schafe zur Sektion ins Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz in Bad Langensalza eingeschickt. Es konnte ein allgemein erhöhtes Maß an Krankheitserregern festgestellt werden, im Nachgang konnte eine meldepflichtige Seuche ausgeschlossen werden. Die örtliche Versorgung mit Futter und Wasser war zu jedem Zeitpunkt gegeben.“

Die Schafherde der Agrar Sollstedt befindet sich weiterhin in Nordhausen in ihrem Winterstall, dort werden bald einige Mutterschafe ihre Lämmer gebären, unterrichte uns die Firma. Nach der coronabedingt verschobenen Schafschur, die in den nächsten Tagen erfolgen soll, kommt die Herde wieder auf ihre Sommerweide.

Warum der ausgezeichneter Schäfer, der in Sollstedt verantwortlich war, so unprofessionell mit der Herde umgangen ist, bleibt ein weites Feld der Spekulation.
Olaf Schulze
Autor: osch

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