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Das Nordhäuser Krematorium bleibt geschlossen

Stillstand auf dem Friedhof

Freitag, 14. August 2020, 15:00 Uhr
Der Tod eines geliebten Menschen ist immer ein schwerer Schlag und doch alltäglich. Ebenso alltäglich war bis vor kurzem die Einäscherung Verstorbener. Aber die wird es in Nordhausen auf absehbare Zeit nicht mehr geben - das Krematorium auf dem Hauptfriedhof bedarf der Reparatur. Kommuniziert wurden die Probleme auf dem Friedhof bisher kaum, kritisiert jetzt ein Nordhäuser Bestatter…

Das Krematorium auf dem Nordhäuser Hauptfriedhof bleibt bis auf weiteres außer Betrieb (Foto: nnz-Archiv) Das Krematorium auf dem Nordhäuser Hauptfriedhof bleibt bis auf weiteres außer Betrieb (Foto: nnz-Archiv)

Gestorben wird immer, eingeäschert nicht mehr, zumindest nicht in Nordhausen. Seit März dieses Jahres ruht die Arbeit am Krematorium auf dem Hauptfriedhof, die Anlage ist dringend reparaturbedürftig. Der Umstand an sich ist für die Nordhäuser Bestatter wie Tobias Titulaer kein größeres Problem, es gibt Ausweichmöglichkeiten. Im Bestattunghaus Höfer, dem Titulaer vorsteht, nutzt man ein privates Krematorium in Kinderode, nahe Nohra.

Was Titualer ärgert, ist die Art und Weise, wie man in der Stadtverwaltung mit dem Thema umgeht. Anfang 2015 stand das Krematorium schon einmal vor dem Aus. Damals hieß es, die Anlage sei nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Das wollte man im Stadtrat so nicht einfach hinnehmen, vor allem Steffen Iffland (CDU) machte sich für einen Erhalt des Betriebes stark. In den Ratssitzungen kommt das Thema mehrfach zur Sprache, schließlich findet sich ein privater Betreiber, der bis dahin bereits die Wartung der Anlage übernommen hatte. Die Firma soll sich verpflichten, die Anlage wieder grundlegend in Schuss zu bringen, erinnert sich Iffland dieser Tage, ein entsprechender Beschluss des Stadtrates datiert auf den 01.07.2015.

Im Beschlusstext heißt es: Durch die IFZW GmbH & Co. KG in Zwickau wurde der Vorschlag unterbreitet, das Krematorium gemeinsam weiter zu betreiben. Vorgesehen ist, dass die IFZW GmbH & Co. KG die technischen Anlagen zur Verfügung stellt und diese langfristig für Versuche nutzen und optimieren kann. Eine Investition in die technischen Anlagen ist durch die  Stadt nicht erforderlich. Wartungs- und Reparaturarbeiten werden von der IFZW GmbH & Co. KG übernommen. […] Die IFZW GmbH & Co. KG ist ein leistungsstarkes Unternehmen und bietet die Gewähr, die vertraglichen Festlegungen während der Vertragslaufzeit zu erfüllen..

Die Anlage wird grundlegend repariert, so zumindest verstehen es die Nordhäuser Bestatter und auch Stadtrat Iffland. Letzterer vermutet nun, dass in den Verträgen, die von der damaligen Stadtverwaltung nach den Beschlüssen im Rat verhandelt wurden, von einer grundlegenden Reparatur keine Rede mehr gewesen sei und kündigt gegenüber der nnz an, noch einmal Einsicht in die Schriftstücke nehmen zu wollen.

Nach fünf Jahren, in denen offenbar nur „Flickschusterei“ betrieben wurde, sagt uns Iffland, ist der Ofen nun endgültig aus. Die Situation vor fünf Jahren sei eine andere gewesen, „damals sprachen wir über die Schließung eines im laufenden Betrieb stehenden Krematoriums“. Jetzt könne die Anlage schlicht nicht mehr arbeiten. Herr Titulaer wundert sich derweil, dass der Rat und die Stadtverwaltung in Sachen Krematorium jetzt so ruhig bleiben, wo man doch vor fünf Jahren noch kräftig getrommelt hat und den Betrieb unbedingt erhalten wollte.

