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Kann die Harzquerbahn mit Wasserstoff betrieben werden?

Alte Bahn, neue Technik

Mittwoch, 23. September 2020, 18:45 Uhr
In der Diskussion um die Zukunft des Nahverkehrs in Nordhausen wirft der Landkreis eine weitere Idee in die Waagschale: die Harzquerbahn könnte in Zukunft mit Wasserstoffantrieb durch den Harz dampfen. Warum man die Notwendigkeit sieht und wie die Umsetzung aussehen könnte, darüber haben wir mit dem ÖPNV-Koordinator des Landratsamtes, Marcel Hardrath gesprochen…

Weißer Rauch statt schwarzer Qualm? - im Landkreis will man prüfen lassen ob die Harzquerbahn mit einem Wasserstoffantrieb ausgerüstet werden kann (Foto: nnz-Archiv) Weißer Rauch statt schwarzer Qualm? - im Landkreis will man prüfen lassen ob die Harzquerbahn mit einem Wasserstoffantrieb ausgerüstet werden kann (Foto: nnz-Archiv)

Es dröhnt die Pfeife in der Ferne, dunkle Schwaden ziehen über Baumwipfel und dann schnaubt sie heran, die Harzquerbahn, ein echtes Original, von Eisenbahnbegeisterten immer wieder imposant in Szene gesetzt, beliebt bei Groß und Klein aus Nah und Fern, jede Fahrt ein Erlebnis.

Im Landratsamt sähe man es gerne, wenn der Tourismusmagnet in die Zukunft gebracht werden könnte, ohne das die Nostalgie darunter zu leiden hat. Als gangbaren Weg dahin sieht man die Umrüstung auf einen Antrieb per Wasserstoff. Denn ganz unproblematisch ist die alte Technik nicht mehr, erläutert Marcel Hardrath, der im Landratsamt mit der Planung des ehrgeizigen Projektes betraut ist. Die anhaltende Trockenheit, die gerade dem Hochharz in den letzten Jahren schwer zugesetzt hat, machten die Fahrten der Dampflok zunehmend zum Risiko.

Die Bahn wird, wie ehedem, per Hand mit Kohle geheizt und das sorgt für Funkenflug, der sich nicht eben mit ausgetrockneten Waldflächen verträgt. Hinzu kommt der stark schwefelhaltige Ruß aus dem Schornstein, der dem Baumbestand ebenfalls wenig zuträglich ist. „Ein „Klimakiller“ sind die Bahnen nicht, dafür ist ihr Einfluss viel zu gering aber der Funkenflug ist ein echtes Problem. Erst vor kurzem hat es zwischen Schierke und dem Brocken wieder gebrannt. Wenn alles so bleibt wie es ist, kann es sein das die Bahn hier irgendwann gar nicht mehr fahren darf. Uns geht es also gar nicht so sehr darum, das Klima zu retten, sondern den Nationalpark und die Bahn als Tourismusmagneten für die Region zu erhalten“, sagt Hardrath. Dem nostalgischen Dampflok-Feeling wäre die Technik nicht abträglich. „Es fährt ja niemand mit der HSB weil die so schön dreckig ist, sondern wegen der besonderen Atmosphäre, dem Erlebnis. Das muss und würde erhalten bleiben, mit dem Unterschied das dass, was oben raus kommt, dann weiß statt schwarz ist und keine negativen Stoffe enthält.“

Die Technik
Am eigentlichen Wirkprinzip des Antriebes würde eine Umrüstung auf Wasserstoff nichts ändern. Wo heute Steinkohle aus dem mitgeführten Tender genutzt wird um Wasser zu erhitzen um damit Dampf zu erzeugen, würde man in Zukunft Wasserstoff in einem Tank mitführen. Die Befeuerung per Schaufel würde durch eine Injektionspumpe ersetzt, ähnlich wie sie in der Vergangenheit schon beim Betrieb mit Öl genutzt wurde.

ÖPNV-Koordinator Hardrath erläutert die Vorstellungen zur Umrüstung einer Dampflok (Foto: agl) ÖPNV-Koordinator Hardrath erläutert die Vorstellungen zur Umrüstung einer Dampflok (Foto: agl)

Frei von Herausforderungen ist das Vorhaben freilich nicht. Knackpunkt eins ist der Tender. Der fasst aktuell rund vier Tonnen Kohle und ermöglicht Reichweiten von rund 160 Kilometern. Ein Wasserstofftank müsste größer ausfallen und ein Fassungsvermögen zwischen 19 und 24 Kubikmetern aufweisen, um die bisherige Reichweite zu halten. Die Gefahren, die von einem Wasserstofftank ausgehen könnten, seien relativ gering, die Druckbehälter sind schon jetzt in verschiedenen Fahrzeugen im Testeinsatz, unter anderem auch bei den Verkehrsbetrieben, sagt Hardrath.

Knackpunkt zwei: die Heizfläche. Bei der Kohlebefeuerung fällt die breit aus, da sich der Brennstoff auf dem Boden des Ofens verteilt. Für den Wasserstoffbetrieb wären viele kleine, verteilte Flammen nötig um diesen Effekt zu erzielen, was wiederum neue Steuerungs- und Wartungstechnik voraussetzt. Der Vorteil: die Befeuerung wäre exakter zu steuern, da der Druck feiner justiert werden könnte.

