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Kreissparkasse

Die erste Demonstration nach 30 Jahren

Donnerstag, 08. Oktober 2020, 14:27 Uhr
Vor der Filiale der Nordhäuser Kreissparkasse rief die Gewerkschaft Verdi heute morgen die Mitarbeiter des Geldhauses zur demonstrativen Zusammenkunft. Es war die erste Demonstration dieser Art in 30 Jahren…

Das erste Aufbegehren seit 30 Jahren - Mitarbeiter der Nordhäuser Kreissparkasse demonstrierten heute vor dem Kino (Foto: agl) Das erste Aufbegehren seit 30 Jahren - Mitarbeiter der Nordhäuser Kreissparkasse demonstrierten heute vor dem Kino (Foto: agl)

Trillerpfeifen, Rasseln, Transparente - die Mitarbeiter der Kreissparkasse sahen sich heute zum ersten mal seit gut drei Jahrzehnten genötigt, ihrem Arbeitgeber demonstrativ entgegenzutreten. Hintergrund sind die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, bei denen auch das Gehaltsgefüge des Sparkassenverbundes diskutiert wird.

Stein des Anstoßes sind unter anderem geplante Eingriffe in die "SSZ", die Sparkassensonderzahlung, einer Art 13. Gehalt für Sparkassenangestellte. Das besteht aus einem fixen Teil und einem justierbaren Teil, führte der Bezirksvorstand der Gewerkschaft verdi, Matthias Marquardt aus. Anstatt über ein Anpassung des beweglichen Teils zu reden, hätte die Arbeitgeberseite Zugeständnisse grundsätzlich abgelehnt. Bevor Gespräche geführt werden könnten, müssten die Angestellten erst ihren Anteil zur Überwindung der Finanzkrise leisten, fasste Marquardt den Standpunkt der Gegenseite zusammen.

Gewerkschaftssekretärin Katrin Beerens (Foto: agl) Gewerkschaftssekretärin Katrin Beerens (Foto: agl) Die Arbeitgeberseite habe zu Beginn der ersten Verhandlungsrunde in Potsdam Anfang September trotz „Rekordzahlen“ im ersten Halbjahr ein düsteres Bild der Zukunft entworfen, erklärte Gewerkschaftssekretärin Katrin Beerens vor dem Nordhäuser Kino. Die Gewerkschaft habe zunächst einen anderen Lösungsweg angestrebt, will nun aber mit Maximalforderungen in die weiteren Verhandlungen gehen. Zum Paket gehören Lohnerhöhungen um 150 Euro für Angestellte und 100 Euro für Auszubildende, Entlastungstage, eine Verlängerung der Altersteilzeit und natürlich die Sonderzahlung. Außerdem will man um eine Angleichung der Arbeitszeit an die westlichen Bundesländer erkämpfen. Die sei längst überfällig, rief Beerens durch das Megaphon, wo die Kollegen im Osten 40 Stunden arbeiten seien es für den gleichen Lohn im Westen nur 39 Stunden. Das klinge erst einmal nicht nach einem großen Unterschied, summiere sich aber zusammen: auf rund sechs Arbeitstage im Jahr oder 180 Arbeitstage in den letzten 30 Jahren.

Die Aktion vor der Nordhäuser Sparkasse war auch dahingehend ein Novum, das hier zum ersten mal vor dem eigenen Haus demonstriert wurde. Weitere Demonstrationen sollen folgen, kündigten die Gewerkschafter an, man müsse jetzt Stärke zeigen und auch den Kollegen Mut machen, die sich heute noch nicht nach draußen getraut haben. Beerens stellte auch die Leistung der Angestellten während der Corona-Pandemie in den Vordergrund. Die Sicherung des Geldflusses mache die Mitarbeiter „unverzichtbar“ und „systemrelevant“. Vor kurzem hätte die Arbeitgeberseite ihren Angestellten noch für ihr Engagement gedankt. Die jetzige Position sei „unverschämt“.

In der Führungsebene der Kreissparkasse sieht man den Tarifverhandlungen eher gelassen entgegen. Bisher sei es immer darum gegangen wie hoch die Zuwächse ausfallen, nicht darum, dass jemand weniger bekomme, erklärte der Vertreter des Sparkassenvorstandes Sebastian Gräser der nnz. Er könne sich nicht vorstellen, dass es in dieser Verhandlungsrunde anders sein sollte.

Viel Einfluss hat man auf die Tarifverhandlungen am Südharzrand ohnehin nicht, auch die Leitungsebene im Haus müsse mit dem umgehen, was an anderer Stelle entschieden werde. Die Anpassung der Arbeitszeit sieht auch Gräser kritisch, macht aber eine gesellschaftliche Frage aus, die nicht allein die Sparkassen betrifft. "Düstere Zukunftsaussichten" sieht er nicht, wohl aber eine "sehr anspruchsvolle Zeit", in der sich die Niedrigzinspolitik festmauern werde. Die Erträge aus dem Kreditgeschäft fallen niedriger aus, damit müsse man umgehen und sich anpassen, was aber alle Banken in Europa treffe. In der Kreissparkasse versuche man auf die sich ändernde Situation auch personalpolitisch zu reagieren, sagt Gräser. Allerdings nicht mit Entlassungen sondern mit Zurückhaltung bei Neubesetzungen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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