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PROFI-FUSSBALL IN THÜRINGEN

Auf Wiedersehen

Dienstag, 30. Juni 2020, 11:32 Uhr
Auf Wiedersehen dem Profi-Fußball in Thüringen zu sagen, ist Realität. Der Abstieg von CZ Jena ist nicht mehr zu verhindern. Man muss aber auch darüber nachdenken, ob ein tschüss, bye-bye, hawedieehre, grüß Gott, hej-hej oder so nicht angebrachter und zielführender wäre. Jürgen Wiethoff denkt nach...

Leerer AKS-Hauptplatz (Foto: oas) Leerer AKS-Hauptplatz (Foto: oas)
Es gibt dafür keine Basis in Thüringen. Kein Milliardär, kein Großbetrieb, für den es ein Leichtes wäre, die nötigen Mittel für eine Profi-Elf zu sponsern und nebenbei auch zu kontrollieren, wie die gesponserten Millionen verwaltet werden.

Thüringen ist auch nicht NRW, wo dem Vernehmen nach das Land mal schnell mit 30 Millionen Euro einspringt, wenn ein Klub trotz Verbindungen zu Schlachthof und Gas in Nöten gerät. Dass es Menschen gibt, die Fußballspielern, Fans und den zahllosen am Fußball Interessierten etwas anderes vorgaukeln, ist, je nach Lage der Dinge, irgendwo zwischen Verbrechen, Vergehen und kaum verständlicher Sorglosigkeit angesiedelt.

Die Nackenschläge für diese Handlungsweise haben die Aktiven, vom Kind bis zu den Alten Herren (ob es inzwischen auch in einem Verein Fußball spielende Ältere Damen gibt, weiß ich nicht.) auszuhalten. Sie können nichts für die Verfehlungen ihrer jeweiligen Vorstände, haben aber außer sportlichen auch die finanziellen Verluste zu ertragen. Offenbar fällt den Fußball-Oberen keine gerechte Strafe für die Verursacher von Insolvenzen ein. Also zieht man der am besten platzierten Mannschaft einfach ein paar Punkte ab. Was will man sonst auch machen? Geldstrafen zu verhängen, ist ja bei Insolvenz sehr kontraproduktiv.

Schauen wir uns im Osten, also auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, um. Immerhin gibt es ja nun zwei Mannschaften (Hertha muss man hierbei unberücksichtigt lassen. Ist Bundesliga-Altkader.) in der ersten Bundesliga. Eine hat es aus fast eigener Kraft geschafft, die andere mit Hilfe eines Sponsors der Extraklasse, der auch schon in Österreich für Furore gesorgt hat. Ganz Sachsen und ein bundesweiter Teil der Fußballfreunde hat sich jahrelang gegen diese Mannschaft wegen ihres Sponsors gestellt.

Zwei Mannschaften aus dem Osten gibt es auch in der 2. Bundesliga. Die Eine allerdings ist de facto abgestiegen. Mannschaften aus Thüringen gibt es weder in der ersten noch in der zweiten Bundesliga.

Immerhin sieben Mannschaften aus dem Osten sind in der 3. Liga vertreten. Eine (die Einzige aus Thüringen) ist sicher abgestiegen, eine auf einem Abstiegsplatz und drei ganz knapp davor. Um den Aufstieg spielt zurzeit niemand.

Ende der Bilanz im eindeutig bezahlten oder auch Profi-Fußball. In der Grauzone der Regionalligen kann man keine Bilanz ziehen. Wer hier mit welcher Berechtigung für kleines oder großes Geld spielt? Vom Zuschauer ist das kaum zu beurteilen.

Apropos Zuschauer: Welcher Regionalliga-Verein kann von ein paar hundert Zuschauern bei den Heimspielen wirklich leben? Man fragt sich, wie das für die laufenden Kosten oder gar die Spielergehälter reichen soll. Und man staunte in Erfurt und Nordhausen nicht schlecht, dass die Vorstände offenbar in Addition und Subtraktion nicht mal den Abschluss der Grundschule geschafft hätten. Beide Insolvenzen waren schon vor Corona nicht mehr aufzuhalten.

Corona hat bewirkt, dass nun auch die höherklassigen Profi-Vereine und ihre Spieler darüber nachdenken (müssen), dass die Gelddruckmaschine Profi-Fußball in die Jahre gekommen ist. Wer sein Geld mit einem Talent und dann viel Training verdient, ist davon abhängig, dass sich Andere über sein Talent freuen und für´s Zugucken bezahlen. Ihm ist heute oft vollkommen egal, ob das der Zuschauer in Nordhausen, München, Madrid, Liverpool oder sonst wo auf der Welt tut. Mit Mitte 30 muss er sein Schäfchen im Trockenen haben. Am besten auch noch die Lämmchen für den eigenen Nachwuchs.

