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nnz-Betrachtung zur Medienfinanzierung des Bundes

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing …

Sonntag, 05. Juli 2020, 18:00 Uhr
Die Bundesregierung will in den nächsten Jahren eine größere Summe Steuergelder an die großen privaten Medienkonzerne Deutschlands ausschütten. Das hat einen faden Beigeschmack, findet Olaf Schulze...

Gibt es bald Subventionen zum Erhalt der Pressevielfalt? (Foto: oas) Gibt es bald Subventionen zum Erhalt der Pressevielfalt? (Foto: oas)


Weltweit haben in den letzten Wochen, ausgehend von Artikeln im einstigen Vorzeigeblatt unabhängiger Meinungsäußerung (der New York Times), Journalisten die Abkehr von einem neutralen, sachlichen Journalismus im Hinblick auf eine klare politische „Haltung“ gefordert und damit für erhebliche Diskussionen um den Berufsstand gesorgt.

Jetzt haben die deutschen Regierungs-Fraktionen von CDU und SPD üppige Finanzierungshilfen der Bundesregierung für die großen Zeitungskonzerne in Deutschland angekündigt. Die Rede ist laut dpa von 20 Millionen in diesem und insgesamt 200 Millionen Euro in den nächsten Jahren. Die Begründung für diese Entscheidung ist die "Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen, -zeitschriften und Anzeigenblättern“. Mit den Geldern sollen „der Erhalt der Medienvielfalt und -verbreitung in Deutschland gesichert und der Journalismus gestärkt werden“, schreibt der SPIEGEL in seiner Online-Ausgabe.

Aus Mitteln des SPD-geführten Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hatte der Haushaltsausschuss im November einem anfänglichen Betrag von 40 Millionen Euro für dieses Jahr bereits zugestimmt, letztlich wurde das Projekt aber vertagt, um jetzt wieder auf der Tagesordnung zu erscheinen.

Die Verlage beklagen schon seit der Einführung des Mindestlohnes besonders die gestiegenen Kosten für die Zustellung ihrer Zeitungsexemplare. Im aktuellen Branchenbericht des Bundes Deutscher Zeitungsverleger („Zeitungszahlen 2019“) gehen die Verleger von 400 Millionen Euro jährlichen Zusatzkosten aus. Rund 100 000 Menschen arbeiten meist für den Mindestlohn als Zusteller für rund 10 Millionen Zeitungsexemplare, die deutschlandweit täglich in die Briefkästen gesteckt werden müssen.

Ursprünglich sollte die erste Tranche der neuen Subventionierung 100 Millionen Euro betragen. Die Zeitungsverleger hatten sofort angemerkt, dass die Summe nicht ausreichend sei, um die entstandenen finanziellen Engpässe zu beseitigen.

Ein Bundesministerium, so die Vorstellungen der Zeitungskonzerne, soll den Verlagen künftig regelmäßig eine beträchtliche Unterstützung gewähren. Dieses Bundesministerium ist derzeit ein Ministerium in einer großen Koalition und es wird von der SPD geführt. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist über ihre Firma „Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg)“ an vielen großen Tageszeitungen beteiligt. Beispielsweise an der „Sächsischen Zeitung“, der „Leipziger Volkszeitung“ oder der „Ostseezeitung“. Die beiden letztgenannten gehören (wie etwa auch die „Hannoversche Allgemeine“) der Verlagsgesellschaft Madsack. Unter den über 150 Unternehmen des Madsack-Konzern befindet sich auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Diese Zentralredaktion versorgt mehr als 50 Zeitungen in Deutschland mit überregionalen Artikeln aus Kultur, Sport, Wirtschaft und Politik. Größter Kommandantist des RND, und dadurch tonangebend, ist wiederum die SPD, die jetzt sowohl über das Konstrukt RND als auch über ihre direkte Beteiligung an vielen großen Zeitungen Einfluss auf Inhalte nehmen könnte.

Laut Wikipedia versorgt das RND „mehr als 50 Tageszeitungen mit einer täglichen Gesamtauflage von mehr als 2,3 Millionen Exemplaren mit überregionalen Inhalten. Das RND erreicht damit nach eigenen Angaben täglich etwa 7 Millionen Leser“.

Sollte die Finanzhilfe beschlossen werden, dann erhalten die SPD-Pressorgane vom SPD-Minister Hubertus Heil Steuergelder, um im Wettbewerb und somit auf dem Markt bestehen zu können. Das ist eine offene Subvention und könnte leicht als Eigeninteresse gedeutet werden, egal wie der Sachverhalt begründet wird. Eine solche Unterstützungszahlung begünstigt letztlich die Großkonzerne und die Partei als Eigentümer.

Die nutznießenden Zeitungen aber begeben sich so in eine (noch größere) Abhängigkeit von der Regierung. Eine freie, unabhängige Berichterstattung wird so zusätzlich zu der oben angeführten geforderten Beendigung unabhängiger Berichterstattung weiter erschwert.

Ähnlich unvereinbare Allianzen lassen sich im öffentlich-rechtlichen Fernehen beobachten. Dort gibt es schon seit Jahren einen umstrittenen (häufig und erfolglos angefochtenen) Rechercheverbund zwischen den gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten NDR und WDR und der privatrechtlichen „Süddeutschen Zeitung“. Es wird uns am Ende einer jeden gemeinsamen Recherche nicht verraten, ob die privat geführte Zeitungsredaktion die Arbeit der aus GEZ-Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Redaktionen erledigte oder ob die ARD-Angestellten den Redakteuren der „Süddeutschen“ die Arbeit abnahmen. Allerdings wäre der Streit über diese dubiose Verquickung hinfällig, wenn die „Süddeutsche Zeitung“ nun auch aus Staatsgeldern mitfinanziert wird.

Dabei ist es nicht so, dass die Bundesregierung in den letzten Jahren nicht schon einiges an Steuergeldern für große Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften ausgegeben hätte. Auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Mario Mieruch hin legte die Bundesregierung offen, dass sie seit 2015 an Werbekosten fast 185 Millionen Euro in den Bereichen Print, Online und TV überwiesen hat. Allein im letzten Jahr beliefen sich die Ausgaben auf eine neue Rekordsumme von 43.590.402,58 Euro.

Diese Gelder kämen zu der geplanten staatlichen Förderung noch hinzu. Wer alles in welcher Höhe davon profitieren soll, wurde bisher nicht bekannt. Der Kampf um die Fleischtöpfe dürfte allerdings längst entbrannt sein. Für eine neutrale, freie und unabhängige Medienlandschaft, wie sie in einer Demokratie eigentlich Standard sein sollte, ist der ganze Sachverhalt eher wenig förderlich.
Olaf Schulze
Autor: osch

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