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Taufe bei Schachtbau

Keine Angst vor Kollege Roboter

Freitag, 10. Juli 2020, 15:09 Uhr
Die neueste Kollegin bei Schachtbau Nordhausen heißt seit heute „Katrin“ und ist gute 10 mal 10 Meter groß. Der Schweißroboter soll Produktivität und Qualität erhöhen. Dass der Roboter dem Menschen die Arbeitsplätze streitig machen könnte, darum sorgt man sich im Werk nicht, im Gegenteil…

Vier Männer und eine neue "Kollegin" - Alexander Dorl, Florian Ostwald, Michael Große und Giso Gewalt (Foto: agl) Vier Männer und eine neue "Kollegin" - Alexander Dorl, Florian Ostwald, Michael Große und Giso Gewalt (Foto: agl)

„Wir sehen nur Chancen“, sagt Werkstattleiter Giso Gewalt, auf dem Weg zur Automatisierung habe man die Kollegen von Anfang an mitgenommen, anders gehe es nicht. „Wenn sie das nicht tun und sich so eine Maschine einfach hinstellen, dann passiert ein Jahr lang gar nichts“. Die Maschinenbauer haben es anders gemacht, bevor der erste Roboter zum Einsatz kam wurde das Team auf Reisen geschickt, Messebesuch. Sie sollten selbst sehen, was in Sachen Automatisierung möglich ist und kamen prompt mit konkreten Anschaffungswünschen zurück.

Das Ergebnis war ein Roboter zur Fertigung kleinerer Bauteile, den man nach einem Kollegen aus Fleisch und Blut taufte, „Hilmar“ dem „besten Schweißer im Ruhestand“. Bei einem Besuch bekam auch Kathrin Göring-Eckhardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, „Hilmar“ zu Gesicht und scherzte ob es denn auch „Mädels“ im Werk gebe. Die gab es nicht, dafür eine Einladung zur Einweihung des nächsten Roboters mit dem Versprechen diesem dann einen weiblichen Namen zu geben.

Taufpatin war heute die Grünen-Politikerin Katrhin Göring-Eckardt (Foto: agl) Taufpatin war heute die Grünen-Politikerin Katrhin Göring-Eckardt (Foto: agl) Gesagt, getan, nach zwei Wochen Probebetrieb und Schulung wurde heute das erste mal mit „Katrin“ gearbeitet und die ersten Bauteile nach eigenem Design hergestellt. Die versprochene Taufe übernahm die Namensgeberin gleich selbst. "Die Idee ist damals im Laufen entstanden und sollte mit einem Augenzwinkern verstanden werden.", sagt Göring-Eckhardt, neben der Begeisterung für die Technik sei es schön, die Leute vor Ort kennenzulernen, die dafür sorgen das die Wettbewerbsfähigkeit in Thüringen bleibt.

Mit allem Drum und Dran hat Katrin die Firma rund 500.000 Euro gekostet und wird nun Bauteile von bis zu zwei Metern Länge und zwei Tonnen Gewicht zusammenschweißen. Gearbeitet wird an zwei „Tischen“, die durch eine Wand voneinander getrennt sind. Vorne steht der Maschinenbediener und übernimmt die Bestückung, hinten schweißt der Roboter. Die Programmierer sitzen derweil im Büro und erarbeiten die Befehle für die nächsten Bauteile. Arbeiten, die sonst acht Stunden gedauert haben, könne man nun in knapp zwei Stunden durchführen, erklärt Werkstattleiter Gewalt. Der Roboter hat permanent zu tun, liefert gleichbleibend hohe Qualität, minimiert Ausschuss und die Kollegen müssen sich nicht mehr im Gefahrenbereich aufhalten.

„Das ist die erste Frau die auf mich hört“, scherzt Michael Große, der sich in die Programmierung der Maschine eingearbeitet hat und die Kollegen Florian Ostwald und Alexander Dorl, die am Roboter arbeiten werden, freuen sich das sie nicht mehr von Hand schweißen müssen, „Katrin“ sei eine echte Arbeitserleichterung.

"Katrin" hat rund 500.000 Euro gekostet und soll Produktivität, Qualität und Arbeitssicherheit erhöhen (Foto: agl) "Katrin" hat rund 500.000 Euro gekostet und soll Produktivität, Qualität und Arbeitssicherheit erhöhen (Foto: agl)

Der Trend zur Automatisierung in der Produktion ist nichts neues, in anderen Industriebereichen gehören Roboter schon lange zum Alltag. Beim Schachtbau gehe man jetzt weder voran noch ziehe man nach, erklärt Gewalt, bisher habe die Technik schlicht nicht zur Produktion in Nordhausen gepasst. Erst in den letzten Jahren habe die Sensorik einen Stand erreicht, der die Qualität liefern könne, die man erwarte und ermöglich intelligente Korrekturen im Prozess. „Die Technik passt jetzt zu uns“, sagt der Werkstattleiter.

Die Folgen der Corona-Krise sind derweil nicht spurlos am Werk vorübergegangen. Während die Sparten Bergbau und Stahlbrückenbau unter Volllast laufen, arbeite man im Maschinenbau noch mit halber Kraft, sagt der Geschäftsführer des Bereiches, André Ponndorf. Noch befinde man sich in „stürmischer See“ und müsse gut aufpassen aber auch der schlimmste Sturm ziehe einmal vorüber. „Es gibt immer ein Danach. Ich bin überzeugt davon, dass man gerade jetzt weiter auf die Wettbewerbsfähigkeit schauen muss und die Zeit nach Corona fest im Blick haben sollte.“, sagt Ponndorf.

Der nächste Schritt in Sachen Automatisierung ist bereits geplant, nach dem kleinen „Hilmar“ und der wuchtigen „Katrin“ steht ein 35 Meter langes „Roboterportal“ auf der Wunschliste des Werkes, mit dem Bauteile von bis zu 12 Metern Länge und 15 Tonnen Gewicht gefertigt werden sollen. Ein Namensgeber für den zukünftigen Kollegen steht aber noch nicht fest.
Angelo Glashagel
Autor: red

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