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IM GESPRÄCH MIT FORSTEXPERTEN KLAUS THIEMRODT

Wild, Drückjagden und ein toter Hirsch

Donnerstag, 18. Juni 2020, 15:00 Uhr
Klaus Thiemrodt ist studierter Forstingenieur, Vorsitzender der Hegegemeinschaft Rotwild und Leiter einer Jagdschule in Ilfeld. Vor allem aber ist er ein Mann klarer Worte, der mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält. Wir sprachen mit ihm...

Klaus Thiemrodt ist ein Mann offener Worte. Er hält seine Zunge nicht hinter den Zähnen, wenn es um Wahrheiten geht. (Foto: Kurt Frank) Klaus Thiemrodt ist ein Mann offener Worte. Er hält seine Zunge nicht hinter den Zähnen, wenn es um Wahrheiten geht. (Foto: Kurt Frank)
nnz: Wer und was weckte in Ihnen die Liebe zur Natur, Wald und Wild?

Klaus Thiemrodt: Es war mein 21 Jahre älterer Bruder Richard. Der ging gern auf Jagd. Richard lehrte mich als Kind an seiner Seite auf seinen Streifzügen die Achtung vor der Kreatur. Die Natur müsse man lieben, achten und schützen. Vor allem lag ihm ein weidgerechtes Handwerk am Herzen. Er prägte mich. Mit 18 erwarb ich den Jagdschein.

nnz: Sie betreiben in Ilfeld eine Jagdschule. Was bewog Sie dazu?

Klaus Thiemrodt: Vor zehn Jahren ging ich in den Ruhestand. Wer rastet, der rostet bekanntlich. So entschied ich mich für eine neue Aufgabe. Maßgebend für diese Entscheidung waren auch unschöne Erfahrungen. In meiner langjährigen Tätigkeit im Forst lernte ich Leute kennen, die sich zwar Jäger nannten, die ich aber als „Schwarze Schafe“ erlebte. Die gibt es auch heute. Leider mehr als genug. Vor allem junge Männer, die gerade die Jagderlaubnis in der Tasche hatten, gaben kein gutes Bild ab. Ihnen war, bemerkte ich, an schneller Beute eher gelegen als an einem weidgerechten Handwerk. Mein Anliegen ist es daher, interessierte Frauen und Männer auszubilden, die dem Weidwerk Ehre machen.

nnz: Wie viele Männer und Frauen durchliefen bisher Ihre Jagdschule, wie setzen sich die Kursteilnehmer zusammen und woher kommen sie?

Klaus Thiemrodt: 150 Männer und Frauen durchliefen sie bisher. Im Schnitt 12 bis 18 Teilnehmer pro Jahr. 80 Prozent Männer, 20 Prozent Frauen. Sie kommen aus allen Schichten der Bevölkerung. Aus dem Südharz, Eichsfeld, Kyffhäuser Kreis, Mansfelder Land, Wernigerode. Von der Krankenschwester bis zum Arzt ist alles dabei. Der nächste Lehrgang ist mit 20 Personen schon voll belegt.

nnz: In einigen Bundesländern kann man in Schnellkursen für gutes Geld die Jagderlaubnis erwerben. Was halten Sie davon?

Klaus Thiemrodt: Nichts! Schnellkurse bringen keinen soliden Weidmann oder -frau. Da steht wohl weniger das Erlebnis in der Natur, das man auch als Nicht-Jäger haben kann, als der schnelle Schuss mit der Beute im Vordergrund. Die Ausbildung in meiner Schule dauert sechs Monate. Von November bis Mai. 300 Stunden, davon 80 in der Praxis. Keiner meiner ehemaligen Schüler machte mir danach als Jäger bisher Schande. Das macht mich glücklich.

nnz: Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband fordert mehr Jäger, um mehr Wild zu schießen. Dem stehen andere Expertenmeinungen gegenüber. Ihre Meinung?

