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Nnz-Betrachtung zu Integration, Fakten und Modellprojekten

Flüchtlinge und neue Einladungen?

Sonnabend, 19. Dezember 2020, 12:52 Uhr
Der von den Linken im letzten Kreistag eingebrachte Antrag „Sicherer Hafen“ scheiterte. Er sah vor, über den Verteilerschlüssel hinaus Flüchtlinge aufzunehmen, unterzubringen und zu versorgen. Wir berichteten ausführlich. Auch Landrat Matthias Jendricke hielt neue Einladungen nicht für zielführend und bemerkte, man sollte sich stattdessen noch intensiver um die kümmern, die bereits hier seien...

Beleuchten wir die Sache einmal näher: Der Landkreis bemüht sich lobenswert um die Flüchtlinge, die hier wohnen. Das belegen Zahlen und Fakten, die uns Jessica Piper übermittelte, Pressesprecherin der Kreisverwaltung und Leiterin der Stabstelle Kommunikation, Kreistag, Wirtschaft und Tourismus. Aktuell leben im Landkreis Nordhausen rund 370 Flüchtlinge, darunter etwa 75 Minderjährige. Die Asylsuchenden leben etwa jeweils zur Hälfte in Gemeinschaftsunterkünften bzw. dezentral in Wohnungen. Die Zahl der Familien werde statistisch nicht erfasst.

Als eine Art „Ankunftseinrichtung“ fungiere die Gemeinschaftsunterkunft für Familien in Sülzhayn. Sie sind separat in Wohnungen mit Rückzugs -und Gemeinschaftsbereiche untergebracht. Der Landkreis hält es für Familien, die noch nicht lange in Deutschland sind, für hilfreich, wenn sie nicht sofort allein in einer Wohnung leben. Dienlich sei das auch der Zusammenarbeit mit Schulen und Kindertageseinrichtungen.

Unabhängig von der Art der Unterbringung erfahren alle Flüchtlinge eine Betreuung von Sozialarbeitern, die im Landratsamt beschäftigt sind als auch über beauftragte Träger wie den Schrankenlos Verein. Mittel stellt dafür das Land zur Verfügung. Helfen sollen Integrationskurse. Zu den Bildungsträgern, die unterschiedliche Arten von Deutschkursen anbieten, gehört die Kreisvolkshochschule: Integrations- und Berufssprachkurse. Sie bauen aufeinander auf.

Nach einer Erhebung im August sind seit 2015 gut 440 geflüchtete Menschen durch das Jobcenter, wo sie gemeldet waren oder sind, gefördert worden. Rund 500 Flüchtlinge, die Leistungen von Jobcentern bezogen, nahmen in dieser Zeit eine sozialversicherungspflichtige Ausbildung oder Arbeit auf. Mehr als 60 Prozent der Arbeitsaufnahmen erfolgten im Bereich der Zeitarbeit. Der Anteil an Helferberufen beläuft sich auf 75 Prozent. Zum Engagement des Landkreises für geflüchtete Menschen bzw. solchen mit Migrationshintergrund zählen auch das Netzwerk für diese Leute und das geförderte Integrationsmanagement im Landratsamt.

Außerdem nimmt der Landkreis Nordhausen als einer der ersten Landkreise deutschlandweit am Modellprojekt „Weltoffene Kommune – vom Dialog zum Zusammenhalt“ der Bertelsmann Stiftung und der Denkfabrik PHINEO teil. “Wir wollen damit auch ein Zeichen setzen gegen rechtsextreme Tendenzen, Rassismus und Populismus und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern“, sagt Landrat Matthias Jendricke.

Der Kreis Nordhausen mache den nächsten Schritt, eine weltoffene Kommune zu werden, meinen die Projektverantwortlichen von der Bertelsmann Stiftung, Samera Bartsch und Claudia Walther. Seine Erfahrungen stünden anderen Kommunen zur Verfügung. Insgesamt würden sich bis zu 40 Kommunen bis Ende 2021 am Modellprojekt beteiligen.

Angemerkt: Vielleicht waren für die Partei-Linken die Bemühungen des Landkreises und seines Chefs für eine bisher gelungene Integration der Anlass, den Antrag „Sicherer Hafen“ einzubringen. Demnach sollten über den Verteilerschlüssel hinaus zusätzlich neue Flüchtlinge aufgenommen, untergebracht und versorgt werden. „Wir schaffen das auch noch!“, sagte Heike Umbach, Linke Fraktionsvorsitzende, zwar nicht öffentlich, war aber über die Ablehnung des Ansinnens bitter enttäuscht.

Auf dem Weg zu einer weltoffenen Kommune steht dem Landkreis noch viel Arbeit ins Haus. Vor allem gilt es, die hier weilenden arbeitsfähigen Flüchtlinge alle in Lohn und Brot zu bringen, damit sie sich selbst erarbeiten, was sie zum Leben benötigen. Das würde die Akzeptanz in der Bevölkerung stärken.

Der Landkreis bemüht sich auf diesem Weg. Nach Kräften. Aber nicht um weitere Aufnahmen über Gebühr hinaus und auch nicht um jeden Preis. So verstehe ich Landrat Matthias Jendricke, wenn er neue Einladungen nicht für zielführend hält.
Kurt Frank
Autor: red

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