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Stadtwald Harz Rigi im Wandel

Es war einmal ein Wald

Freitag, 15. Januar 2021, 15:04 Uhr
Die letzten Jahre haben auch dem Nordhäuser Stadtwald bei Harz Rigi schwer zugesetzt. Die Folgen sind inzwischen sichtbarer denn je, von Teilen des Wäldchens verbleibt nicht viel mehr als kahle Fläche von Gestrüpp und Baumstümpfen…

Kahlschlag bei Harz Rigi (Foto: agl) Kahlschlag bei Harz Rigi (Foto: agl)

Kurz nach dem Neujahr Jahr sollte es mit Kind und Kegel an die frische Luft gehen, nicht zu weit weg, schließlich gibt es auch vor der Haustür schöne Ecken. Die Wahl fiel auf eine kleine Waldwanderung durch Harz Rigi und dann weiter zum Borntal. Das kleine Wäldchen unterhalb von Petersdorf ist nur zu vertraut, sowohl aus der eigenen Kindheit als auch von diversen Nachtwanderungen mit dem eigenen Nachwuchs, auf die sich Groß wie Klein einmal im Jahr freuen konnten.

Vom „Wald“ ist bei Harz Rigi, das wird nach ein paar Metern Fußmarsch schnell klar, nicht mehr viel übrig. Kahlschlag auf weiter Fläche. Die Gründe dafür sind nicht schwer zu erraten und werden so auch von der Stadtverwaltung bestätigt: Trockenheit und Borkenkäfer haben dem Fichtenbestand des kleinen Stadtwäldchens derart zugesetzt, dass man handeln musste.

Bereits 2019 hatte man drastische Einschnitte angekündigt, um den Verlust der gesamten Waldfläche entgegenzuwirken. Rund 1.700 Quadratmeter Schadholz holte man damals aus dem Wald und plante die Aufforstung, vor allem mit Eichen.

Einschlag unterhalb Dr. Silberborths Grabstätte (Foto: agl) Einschlag unterhalb Dr. Silberborths Grabstätte (Foto: agl)


Die Bilanz nach 2020 sieht trotz aller Bemühungen düster aus: 830 Kubikmeter „Totalausfall“ durch Dürre und Käfer und ein Wald, der eigentlich keiner mehr ist, eher eine Ansammlung einzelner Gehölzinseln. Der Verlust von Flora hat auch Auswirkungen auf die Fauna und das allgemeine Gefüge an dem Petersdorfer Hang: Brutplätze und Rückzugsräume für Waldtiere gehen verloren, die Bodenerosion nimmt zu und das Mikroklima verändert sich. Die ohnehin etwas in die Jahre gekommenen Hinweisschilder zum Waldlehrpfad wird man sobald nicht mehr brauchen.

Und wahrscheinlich war der letztjährige Einschlag noch nicht das Ende. Selbst der Laie dürfte beim Blick in die verbliebenen Baumkronen erkennen, dass hier noch manchen Kandidaten die Axt erwartet. Vom Wegesrand aus versperren einige Baumreihen fassadenhaft den Blick in die tieferen Gefilde, beim Rundgang wird dann aber deutlich, dass auch hier einige Lücken gerissen wurden.

Die Zukunftsbäume
Und das mit gutem Grund, darf man annehmen. Die Probleme im Wald beschränken sich nicht auf das kleine Gehölz, im gesamten Südharz sind ähnliche Entwicklungen zu beobachten und die Forstwirtschaft schiebt, seit mehreren Jahren schon, Überstunden um zu retten was zu retten ist. „Waldumbau“ ist das Stichwort, dass man nicht nur im Südharz im Munde führt und mit dem hat Nordhausen begonnen.

Neupflanzung mit Schutzhüllen (Foto: agl) Neupflanzung mit Schutzhüllen (Foto: agl)


Rund 6.500 Bäume hat man zwischen Petersdorf und Windlücke pflanzen lassen, teilt die Stadtverwaltung mit, 1.700 Linden und 4.275 Eichen. Bei Harz Rigi brachte man zudem 250 Douglasien, 250 Weißtannen, 250 Vogelkirschen und 250 Bergahorn im Abstand von je 2,50 Meter in die Erde und umgab die Neulinge zum Schutz mit 1.000 „Wuchshülsen“.

Der Stadtrat hatte im März vergangenen Jahres zudem das Projekt „Zukunftsbäume“ angestoßen: für jedes neugeborene Nordhäuser Kind sollte ein Baum gepflanzt werden. Für das Jahr 2019 kamen so rückwirkend 329 kleine Bäume verschiedenster Art zusammen, die im Dezember gepflanzt wurden. Noch einmal 700 Bäume sponserte die Kreissparkasse über den „StadtgrünFonds“ im Rahmen der Initiative „Ein Baum für jedes Girokonto“. Für das Jahr 2021 ist die Aufforstung mit weiteren 4.100 Bäumen fest im Plan.

Harz Rigi ist nicht mehr das Wäldchen, dass man einmal kannte. Der Zustand darf als Menetekel dessen dienen, was die Region insgesamt noch erwarten dürfte, wenn sich die Umstände nicht bessern. Aber Harz Rigi kann auch ein Zeichen der Hoffnung sein, dass man gewillt ist sich der Herausforderung zu stellen. Es wird eine Weile dauern, Jahre wenn nicht Jahrzehnte, bis aus der jetzigen „Baumschule“ wieder ein echter Wald geworden ist, aber es wird geschehen. Nicht „es war einmal ein Wald“ sondern: „Es wird einmal ein Wald“.
Angelo Glashagel
Autor: red

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