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Corona – wie weiter?

Mittwoch, 22. April 2020, 13:14 Uhr
Über neue Ansätze, wie mit den gesellschaftlichen und politischen Problemen unserer Zeit nach der Corona-Krise umgegangen werden sollte, machte sich nnz-Leser Alexander Rathnau Gedanken. Lesen Sie hier seine Analyse...

Derzeit drehen sich unsere Gedanken in erster Linie um die Gesundheit unserer Liebsten, Familienangehörigen und natürlich uns selbst. Hinzu kommen zunehmend Fragen der Existenz, sei es der Facharbeiter, welcher (nicht tarifgebunden) in Kurzarbeit gehen muss oder aber auch der Selbständige, welcher schon bisher von der Hand in den Mund gelebt hat. Genauso gilt dies für Kulturschaffende, denen ihre komplette Arbeitsgrundlage weggebrochen ist und nicht zu vergessen diejenigen, welche aus den verschiedensten Gründen auf Sozialleistungen angewiesen sind. All diese Menschen eint eins, sie sind abhängig von dem was die Grundlage für ihr Einkommen darstellt, Arbeit.

Nun versucht seit bald einem Jahrhundert der Staat dies in Form sowohl von Sozialversicherungsleistungen als auch Steuererleichterungen bzw. Sozialleistungen aus Steuermitteln zu kompensieren und stellt zunehmend fest, dass in Zeiten von Corona das bisherige System an seine Grenzen stößt. Interessanterweise macht er jedoch in den Krisen (Wiedervereinigung, Lehmann-Krise, Corona) einen Unterschied bei der Unterstützung, so werden einerseits Milliardenprogramme aus Steuermitteln für die Wirtschaft aufgelegt, jedoch die abhängig Beschäftigten und „Soloselbständigen“ vorrangig durch ein Aufblähen von Sozialversicherungsleistungen finanziert. Ein aktuelles Beispiel sei hierbei das Kurzarbeitergeld, welches aus den Beiträgen der Arbeitslosenversicherung finanziert wird.

Deutlich wird aus diesem Handeln, dass auch in Krisenzeiten die Wirtschaft an erster Stelle steht, nicht der Mensch und die Absicherung seiner Existenzbedürfnisse einschließlich der Möglichkeit einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Teilhabe.

Woran liegt das? Aus meiner Sicht ist die Ansicht der politisch Handelnden, dass sich Einkommen aus Erwerbsarbeit definiert überholt. Die Beispiele der unzureichenden Unterstützung von Alten- und Pflegeheimen, dem medizinischen Bereich aber auch der Einrichtungen der Behindertenhilfe inklusive Werkstätten für behinderte Menschen machen dies deutlich. Anstatt zunächst die Einrichtungen und Helfenden zu unterstützen, welche es überhaupt erst ermöglichen, dass trotz Corona ein öffentliches Leben möglich ist oder die die Menschen welche unserer besonderen Unterstützung bedürfen wird genau an diesem Punkt um jeden Euro gestritten und auf die fehlende Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft verwiesen, es sei denn der Mehrbedarf wird wie bereits in der Vergangenheit geschehen aus dem Topf des Sozialversicherungssystems bezahlt und damit von denen die mehrheitlich ohnehin zur Mittel- oder Unterschicht gehören und somit auch im Nachgang die Hauptlast der Folgen zu tragen haben.

Wie wäre es, wenn sich Gewerkschaften statt für eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes für ein bedingungsloses Grundeinkommen stark machen würden oder wenn die SPD endlich August Bebel links liegen lassen würde und Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommen auch dann zugestehen, wenn sie weniger oder gar nicht arbeiten.

Es zeigt sich in kurzen historischen Abständen nun bereits das dritte Mal, dass das bisherige Steuer- und Sozialversicherungssystem und daran geknüpft, die Bewertung von Arbeit wie sie bisher existiert, nicht für die Zukunft taugt.

Albert Einstein hat es so formuliert: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

Allein mir fehlt der Glaube, dass die politisch Handelnden tatsächlich in der Lage dazu sind etwas zu ändern. Nicht „Corona“ ist die Ursache, für die nun immer deutlicher werdende Schieflage in unserer Gesellschaft und dies sei, nicht nur auf die klassische Sichtweise „Oben und Unten“ bezogen. Vielmehr wird deutlich, dass die Ressourcen zur Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Steuer- und Sozialversicherungssystems in keiner Weise deren Nutzen rechtfertigen.

Der Wandel in den Köpfen derer, die am stärksten von „Corona“ in ihrer Existenz betroffen sind ist aus meiner Sicht um ein Vielfaches höher als dort wo politische Entscheidungen zu treffen sind und auch dies nicht erst seit „Corona-Zeiten“.

Ich wünsche allen die gesund sind, dass sie es auch bleiben und diejenigen, welche derzeit krank sind, dass sie möglichst liebevoll begleitet wieder genesen.

Allen Helfenden, zu denen auch ich zähle, wünsche ich die Kraft des emphatischen Durchhaltens und das Verständnis der Betroffenen, wenn wir manchmal nur all zu menschlich an unsere Grenzen kommen.
Alexander Rathnau


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Autor: red

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