Wird aus vorläufig endgültig?
Die Probleme auf dem Hauptfriedhof müssen mindestens seit März bekannt sein. Kurz vor der Stadtratssitzung am 07. Juli informiert die Stadtverwaltung schließlich die Nordhäuser Bestatter, dass sich die Schließung hinziehen wird und auf absehbare Zeit keine Sanierung möglich sei, da das Geld fehlt. „Sowohl vom Oberbürgermeister wie auch von der Bürgermeisterin hat es keinerlei Informationen für die Bevölkerung gegeben“, kritisiert Titulaer, die Folgen der Schließung haben die Bestatter den Hinterbliebenen darzulegen. Denn auch wenn das vorläufige Aus den Bestattungshäusern keine größeren Kopfschmerzen bereitet, hat sie doch Auswirkungen auf die weitere Stadtbevölkerung. Eine „Urnenanforderung von außerhalb“ ist laut Friedhofssatzung gebührenpflichtig, erklärt Titulaer. Solange die Einäscherungen auf dem Friedhof durchgeführt werden konnten, entfielen diese Gebühren, nun stehen sie in jedem Fall auf der Rechnung. Hinzu kommen gestiegene Transportkosten auf Seiten der Bestatter.

Dazu muss man wissen, dass der Betrieb von Krematorien wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterliegt, umsatzsteuerpflichtig ist und nicht zu den hoheitlichen Pflichtaufgaben der Kommune gehört. Eben aus diesem Grund diskutierte man im benachbarten Sondershausen seit geraumer Zeit die Schließung des dortigen Krematoriums. Bei etwas mehr als 400 Kremierungen im Jahr blieb der Betrieb bis zuletzt defizitär.

Seit bekannt wurde, dass das Krematorium in Nordhausen geschlossen ist, habe sein Bestattungshaus zahlreiche Anrufe von privaten Krematorien erhalten, die anboten die Nordhäuser Verstorbenen abzuholen und andernorts einzuäschern, berichtet Titulaer, was für ihn aber keine Option sei. „Meine Devise ist: wir nutzen das nächstliegende Krematorium und wir fahren selber. Dass die Verstorbenen in einem Lkw irgendwohin transportiert werden gibt es bei mir auf gar keinen Fall“. Die Verstorbenen habe man würdevoll zu behandeln, so wie sich das gehört, sagt Titulaer.

In Sondershausen soll sich inzwischen ein Interessent gefunden haben, der den Betrieb der bereits sanierten Anlage übernehmen könnte. Dass sich für das Nordhäuser Krematorium noch einmal ein privater Investor findet, daran hat Titulaer seine Zweifel. "Die Filteranlagen, die man hier braucht müssen nach Maß angefertigt werden, das ist nicht ganz preiswert.", sagt der Bestatter und fürchtet, dass die Schließung auf unbestimmte Zeit das endgültige Aus für das Nordhäuser Krematorium bedeuten könnte. Gerne hätte er dazu Antworten aus dem Rathaus gehabt, doch die bleiben aus. Gerne hätte er es gesehen, dass man die Bevölkerung über die Folgen der Schließung informiert, doch das geschieht nur in begrenztem Maße.

Die Stadtverwaltung weist auf Anfrage darauf hin, dass man die Öffentlichkeit in der Stadtratssitzung vom 01.07. über die Schließung informiert habe. Tatsächlich ist das Krematorium hier Thema. Im Live-Ticker der nnz hieß es dazu:

17.32 Uhr
Michael Mohr (Linke) möchte, dass das Thema Krematorium näher erläutert wird. Seit März diesen Jahres ist das Krematorium außer Betrieb. In der Haushaltsdiskussion für 2021 soll die Sanierung auf den Tisch kommen, in der aktuellen Lage könne man das Thema nicht aufs Tableau bringen


Auch bei den Kollegen von der gedruckten Zeitung steht nicht viel mehr zu lesen. Ein Detail, das im Live-Ticker untergeht, kann ergänzt werden: die Kosten für eine Sanierung werden auf 500.000 bis 1,2 Millionen Euro geschätzt. Ein Protokoll der Sitzung ist online noch nicht abrufbar. Die Information der Öffentlichkeit beschränkt sich also auf die anwesenden Stadträte, die Bestatter und diejenigen, die den Sitzungen des Rates aufmerksam folgen.

