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Kritik des Verkehrsexperten Marcel Hardrath an den Bauplänen der SWG

Anwohnergarage und kein Parkhaus

Dienstag, 16. Juni 2020, 08:03 Uhr
Gestern Abend stellte die Städtische Wohnungsbaugesellschaft ihre Pläne für ein Parkhaus auf dem A.-Bebel-Platz vor. Dagegen regt sich ein ernstzunehmender Widerspruch in der Bevölkerung, wie auch der Forum-Beitrag von Marcel Hardrath verdeutlicht...

Ein wichtiger Punkt vorneweg, meine Anfrage zu den Kosten der verworfenen Planung des Parkhauses "Am Petersberg" gab es heute nicht, ebenso nicht zur Verantwortungsübernahme von Konzeptkosten, Grundstücksverkäufen, Kosten der Planungsphasen, Ausführungsplanung, Genehmigungen und schließlich der Ausschreibung der Tiefbauarbeiten. Allerdings wurde heute bekannt, dass bei einer Realisierung ca. 23.000 € pro Stellplatz bzw. 2.4 Millionen Euro für 104 Stellplätze (52 öffentlich, 52 Anwohnerplätze) enstanden wären. Während man oft Kritik an anderen Personen, nicht auskömmlicher Finanzierung von Seiten des Landes etc. aus dem Rathaus hört, fehlt hier weiter die Bereitschaft eigene Fehler einzuräumen.

Die Sitzung selbst folgte nicht dem vorgebenen Prozedere und dafür gilt mein Dank an den Ausschussvorsitzenden und die einzelnen Mitglieder, so wurde den Bürgern eingeräumt auch im Tagesordnungspunkt noch konkrete Anfragen zu stellen. Bis dahin war es jedoch ein langer Weg.... Es gab einen überlangen Vortrag zum Konzept und einem starkem Bezug zur Vergangenheit der Stadtplanung, allerdings nicht von Seiten der Stadt sondern durch die SWG. Man hat fast den Eindruck, dass die Stadtplanung in die SWG verlagert wurde und man dort sowohl die Altstadtsanierung, Ausweisung neuer Bebauungsgebiete und auch teilweise Verkehrsplanung aktiv betreibt und man sich anschließend mit den Fachämtern der Stadt Nordhausen nur noch abstimmt. Private Bauherrn haben solche Möglichkeiten wohl kaum.

Bei der Vorstellung des Parkhauses selbst gab es einige Punkte, die vorgestellt und für die Öffentlichkeit diskussionwürdig sind:

Es handelt sich nicht um ein öffentliches Parkhaus, sondern um eine Anwohnergarage mit ca. 160 Stellplätzen für Mieter und 26 Stellplätzen für die Allgemeinheit (bzw. als Mieterreserve).

Die Kosten pro Stellplatz liegen bei ca. 17.000 € pro Stellplatz bzw. 3.2 Millionen Euro für die gesamte Parkgarage.

Es gibt nur ein Treppenhaus und einen Fahrstuhl, um die Kosten kleinzuhalten. Dazu gibt es keine Pfeiler im Gebäude, drei Etagen, eine Auffahrt durch die Parkgarage von unten nach oben über alle Etagen. Im Gesamteindruck erinnert es mehr an eine kostenoptimierte Variante aus der Schublade, als eine städtebauliche Lösung für den größten Platz in der Stadt Nordhausen.

Die Parkgarage beansprucht 1/3 des bisherigen August-Bebel-Platz und der alte "Schotterparkplatz" bleibt für Pendler und Besucher erhalten (außer er ist mit Jahrmarkt, Zirkus belegt).

Die Zufahrt / Ausfahrt erfolgt gegenüber der Rolandstuben direkt in den Bereich einer Lichtsignalanlage, wo es bereits heute zu bestimmten Tageszeiten zu einem erhöhten Rückstau in Richtung Töpferstraße und Stolberger Straße kommt.

Keiner der anwesenden Bürger im Lesesaal (da saß ich) war begeistert oder äußerte Zustimmung, im Gegenteil wurde teils auch laut Kritik geäußert.

Anhand der vorliegenden Planung braucht dieses Konzept keine Verbindung oder Verknüpfung mit dem ÖPNV oder dem Fahrradverkehr. Es handelt sich um ein Konzept für Langzeitparkplätze / Anwohnerparken mit geringer Frequenz und kaum Nutzen für die Reduktion von Verkehr auf den anliegenden Achsen. Im Gegenteil ist sogar mit mehr Indivdualverkehr zu rechnen, sofern die Mieter hier "einziehen" und die Parkbuchten in der Innenstadt damit stärker frequentiert werden können.

Ich hatte heute mit mehr gerechnet und vor allem mit einem überzeugenden Vortrag. Im nun angestoßenen Beteiligungsprozess muss die Stadt selbst die Führung übernehmen (und nicht die SWG), wenn man die Anwohner überzeugen will, darf man keine Umfragen harsch kritisieren (unpassend vom OB heute) und muss auch bereit sein, ein Konzept solange anzupassen und teilweise auch auf den Kopf zu stellen, bis man eine Lösung für alle Beteiligten findet.

Dazu gehört aus meiner Sicht ein Gesamtkonzept für den Platz, sei es die Prüfung von Spielplatzanlagen, einem gepflegten Park zur Entschädigung für die Einschränkung des Ausblicks, eine Reduktion in der Höhe, eine andere Gestaltung der Ansicht z.B. in Kombination mit einem Markt und, aus meiner Sicht, vor allem dem Bau eines Parkhauses und keiner reinen Anwohnergarage zur Optimierung des Verkehrs. Und ein Konzept für mehr Straßenbahnnutzung, Fuß- und Radverkehr auf den kurzen und steilen Wegen unserer Stadt am Berg.
Marcel Hardrath
Anmerkung der Redaktion:
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Autor: red

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