Klaus Thiemrodt: Wir brauchen nicht mehr Jäger. Wir brauchen eine gesunde Einstellung zum Wild, keinen Feldzug dagegen. Dem Wild alles in die Schuhe zu schieben, ist recht billig. Mit der These „Wald vor Wild“ kann ich mich auch nicht anfreunden. Wir neigen zum Extremen. Wald und Wild hat für mich als eine Einheit Priorität, im Einklang mit der Natur. So nahm ich noch nie an einer Drückjagd mit über 100 Jägern teil. Die enorme Knallerei ist Stress für das Wild, schadet dem Image der Jagd.

nnz: Beim Anblick eines Hochsitzes, die wir nicht nur an jeder Waldecke erblicken, kommen bei vielen Menschen anrüchige Gedanken auf. Er sei ein versteckter Schießplatz, um unschuldiges Wild zu meucheln. Was antworten Sie ihnen?

Klaus Tiemrodt: Die Meinung, der Hochsitz sei ein versteckter Schießplatz, ist nicht richtig. Richtig ist: Jedem Jäger sollte daran gelegen sein, den festen Ansitz zu nutzen, um das Wild in seinem Jagdrevier zu beobachten und aus dieser Beobachtung die richtigen Schlussfolgerungen für den Abschuss zu ziehen. Ein fußläufiger Jäger ist kein guter Jäger. Allerdings sollte mit den Hochsitzen Augenmaß gewahrt bleiben. Für jeden neu gebauten sollte der alte verschwinden.

nnz: Mitunter würden Bestände künstlich hochgehalten. Das größte Geweih, die stattlichste Trophäe stehe im Vordergrund, ist zu hören. Wie sehen Sie es?

Klaus Thiemrodt: Gott sei Dank klingt die „Trophäenzucht“, die einst ein Reichsjägermeister kreierte, ab. Sie findet keinerlei Akzeptanz in der Bevölkerung, zunehmend auch in der Jägerschaft.

nnz: Der in einem Teich bei Lipprechterode erschossene Hirsch erregte die Gemüter. Was ist aus dem Vorfall geworden?

Klaus Thiemrodt: Ein Bußgeldverfahren ist erfolgt. Die polizeilichen Ermittlungen laufen noch. Es wird noch geprüft, ob überhaupt geschossen werden durfte, zumal sich Angler am Teich befanden. Meine Meinung: Selbst wenn ein Tier verletzt ist, so geht Sicherheit für den Menschen immer vor. Letztlich aber hat der Vorfall dem Image der Jägerei hierzulande insgesamt geschadet.

nnz: Was liegt Ihnen als Vorsitzenden der Hegegemeinschaft Rotwild besonders am Herzen?

Klaus Thiemrodt: Am Herzen liegt mir, das Rotwild so zu bewirtschaften und zu achten, wie es das Wild verdient. Das Rotwild im Harz ist ein Kulturgut. Wir dürfen es keinem Wildhasser überlassen.

nnz: Was freut Sie als Mann der Natur und des Waldes besonders?

Klaus Thiemrodt: Zum Beispiel ein Patenschaftsvertrag mit der Grundschule in Ellrich. Dort gebe ich auch Unterricht. Ich habe da nicht vordergründig künftige Jäger im Blick, wenn auch die Jagd zur Natur gehört. Mein Anliegen ist es, bei den Kindern die Augen zu öffnen für das Schöne und Erhabene, was die Natur bietet und wie schützenswert sie mit ihren Lebewesen ist.

nnz: Was ärgert Sie, bereitet Sorgen?

Klaus Thiemrodt: Große Sorgen bereitet mir das Waldsterben, die Zerstörung der Natur. Ich ärgere mich über Menschen, die den Wald als Müllabladeplatz benutzen und über solche, die in jedem Jäger einen Menschen sehen, der das Wild hinterhältig meuchelt.

nnz: Herr Thiemrodt, wir danken für das Gespräch

Mit Klaus Thiemrodt unterhielt sich Kurt Frank
Autor: red

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