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Verfassungsrichter gibt der AfD-Klage recht

Kein Paritätsgesetz zu Wahllisten in Thüringen

Mittwoch, 15. Juli 2020, 11:49 Uhr
Das Thüringer Verfassungsgericht hat heute in einem Grundsatzurteil entschieden, dass den zur Wahl antretenden Parteien die paritätische Besetzung ihrer Wahllisten mit Frauen und Männern per Gesetz nicht vorgeschrieben werden darf. Die von der rot-rot-grünen Regierung vorgesehene Paritätsregelung im Landeswahlgesetz ist damit nichtig…

Weil in den Parlamenten der Bundesländer mehr Männer als Frauen sitzen, wollte die Minderheitsregierung in Thüringen diesen ihrer Meinung nach frauendiskriminierenden Umstand per Gesetz ändern und ist jetzt damit vor Gericht gescheitert. Die AfD hatte in ihrer Klage argumentiert, dass durch die Paritätsregelung das Recht der Parteien beschnitten werde, selbst zu bestimmen, welche Kandidaten sie aufstellen wolen.
Thüringen ist damit das erste Bundesland, in dem eine solche juristische Bewertung getroffen wurde.

Die politische Bewertung in den Parteien des Thüringer Landtags fällt sehr unterschiedlich aus. Während die FDP mit dem Urteil ihren eigenen Gesetzentwurf bestätigt sieht, zeigten sich LINKE und GRÜNE enttäuscht.

Franziska Baum, justizpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, begrüßte die Entscheidung der Weimarer Verfassungsrichter, mit den Worten: „Die Haltung der FDP wird damit bestätigt. Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Paritätsregelung dem Grundgesetz widerspricht, nach dem keiner aufgrund seines Geschlechtes benachteiligt oder eben bevorzugt werden darf. Nichtsdestotrotz ist es weiterhin Aufgabe von Parteien und Gesellschaft, Vielfalt in der Politik zu fördern. Dass der Gesetzgeber aber die Geschlechterverteilung auf der Wahlliste vorschreibt, ist ein Eingriff in die Wahlfreiheit der Parteimitglieder.“

Die FDP-Fraktion hatte bereits zu Beginn der Legislaturperiode einen Gesetzentwurf im Thüringer Landtag eingereicht, um das Paritätsgesetz aufzuheben. Dieser Entwurf wird voraussichtlich am Freitag im Plenum diskutiert.

 Anders sieht das Susanne Hennig-Wellsow, Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag und LINKE-Landesvorsitzende in Thüringen: „Dieses Urteil ist eine Niederlage für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Politik und Parlamenten. Nichtsdestotrotz bleiben wir dabei und lassen nicht locker: Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Frauen auch in politischen Entscheidungsbereichen gleichberechtigt vertreten sind.“

Parität bedeutet keinesfalls eine Einschränkung von Demokratie, betont Hennig Wellsow und kündigt an, dass der Verfassungsausschuss des Landtags sich nun mit der Frage der Quotenregelung befassen werde.

Astrid Rothe-Beinlich, Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedauert ebenfalls die Entscheidung zum Paritätsgesetz: „Unser Ziel ist und bleibt eine gleichberechtigte Repräsentanz. Ohne gesetzliche Vorgaben kommen wir diesem Ziel derzeit jedoch nicht näher. Wir sind aber überzeugt: Nur wenn Frauen und Männer auch gleichermaßen in einem Parlament repräsentiert sind, wird echte Geschlechtergerechtigkeit erreicht. Gerade auf dem Gebiet der Gleichstellung hat in den vergangenen 30 Jahren eine deutliche Weiterentwicklung stattgefunden. Der Erfolg des Paritégesetzes in Frankreich zeigt uns ebenso wie die aktuelle Debatte, wie beispielsweise um die neue Gleichstellungsstrategie des Bundes oder die Forderung nach einer Quote auf Bundes-Ebene der CDU, dass ein Paritätsgesetz richtig und wichtig bleibt.“

Der justizpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Stefan Schard, kommentierte die Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichts so:
„Rot-Rot-Grün hat das richtige Ziel der Gleichberechtigung mit falschen Mitteln verfolgt und dabei elementare Verfassungsgrundsätze verletzt. Die Ignoranz gegenüber zahlreichen Warnungen, auch aus dem Wissenschaftlichen Dienst des Landtages, war erschreckend. Das Gericht hat dies korrigiert. Jeder Bürger muss unabhängig vom Geschlecht oder sonstigen Eigenschaften die Möglichkeit haben, sich auf ein Mandat zu bewerben. Die mit dem Gesetz einhergehende Einmischung in parteiliche Belange und die damit verbundene Aushöhlung parlamentarischer Strukturen war von Anfang an zum Scheitern verurteilt."
Olaf Schulze
Autor: red

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