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Wie eine Landkreis-Gemeinde vom schnellen Internet umzingelt wird

Knapp daneben ist doch vorbei

Donnerstag, 08. Oktober 2020, 11:55 Uhr
Zwischen Wolkramshausen und Wernrode haben Straßenbauarbeiten begonnen. Neugierige Wernröder fanden heraus, dass die Telekom Glasfaserkabel im Zuge des Breitbandausbaus verlegen wird. Diese freudige Nachricht ging im Ort herum wie ein Lauffeuer. Allerdings nicht übers Internet, denn dann wären heute vermutlich immer noch nicht alle Wernröder informiert…

Hoffnungsvolle Bauarbeiten erwiesen sich als Enttäuschung  (Foto: S.Ernst) Hoffnungsvolle Bauarbeiten erwiesen sich als Enttäuschung (Foto: S.Ernst)


Die Internetverbindung im Ort ist katastrophal, klagt auch Silvio Ernst, der ein Büro in Wernrode betreibt und viele Zeit mit Warten beim Absenden und Empfangen von e-mails oder beim Seitenaufbau einer Homepage verbringt. Anträge der Gemeinde für den Anschluss ans schnelle Netz sind längst gestellt und so wähnten sich die Wernröder am Ziel ihrer Wünsche.

„Wir frohlockten bereits ob des baldigen Anschlusses an das schnelle Internet. Doch weit gefehlt. Eine Nachfrage bei der Telekom und anschließend beim Landratsamt brachte schnell Ernüchterung und Unglaube“, schrieb Silvio Ernst der nnz.

Auf Nachfrage beim Telekommunikationskonzern wurde nämlich bekannt, dass ein Glasfaserkabel zum Sprengplatz der Firma Tauber Delaborierung und ein Kabel zum Affenpark Straußberg und dem Ferienpark Feuerkuppe gelegt werden soll. Wernrode wird also von Glasfaser-HighTech umzingelt, jedoch nicht bedient. Die Wernröder schauen, um im Bild zu bleiben, weiterhin in die Röhre und nicht ins Intertnet.

Grund genug für Heiko Karthäuser, den Ortsteilbürgermeister von Wernrode, bei seinem Landratsamt in Nordhausen nachzufragen, warum von Wolkramshausen aus ein Kabel in den Nachbarlandkreis verlegt wird, ohne seine auf dem Wege liegende Ortschaft zu berücksichtigen.

Die Antwort des bearbeitenden Mitarbeiters Ricardo Droescher vom Amt für
Kreisentwicklung und Wirtschaftsförderung  ist so erhellend wie frustrierend: „Uns ist bewusst, dass Wernrode zu den mit Breitband stark unterversorgten Regionen in der Stadt Bleicherode und im Landkreis gehört. Daher ist der Ort auch Bestandteil unseres bewilligten Breitbandförderprojektes des Bundes. Die Projektumsetzung ist allerdings kompliziert, bürokratisch sowie zeitaufwendig. Das ist bekanntlich ein generelles Problem in Deutschland und durch den Landkreis leider kaum zu beeinflussen (der Kyffhäuserkreis ist in diesem Verfahren Modellregion und daher weiter fortgeschritten).
Im Juli 2020 hat die Submission zu den finalen Angeboten stattgefunden. Es liegen nunmehr für alle ausgeschriebenen Gebiete, einschließlich Wernrode, Angebote vor. Nach weiteren erforderlichen Prüfungen und nach Vorlage der finalen Zuwendungsbescheide von Bund bzw. Land soll zeitnah der Zuschlag zum Ausbau erteilt werden. Durch eine Beschwerde des unterlegenen Bieters verzögert sich nun das Verfahren.“

Mit anderen Worten: Auch Wernrode ist vorgesehen im Bundesprojekt Breitbandausbau versorgt zu werden, muss aber jetzt noch auf ein Gerichtsurteil im Anbieterstreit warten. Wie lange das dauern wird, steht in den Sternen.

Weitere Auskünfte zum Zustandekommen der für Wernrode unerfreulichen Kabelverlegung kann uns Nadine Hampel aus dem Amt für Wirtschaftsförderung im Kyffhäuserkreis erteilen. Sie bestätigt der nnz, dass ihr Kreis als Modellregion seit 2016 mit einer Förderung vom Bund und dem Land Thüringen versehen ist, um den Breitbandausbau voranzutreiben. Das zuständige Thüringer Wirtschaftsministerium ist ebenso SPD-geführt wie der Kyffhäuser Landkreis und auch Frau Hampel gehört dieser Partei an, weshalb die Zusammenarbeit am Modellprojekt sehr harmonisch verlaufen ist. Nach der Ermittlung besonders unterversorgter Adressen im Landkreis erfolgte eine europaweite Ausschreibung, die als einziger Bieter die Deutsche Telekom gewann. Und so kam es zum Baubeginn auf der Strecke von Wolkramshausen, vorbei an den unterversorgten Wernrödern. Auch die Stadt Bleicherode als Eigner der Kreisstraße wurde lediglich über den Baubeginn informiert und nicht über sein inhaltliche Ausführung.

Also wird ein Kabel an Wernrode vorbeilaufen, dass an beiden Enden der Gemeinde Unternehmen mit schnellem Internet versorgt, die Haushalte der Bewohner aber nicht berücksichtigt, weil eine andere Ausführung des gleichen Förderprogramms von einem unterlegenen Bieter ausgebremst wird. Wie schrieb Herr Droescher so treffend: „ Die Projektumsetzung ist kompliziert, bürokratisch sowie zeitaufwendig. Das ist bekanntlich ein generelles Problem in Deutschland.“

Hoffnung sollte den Wernrödern der abschließende Satz aus dem Schreiben ihres Landratsamtes machen: „Es wird eine flächendeckende FTTB-Lösung mit Glasfaserausbau angestrebt. In der konkreten Planung für den Breitbandausbau ist es unser Ziel, das dringende „weiße Flecken“ (u.a. Wernrode) zuerst ausgebaut werden, wenn es die Netzplanung zulässt.“

Bleibt zu wünschen, dass es „die Netzplanung“ möglichst bald zulässt.

update:8.Oktober
Der im ersten Absatz erwähnte Affenwald Straußberg ist nicht Bestandteil der Förderung und kommt somit nicht in den Genuss eines kostenfreien Breitbandanschlusses. Die gegenüberliegende Gaststätte "Waldhaus"mit Hotelbetrieb wollte gern angeschlossen werden, was nach mehrmaligen Gesprächen des Betreibers mit dem Kyffhäuser Landkreis in der letzten Zeit auch ermöglicht worden wäre, allerdings auf eigene Kosten. Mit Schachtarbeiten entfielen auf den Besitzer der Gastronomie in diesem Falle rund 3 500 Euro an Eigenleistung. Der äußerte gegenüber der nnz sein Unverständnis, warum das nur zur Hälfte belegte Wohngebäude auf dem Grundstück Straußberg 5 aber einen kostenfreien Anschluss erhält.
Olaf Schulze
Autor: osch

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