Stellen Sie sich vor, es ist Fußball und keiner geht hin. Ob wegen Corona, einer anderen Pandemie oder weil man im Gewirr von Sponsorenfehltritten, Hooligans, immer diskussionswürdigeren Schiedsrichterentscheidungen und VAR-Eingriffen, Spielerwanderungen, Diskussionen um Pyrotechnik usw. den Spaß daran verloren hat. Vielleicht hat der Fan ja eines Tages auch kein Geld mehr übrig für hohe Eintrittsgelder oder mehr als einen Bezahl-TV-Vertrag.

Der Spieler als Legionär? Am letzten Spieltag der 1. Bundesliga hat man noch einmal gesehen, wie unterschiedlich sich das auswirken kann. Da siegt der Tabellenerste auswärts 4:0 und verliert der Tabellenzweite zu Hause 0:4. Die Positionen der Mannschaften in der Tabelle standen vor Spielbeginn fest. Man sagt, ein kluges Pferd springt nur so hoch wie es muss. Der in der Heimat verwurzelte Fußballer spielt so gut, dass es dem Zuschauer Freude macht und dieser es für sein Eintrittsgeld (vor und nach Corona) auch erwarten kann. Wer will jetzt Wetten abschließen, welche Bundesligavereine eine weitere Saison ohne Zuschauer wie lange überleben?

Die Zeiten sind vorbei, wo man in Nordhausen zum Beispiel zum Fußball ging, weil die Brüder Eisfeld in ihrer (Fußball-) Freizeit die besten Brote gebacken haben, weil man Fritz Strasser als guten Arbeitskollegen kannte, weil man wissen wollte, wie es „Kombi“ Kleemann nach einem Foul eines DDR-Nationalmannschaftskickers ging, ob Kindervater wieder sicher einen Elfmeter verwandelte, Mittelläufer Kunze mal wieder geniale Pässe spielte und Stürmer Lutz Lindemann zum soundsovielten Mal ein schönes Tor schoss. Die Männer gehörten zur Region, waren mit ihrem Publikum verbunden.

Zugegeben ist, dass mit Einführung des Profi-Fußballes auf der Welt sich nach und nach der Kollege Fußballspieler auch in den unteren Klassen immer mehr in einen Kollegen verwandelte, der zwar einen Schreibtisch oder eine Werkbank hatte, aber deren Schubladeninhalte nicht kannte. Sicher ist auch, dass man nach einem Achtstundentag im Beruf für Hochleistungssport nicht mehr ausreichend trainieren kann. Das gilt für alle Sportarten.

Man muss sich regional darüber klar werden, welche Ziele man erreichen kann. Erst danach lohnt sich ein Nachdenken, welche Ziele man erreichen will. Hilfreich wäre in dem Zusammenhang ein klares Bekenntnis des DFB zur Trennung Amateure – Profis. Windelweiche Strukturen helfen weder den Einen noch den Anderen. Wie mehr als die zwei oben genannten Beispiele zeigen, ist Geld für dreieinhalb Profi-Klassen nicht vorhanden. Also sollte die 3. Liga die eindeutige Schnittstelle sein.

Die Regionalligen sind dann die Bundesligen der Amateure. Die Staffelsieger spielen, möglicherweise in einer einfachen Runde Jeder gegen Jeden auf neutralen Plätzen, den bundesdeutschen Amateurmeister aus. Dieser und der Tabellenzweite steigen in die 3. Liga auf. Verzichtet ein Verein auf den Aufstieg, rückt der nächste in der Tabelle nach. Schluss mit den Ungerechtigkeiten, dass diese oder jene Tabellenersten sofort aufsteigen, andere erst nach weiteren Qualifikationsspielen gegeneinander.

Namen von Pleitevereinen sind lange Zeit negativ belastet und schrecken künftige Sponsoren ab. Demzufolge ist eine Umbenennung immer sinnvoll. Die Vorstände von Pleitevereinen bekommen ihr (hoffentlich) gerechtes Urteil. Den Aktiven dieser Vereine muss man helfen. Einige davon stehen immer am Anfang, einige am Ende ihrer Karriere. Eine Strafe haben sie alle normalerweise nicht verdient. Wofür auch?

Weshalb sollen sie also als „Ergänzungsspieler“ zu anderen Vereinen wechseln müssen oder viele Klassen tiefer noch mal ganz von vorn anfangen? Das klingt sehr nach der letzten Stufe der Planwirtschaft alter Zeiten: Bestrafung der Unschuldigen.
Jürgen Wiethoff
Autor: red

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