nnz-online
BETRACHTET:

Ärger um weiße Tauben

Sonnabend, 30. Mai 2020, 19:10 Uhr
Was für ein Aufschrei, der nach dem Beitrag „Hundert weiße Tauben“ folgte. Letztlich war er derart laut, dass der Start abgeblasen wurde, worüber in einer Erklärung des Kirchenkreises drei Tage später zu lesen war...


Die Absicht des Südharzer Kirchenkreises war löblich. Weiße Tauben sind ein Symbol des Friedens, der Hoffnung, des Glücks. Dieses Zeichen wollte die Kirche setzen. Auf der Wiese vor der Basilika Münchenlohra sollten die Vögel starten. Ein wortgewaltiger Protest setzte ein, der bis Österreich zu hören war. Berechtigt? Ja und Nein. Aber überzogen, mitunter sachlich verwerflich.

Betrachten wir die Angelegenheit aus ornithologischen Gesichtspunkten. Im ersten Beitrag der Kirchengemeinde ist nur von weißen Tauben die Rede, die nach der Andacht als Friedensboten in den Himmel aufsteigen sollten, eine frohe Botschaft verkündend. Aber: Das Wort „weiß“ musste zwangsläufig Kritiker auf den Plan rufen. Zudem war das abgebildete Foto unglücklich gewählt, ließ es doch eher auf eine Ziertaube als auf eine Brieftaube schließen.

Die Taubenzüchter hätten die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Liana Köhn, unbedingt darauf hinweisen müssen, was kommen könnte. Denn:

Bei den weißen Tauben handelt es sich in der Regel um Ziertauben, die man zu bestimmten Zwecken züchtet. Zum Beispiel für Hochzeiten. Die Vermietung dieser Vögel ist für den Züchter mitunter ein lukratives Geschäft. Im Gegensatz zu den robusten Haus- oder Brieftauben sind sie in freier Wildbahn hilflos und ziehen die Aufmerksamkeit von Greifvögeln auf sich. Selbst eine geringe Flugstrecke von nur acht Kilometern kann für sie verhängnisvoll werden. Immer wieder ist zu hören, dass beherzte Passanten und Tierfreunde verirrte oder traumatisierte weiße Tauben aufnahmen.

Brieftauben hingegen haben im markanten Oberschnabel ein Ortungssystem. Es ermöglicht ihnen die Erzeugung einer so genannten „geomagnetischen Landkarte“. Selbst über hunderte Kilometer Entfernung finden sie sicher zum Heimatschlag zurück.

In der Erklärung zum Verzicht auf das Vorhaben war später in dieser Zeitung dann allerdings zu lesen, was im ersten Artikel zum Taubenstart hätte - unbedingt! - stehen und vermerkt werden müssen: Bei den weißen Tauben handelte es sich um antrainierte Brieftauben.

So formuliert, mit einer kurzen Bemerkung eines Züchters versehen, wäre der Start anstandslos erfolgt, jede kritische Bemerkung, sollte sie dennoch gekommen sein, gegenstandslos verhallt, hätte unter Ulk abgebucht werden können.
Kurt Frank
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2021 nnz-online.de