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ANGEMERKT

Doch nur der schnelle Schuss?

Freitag, 26. Juni 2020, 12:00 Uhr
Er habe den Beitrag „Wild, Drückjagden und ein toter Hirsch“ in der nnz aufmerksam gelesen. Da es, wie es allenthalben der Deutsche Jagdverband hinausposaune, zuviel Wild gebe und es mehr Jäger brauche, überlege er, eventuell den Jagdschein zu erwerben. So könne er mithelfen, es zu reduzieren. Ich hielt das Ansinnen meines Bekannten für einen Scherz...

Ulrich Tischer ist Obmann für Hundewesen der Kreisjägerschaft. Sein spezielles Fachgebiet ist die Ausbildung von Jagd- und Schweißhunden für Jäger aus nah und fern. Aufgabe eines Schweißhundes ist es, angeschossenes Wild schnell aufzuspüren. Auf dem Bild war es ein verletzter Keiler, den Tischers Hündin ausmachte. Ein Fangschuss besiegelte sein Schicksal, (Foto: privat) Ulrich Tischer ist Obmann für Hundewesen der Kreisjägerschaft. Sein spezielles Fachgebiet ist die Ausbildung von Jagd- und Schweißhunden für Jäger aus nah und fern. Aufgabe eines Schweißhundes ist es, angeschossenes Wild schnell aufzuspüren. Auf dem Bild war es ein verletzter Keiler, den Tischers Hündin ausmachte. Ein Fangschuss besiegelte sein Schicksal, (Foto: privat)
Der aber hielt an dem Gedanken fest. Der Mann kann zwar Schwarzwild von Rotwild unterscheiden, hat aber ansonsten weder mit irgendwelchen jagdlichen noch mit naturkundlichen Belangen was am Hut. Ich bemerkte, er würde die hohen Prüfungsanforderungen nicht bestehen, auf die Ausbilder Klaus Thiemrodt aus Ilfeld großen Wert lege.

Er wolle, entgegnete er, den Jagdschein ja anderswo erwerben, wo es viel einfacher wäre. Seine Absicht sei es, sich bei einem Schnellkurs anzumelden und Urlaub zu nehmen. Nach 12 bis 15 Tagen habe er den Schein in der Tasche. Ich sollte nur mal im Internet nachsehen, welche Möglichkeiten es gibt.

Gefragt wird da: „Berufliche Situation erlaubt es nicht, sich über einen längeren Zeitraum auf den Jagdschein zu konzentrieren? Kein Problem!“ Es folgen Angebote für jedermann. In 12 bis 16 Tagen für Berufstätige, die über wenig Freizeit verfügen. Für Studenten hat man die Semesterferien im Blick, für Schüler höherer Klassen die Sommerferien. Als da sind Schnellkurse, Wochenend- und Ferienkurse.

Für die Jagdschule Abt in Echterdingen kann man sich das Kontaktformular ausdrucken und sich anmelden. Wie in anderen ihrer Schulen erhielten die Kursteilnehmer danach einen 200-Euro-Gutschein für den Kauf der Jagdwaffe in ihrem Jagdstadel. 15 Tage Kurs, von Montag bis Freitag. Direkt danach Prüfung und Schein. Wer nicht an festen Tagen teilnehmen könne, für den werde eine Lösung gefunden.

Irgendwelche jagdlichen Vorkenntnisse benötige man nicht. Auch bei der Jagdschule im Teutoburger Wald nicht. Ersichtlich sind die jeweiligen Termine: 12. bis 28. Juli, 9. bis 25. August. Und so weiter bis Jahresende. Buchung per Online. Wie in einer herkömmlichen Jagdschule habe die in Schnellkursen erworbene Erlaubnis volle Gültigkeit. Schließlich stünden ebenfalls erfahrene Jäger als Ausbilder zur Verfügung. Den Teilnehmern würden sie mit Rat und Tat zur Seite stehen. Zudem seien die Schießstände auch nicht von gestern.

Als alternativlos preisen die Macher bundesweit in den höchsten Tönen ihre Schnellkurse an. Da kommen nicht nur bei Nicht-Jägern Bedenken auf. Selbst gestandene und erfahrene Weidmänner haben ihre Zweifel, ob man in so relativ kurzer Zeit Jäger werden könne, der dem Weidwerk alle Ehre macht. Die neue Jagdlust, angefacht durch Äußerungen von Leuten aus dem Deutschen Jagdverband, sehen sie skeptisch. Angeblich könne in Deutschland jeder ohne besonderen qualitativen Nachweis eine derartige Schule eröffnen.

Ein Widerspruch an sich: Jagdschein für jeden, der zwar kaum Zeit, aber Lust und Laune habe. Schnellverfahren für Arbeitnehmer. Für Studenten den Jagdschein während der Sommersemester. Für Schüler höherer Klassen bleiben die Sommerferien. Man macht es jedem recht. Alles für Interessenten, deren Zeit knapp bemessen ist, die sich daher nicht für eine längere Zeit mit der Jagderlaubnis befassen können.

Woher, mit Verlaub, wollen diese „Jäger“ später die Zeit nehmen für die Naturschutzarbeit eines Weidmannes im weitesten Sinne? Um nur einiges zu nennen: Betreuung von Streuobstwiesen? Anfertigung, Anbringung und Wartung von Nisthilfen? Mithilfe beim Anlegen von Blühstreifen? Schaffung von Schutzgehölzen für Vögel? Fütterung, Hege und Pflege des Wildes?

Ob das „Sonntagsjäger“ bewerkstelligen? Ach ja, wir haben ja zuviel Wild. Eine Differenzierung zwischen wildreichen und wildärmeren Beständen, die eine unterschiedliche Bejagung in den Waldgebieten erfordern würden, ist in den Verlautbarungen nicht erkennbar. Man habe generell mehr Wild als es der deutsche Wald vertrage. Da brauche es mehr Jäger. Unbedingt! Und woher nimmt man die? Ganz einfach: aus Schnellkursen! Erfahrene und Weidmänner der alten Schule lehnen sie ab. Da gehe es doch eher um den schnellen Schuss. Flugs die Flinte geschultert, hinein in den Wald, hinauf auf den Hochsitz und warten, was vor den Lauf tritt.

Die Meinung des Vorsitzenden der Hegegemeinschaft Rotwild, Klaus Thiemrodt, zu dieser Problematik kennen wir. Auch die des Obmanns für Hundewesen. Auch er setzt auf eine solide Ausbildung. Ich kenne keinen Weidmann im Südharz, der Schnellverfahren zur Erlangung des Jagdscheins begrüßte. Vielleicht gibt es auch andere Auffassungen.

Auch ich bin, wie unser Leser und Botaniker Bodo Schwarzberg, noch keinem Jäger im Südharz mit fadem Beigeschmack begegnet. Ich war mit einem Hartmuth Bauer unterwegs, der sich unter anderem sehr um den Vogelschutz verdient machte. Leider ist er schon verstorben. Ich stand vor einem kleinen Feuchtbiotop für Amphibien, den ein anderer angelegt hatte. Ein weiterer brachte Nisthilfen für Turmfalken auf der Kalihalde Bleicherode an. Ich bewunderte das Können einer sympathischen Jagdhornbläserin und lernte die Arbeit eines Obmanns für Hundewesen schätzen.

Allerdings waren und sind es Weidmänner- und Frauen, die nicht in einem Schnellverfahren ihre Jagderlaubnis erwarben.
Kurt Frank
Autor: red

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