Knackpunkt drei: der Strom und die nötige Infrastruktur. Wasserstoff wird durch Elektrolyse gewonnen, für die man wiederum Strom braucht. Der sollte nach Möglichkeit aus regionalen Quellen stammen, allen voran aus regenerativer Energie. Als Zwischenspeicher für überschüssigen Sonnen- oder Windstrom ist das Verfahren immer wieder im Gespräch, können die Anlagen keinen Strom ins Netz einspeisen, würden sie nicht stillstehen sondern Wasserstoff herstellen. Dazu wäre auch eine Nutzung der Pumpspeicherkraftwerke im Harz denkbar, meint Hardrath, da deren Leistung bis dato nur zu Spitzenlastzeiten abgerufen werde.

Alles ist eins
Geht es nach den Vorstellungen des Landkreises, würde eine entsprechende Tankstelle am HSB-Bahnhof in Nordhausen entstehen, die dann nicht nur von der Wasserstoff-Dampflok genutzt werden könnte, sondern auch von Bussen oder Hybrid-Straßenbahnen. Und hier greift eins ins andere. Will man die Tankstelle wirtschaftlich betreiben, muss die Auslastung stimmen und das wäre allein mit der Wasserstoff-Lok nicht zu schaffen. Also wäre die vom Landrat seit langem propagierte „Linie 20“, die das Netz der HSB mit dem der Nordhäuser Straßenbahn direkt verbinden soll, eine wünschenswerte Ergänzung. „Auf den Bahngleisen fahren seit bald zwanzig Jahren die „Combino“-Hybrid-Straßenbahnen mit Dieselaggregaten, die nichts anderes tun, als Strom zu erzeugen. Spätestens 2030 muss der Fuhrpark erneuert werden und damit sollte man nicht erst zwei Jahre vor der Frist anfangen. Wir schlagen deshalb vor, auch die Straßenbahnen rechtzeitig auf Wasserstofftechnik umzurüsten“. Dem entgegen steht die Stadtverwaltung, in deren Hoheit der Betrieb der Nordhäuser Straßenbahn liegt. Der Stadtrat hat die Schaffung einer „Linie 20“ zwar nicht kategorisch abgelehnt, aber bisher auch kein grünes Licht gegeben. In einem selbst veröffentlichtem Interview zeigte sich Oberbürgermeister Buchmann zudem skeptisch, dass eine Wasserstoff-Straßenbahn in naher Zukunft überhaupt vorstellbar sei, die Technik stecke noch „in den Kinderschuhen“.

Dem widerspricht Hardrath: „Aus den Kinderschuhen ist die Technik lange raus. Im Zillertal und im Schwarzatal fahren heute Triebwagen mit Wasserstoffantrieb und es gibt keinen Grund, warum sich das System nicht auch auf Straßenbahnen übertragen lassen sollte.“ Tatsächlich absolvierte die Brennstoffzellen-Bahn im Schwarzatal ihre Jungfernfahrt bereits im Februar vergangenen Jahres. „Die Welt hält nicht an, weil wir das wollen und ich denke wenn wir hier in Technologie investieren statt einfach am Alten festzuhalten, wenn wir es schaffen, das Alte mit dem Neuen zu ergänzen, dann kann das auch ein Alleinstellungsmerkmal für die Region und ihre Unternehmen werden“.

Wenn denn alles so zusammenkommt, wie man sich das vorstellt. Im Moment gestaltet sich der „Fahrplan“ wie folgt: Ende Oktober will der Landkreis eine Forschungseinrichtung mit einer Machbarkeitsstudie beauftragen, das könnte auch die Nordhäuser Hochschule sein. Fest steht das aber noch nicht, die Studie wird erst noch öffentlich ausgeschrieben. Kostenpunkt: 60.000 Euro. Die nötigen Mittel bekommt man zu 80% aus Fördermitteln des Landes, die verbleibenden 12.000 Euro würde die HSB beisteuern. Mit einem Ergebnis rechnet man bis zum März 2021. „Machbar ist es. Was wir brauchen ist eine konkrete Kostenschätzung. Außerdem müssen Fragen zu Platzkapazitäten, Einspeisung, Heizverhalten und zum Aufbau der Infrastruktur geklärt werden.“, sagt der Verwaltungsmitarbeiter. Fällt die Analyse positiv aus, würde man eine alte, zur Zeit nicht in Betrieb stehende Dampflok umrüsten, was sich bis in das Jahr 2023 hinziehen könnte. Mit einer Jungfernfahrt wäre dann nicht vor 2024 zu rechnen, was aber mit dem Aufbau der „Linie 20“ zusammenfallen würde, so dies denn geschehen kann.

Auf dem Weg liegen einige Unwägbarkeiten, allen voran das Schicksal der Straßenbahn und der "Linie 20". Eine Entscheidung zur Übergabe an den Landkreis wurde im letzten Stadtrat erst einmal vertagt, den Stadträten war die Informationsdecke zu möglichen Folgen zu dünn. Im Landratsamt versucht man dennoch die ambitionierten Ideen anzuschieben. Nachdem man am vergangenen Freitag angekündigt hatte, ohne eigentliche Zuständigkeit die letzte Chance zu nutzen um beim Land Interesse an Fördermitteln anzumelden, seien die entsprechenden Unterlagen rausgegangen, berichtet Hardrath. Nun heißt es abwarten.
Angelo Glashagel
Autor: red

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