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Paul Schierholz: Das kann doch nicht sein!

Montag, 11. Mai 2020, 09:00 Uhr
Mitunter sind es kurze Sätze, die in Sitzungen der städtischen Ausschüsse fallen, die aber neugierig machen. So war es am Montagnachmittag im Ratssaal des Bürgerhauses...

Auf diesem Areal befinden sich die drei erwähnten Grundstücke (Foto: nnz) Auf diesem Areal befinden sich die drei erwähnten Grundstücke (Foto: nnz)
Jörg Prophet wollte während einer Ausschusssitzung wissen, wie es um das Baurecht einer Privatperson auf dem Gelände der künftigen Feuerwache in Nordhausen bestellt sei? "Hier habe es ein Missverständnis gegeben, entgegnete Bürgermeisterin Krauth. Bei dem Fall drehe es sich nicht um Baurecht, sondern um ein "eingeräumtes Vorkaufsrecht". Das greife im Fall des Feuerwehrneubaus aus Sicht der Stadtverwaltung nicht, da es sich bei der Übergabe des Geländes durch die SWG an die Stadt Nordhausen um eine Übertragung und nicht um einen Verkauf gehandelt habe." Soweit das Zitat aus dem nnz-Artikel vom Montagabend.

Bei genauerer Betrachtung dieser Aussage könnte es jedoch interessant werden. Die Recherche dazu beginnt im Jahr 1986. Entlang der Zorgestraße gehörten der Familie Schierholz eine Spedition und eine Tankstelle, letztere wurde vom VEB Minol betrieben. Konkret handelte es sich um die Grundstücke 13/61, 13/62 und 13/63, zusammen fast 1.600 Quadratmeter. Die allerdings wurden enteignet, Wohnungen sollten entstehen. Per Beschluss des damaligen Rates der Stadt wurde Familie Schierholz mitgeteilt, dass ihr das Eigentumsrecht zwecks Wohnungsbau entzogen werde. Datiert war das Schreiben auf den 13. März 1986.

Jedoch bereits drei Tage zuvor wurden den Mietern der auf den Grundstücken befindlichen Garagen seitens der Stadt die Kündigung schriftlich mitgeteilt. "Wir als Familie haben damals Klein beigegeben, da wir keine Chance in diesem damaligen Staat sahen, Recht zu bekommen", erzählt Paul Schierholz im Gespräch mit der nnz. Dann kam die Wende und die Möglichkeit, einiges an Unrecht zu korrigieren. Ein entsprechendes Gesetz machte es möglich.

Schierholz weiter: "Im Jahr 2005 wurde meiner Schwester und mir seitens der Stadt per Beschluss ein Vorkaufsrecht für die drei Grundstücke eingeräumt." Mehr noch: im Grundbuch wurde am 8. Juni 2005 eine Auflassungsvormerkung für die Geschwister Schierholz eingetragen.

Ausschnitt aus Grundbuch (Foto: privat) Ausschnitt aus Grundbuch (Foto: privat)
Zwischenzeitlich war die Städtische Wohnungsbaugesellschaft Grundstückbesitzerin und wollte eigentlich die Feuerwache bauen. "Leider" wurde dieses Konstrukt durch Thüringer Aufsichtsbehörden abgelehnt und die Stadtverwaltung baut nun selbst, was nicht ohne zu zahlendes kommunales Salär vonstatten ging. Die SWG wollte 428.000 Euro dafür haben und schrieb auch noch eine Rechnung in Höhe von mehr als einer Million Euro für bis dato getätigte Aufwendungen an die Kommune. In einem Amtsblatt der Kommune ist das veröffentlicht.

Paul Schierholz, der mittlerweile mehrere Notare außerhalb von Nordthüringen kontaktiert hatte, musste sich zwar auch erklären lassen, dass ein oben erwähnter Übertrag von SWG auf Stadt legitim, doch der Knackpunkt die Auflassungsvormerkung sei. Und so reichte Paul Schierholz Klage gegen das Nordhäuser Rathaus und die SWG beim Landgericht in Mühlhausen ein, über die in einigen Wochen verhandelt werden soll.

Nun kommt der politische Aspekt der Angelegenheit ins Spiel. Der Stadtrat. "Seit mehreren Jahren habe ich in verschiedenen Ausschüssen darauf hingewiesen, Einigung mit der Familie Schierholz zu finden, um Lastenfreiheit herzustellen und einen Neubau der Feuerwehr nicht zu gefährden", erbost sich Steffen Iffland und fragt: "Warum wurden der Stadtrat oder der entsprechende Ausschuss über die Klage nicht informiert? Warum hat man bei einer Investition von mehr als 15 Millionen Euro seitens der Stadt nicht das Interesse, etwaige Rechte Dritter am Grundstück zu beseitigen"? 

Vor mehr als drei Wochen hat Iffland dann eine entsprechende Anfrage an das Rathaus gestellt, eine Antwort erhielt er vor wenigen Tagen. Die Antwort decke sich nicht mit dem aktuellen Aktenstand und lasse weitere Fragen offen.

Ähnlich erging es der nnz-Redaktion mit einer konkreten Anfrage an die Ratshaus-Pressestelle, die am 20. April gestellt wurde und die am 4. Mai mit einem lapidaren Verweis auf eine Pressemitteilung zum Stand des Feuerwachen-Neubaus beantwortet wurde. Es gab nicht mal einen Verweis auf ein laufendes Verfahren, zu dem man keine Stellung beziehen werde. Denn das gibt es, denn zu dem Mühlhäuser Termin wurden SWG-Geschäftsführerin und Oberbürgermeister durch den Richter vorgeladen.

Es geht Paul Schierholz vordergründig nicht um Geld, sondern um die Durchsetzung seines Rechts. "Es ist die emotionale Bindung zu diesem Stück Nordhausen, zu meiner Heimatstadt, die mich umtreibt. Meine Eltern haben dafür gelebt, ihr Leben lang geschuftet, haben die Nazis und die Kommunisten überstanden und wir als Kinder sollen jetzt sozusagen Unrecht erfahren? Das kann doch nicht sein".
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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