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Wölfin im Schafspelz?

Donnerstag, 15. Oktober 2020, 20:00 Uhr
"Miteinander reden", so ist die Thüringen-Tour von Umweltministerin Anja Siegesmund überschrieben. Heute redete die Grünen-Politikerin im Landkreis Nordhausen. Unter anderem bei Casea in Ellrich...

Anja Siegesmund lässt sich von Werkleiter André Nöller die Abläufe im Labor in Ellrich erklären. (Foto: nnz) Anja Siegesmund lässt sich von Werkleiter André Nöller die Abläufe im Labor in Ellrich erklären. (Foto: nnz)
Rohstoffabbau, Gips, Anhydrit - im Allgemeinen sind das Wörter, die bei Grünen eher die Nackenhaare zu Berge steigen lassen. Doch auf dieser einladenden Tour trafen die Vertreter der Remondis-Unternehmensgruppe vor allem auf eine neugierige, fast schon verständnisvolle und lächelnde Ministerin. Anja Siegesmund sprach mit einer Mitarbeiterin im Labor, erkundigte sich nach der Ausbildungssituation für junge Menschen und kramte mindestes dreimal ihr Smartphone aus der Tasche.

Aber nicht etwa, um damit zu telefonieren, sondern um anschaulich zu demonstrieren, dass man diese Teile schon ordentlich recyceln könne, zum Beispiel in "Kobalt oder seltene Erden", allerdings hapere es beim Gipsrecycling immer noch. Und so tastete sich Frau Siegesmund beim Werksrundgang und der Erkenntnis, dass Gips als E 516 unter anderem auch in Tofu zu finden, aber nicht zu schmecken sei, immer mehr an ihre eigentlichen Grundeinstellung heran, wenn es um die Endlichkeit natürlicher Ressourcen geht.

Im Leitstand des Ellricher Werkes gab sich dessen Leiter André Nöller die größte Mühe zu verdeutlichen, dass es nicht möglich sei, den grünpolitischen Wunsch nach mehr Recycling kurz- und vielleicht auch nicht mittelfristig zu erfüllen. Woran es liegt? Recycling von Gips aus nicht mehr benötigten gipshaltigen Produkten ist nicht nur extrem kompliziert, diese Produkte werden einfach nicht nachgefragt. Die Kunden der Gipsverarbeitenden Wirtschaft wollen im höchsten Fall den immer weniger werdenden Rea-Gips, vor allem aber wollen sie gern Naturgips. Zumindest die Casea-Kunden.

Remondis-Manager Löderbusch bat um eine Zeit für die Transformation hin zu mehr Recycling-Gips. (Foto: nnz) Remondis-Manager Löderbusch bat um eine Zeit für die Transformation hin zu mehr Recycling-Gips. (Foto: nnz)
Auch Remondis-Manager Silvio Löderbusch betonte im Rahmen einer Präsentation mehrfach, dass der Wiederverwertungswille der Industrie vorhanden sei, doch wenn zum Beispiel die Ablagerung von gipshaltigen Abfällen auf Deponien preiswerter sei als das Recyceln der einstmals eingesetzten Produkte, dann laufe immer noch was falsch. Die Schere zwischen politisch-ideologischem Wunschdenken und der praktischen Realität ist einfach ganz weit geöffnet. Da wird auch das Vorzeigeprojekt der Nordhäuser Hochschule unter dem Namen WIR nicht viel ändern, zumindest nicht heute und morgen.

Am Ende des Miteinanderredens stand der Wunsch von Löderbusch, die Politik in Persona der Ministerin solle der Industrie wenigstens eine Transferzeit für das Weg von Naturgips, Hin zum mehr Recycling einräumen. Zeit, in der wegen des wegfallenden Rea-Gipses eben immer noch Naturgips benötigt wird. Ja, auch da war wieder: das verständnisvolle Lächeln von Frau Siegesmund samt ihrem mitgereisten Stab. Bis dahin hätte es alles wunderbar sein können. Doch Anja Siegesmund schob dann noch hinterher: "Allerdings werden wir uns beim Winkelberg außergerichtlich nicht einigen". Da war sie dann, die Wölfin im sympathischen Schafspelz.
Peter-Stefan Greiner
Autor: psg

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