Quod erat demonstrandum
Das mag kritikwürdig sein, ist aber erst einmal unerheblich, schließlich gibt es die Presse, die nachfragen kann. Dass ein öffentliches Interesse am Bestattungswesen besteht, darf vorausgesetzt werden. Also haken wir am 29.07. nach. Es ist Urlaubszeit, sowohl in der Redaktion wie auch in der Stadtverwaltung und so erhalten wir die Antworten auf unsere Fragen erst am 13.08. Das magere Ergebnis der Anfrage spricht Bände.

Seit wann ist der Stadtverwaltung bekannt das der Ofen des Krematoriums reparaturbedürftig ist?

Keine Antwort.

Wie hoch wären die Kosten einer solchen Reparatur?

Keine Antwort.

Warum wurde die Öffentlichkeit nicht über die Verlängerung der Schließung informiert?

Antwort: Im Rahmen der 8. Sitzung des Stadtrates der Stadt Nordhausen wurde der Stadtrat sowie die Öffentlichkeit über den Sachverhalt informiert. Sie waren – wie Ihre Kollegen der TA – zugegen. [...] Darüber hinaus wurden die Bestattungsunternehmen über den Sachverhalt seitens der Friedhofsverwaltung informiert.

Kremierungen müssen nun andernorts vorgenommen werden. Für die Annahme von Urnen von "außerhalb" entfallen laut Satzung Gebühren. Sollen diese so bestehen bleiben, wenn vor Ort keine Möglichkeit der Kremierung mehr besteht?

Keine Antwort.

Wie lange soll das Krematorium geschlossen bleiben? Gibt es bereits Pläne zu einer möglichen Sanierung? Hätte eine solche Sanierung nicht durch den privaten Betreiber vorgenommen werden müssen?

Keine Antwort. Keine Antwort. Keine Antwort.

Für Titulaer ist es nicht das erste Mal, dass man von Seiten der Verwaltung weitestgehend außen vor gelassen wird. Bei der Sanierung der Trauerhalle sei zwar viel Geld in die Hand genommen worden, es sei aber auch zu „einer Fehlkonstruktion nach der anderen“ gekommen. Man habe „völlig am Bedarf vorbei geplant“. Den Rat derjenigen, welche die Räumlichkeiten nutzen sollen, hat man nicht gesucht. Erst zur Einweisung in die Technik wurden die Bestatter geladen und die äußerten berechtigte Kritik an Aufbau und Ausstattung. Zur offiziellen Einweihung der frisch sanierten Trauerhalle erfolgte dann keine Einladung, berichtet Titulaer. Nach Möglichkeit nutzt er nun lieber die hauseigene Trauerhalle und manch Kollege hält es ähnlich, ein Bestatter sei gerade dabei, eine eigene Halle einzurichten.

In Sachen Krematorium ist Stadtrat Iffland deutlich redseliger als die Verwaltung. Natürlich müsse man ein Interesse daran haben, den Betrieb perspektivisch wieder aufzunehmen, meint der. Drei Angebote seien eingeholt worden, die Kosten zwischen 500.000 und über einer Million Euro könne die Stadt im Moment aber nicht aufbringen. Schuld daran ist auch die Corona-Krise. Durch „Lockdown“ und Wirtschaftseinbruch entgehen der Kommune wichtige Einnahmen, viele Projekte, die notwendig wären und bereits geplant sind, liegen im Moment auf Eis. Und da das Krematorium nicht zu den pflichtigen Aufgaben gehört, bleiben die Tore erst einmal geschlossen. Mit Sondershausen habe es Verhandlungen gegeben, zu Ausmaß und Laufzeit könne er aber keine Angaben machen. Der Stadtrat hat Verständnis für die Entscheidung der Verwaltung, tappt aber in Detailfragen im Moment ebenso im Dunkeln, wie alle anderen auch.

Man sei auf ähnliche Art und Weise wie die Bestatter informiert worden, sagt Iffland und hat nun selber Fragen, speziell zum Betreiber des Krematoriums und den geschlossenen Verträgen. Die Gebührensatzung müsse in jedem Fall geändert werden, sagt der CDU-Stadtrat, man werde einen entsprechenden Antrag einbringen. Bis zur nächsten Sitzung des Stadtrates wird sich erst einmal nichts tun. Und die ist erst für den 16. September angesetzt.
Angelo Glashagel
Autor: red

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