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Gedenken und Wirkung - 75 Jahre Befreiung

Dienstag, 07. April 2020, 16:23 Uhr
In diesen Tagen wird davon berichtet und gemahnt: 75 Jahre Befreiung des KZ Mittelbau-Dora. Zweifellos bedeutet dies auch in heutigen Krisenzeiten: Nie wieder! War 1945 die Zwangsarbeit in Dora und um den Kohnstein beendet? Eher nein, darauf deuten neu gefundene historische Fragmente, berichtet Tim Schäfer...

Gleich vorausgesetzt, es geht hier nicht darum irgendwie das KZ Mittelbau-Dora und die damaligen menschenverachtenden Zustände für die Opfer, die Häftlinge, zu relativieren. Im Gegenteil. Es soll aber auf aufgefundene Fragmente verwiesen werden, die in einem anderen Kontext dennoch eine Fortsetzung von Zwangsarbeit am Kohnstein und dem ehem. KZ Mittelbau, ehem. Lager Dora des KZ Buchenwald, belegen. Es geht auch nicht darum, die Konzeption der Gedenkstätte und Ihr heutiges Wirken zu diskreditieren. Auch hier im Gegenteil.

Manchmal stehe ich persönlich in der Ausstellung und höre unvermeidlich die Beiträge für junge Leute, deren Fragen, die wiederum von recht jungen Gedenkstättenmitarbeitern aktiv beantwortet werden. Ich möchte sagen, die machen da einen guten Job. In Zeiten, wo eine offene wie latente Sympathie zum Nationalsozialismus virulenter denn je ist, braucht es eine solche Arbeit mit historischen Tatsachen mehr denn je.

Die Zwangsarbeit ging meiner Meinung nach dem Krieg am Kohnstein weiter, das Belegen entsprechende Archivfunde. Heute gibt es einen grundrechtlichen Schutz nach Art. 12 Abs 2-3 des Grundgesetzes. Aber damals in der sowjetischen Besatzungszone? Nach der Befreiung wurde das ehem. KZ zum Auffanglager für Umsiedler und auch zur Haftanstalt. Davon hat oft mein Vater erzählt, der als Umsiedler und Kind in eine ehem. Wachbaracke des Lagers eingewiesen worden war. Es gab auch die sogenannten Speziallager in der Sowjetzone. Ohne Verfahren und Gerichtsurteil konnte inhaftiert werden! Das ist aber soweit bekannt.

Aber auch die Zwangsarbeit, mit anderem Kontext, jedoch sicherlich nicht vergleichbar mit heutigen rechtsstaatlichen Bedingungen, ging am Kohnstein in eine neue Etappe. Denn am damals steilen Tagebau des Kohnstein und in demselben wurden Strafgefangene nach dem Kriegsende wiedereingesetzt. Diese kamen demnach auch aus Sollstedt. Sozusagen konnten darunter auch Bürger sein, die denunziert worden waren. Oder die aus politischen Gründen in der damaligen Sowjetzone in Haft kamen. Mit heute rechtsstaatlich geregelter Verpflichtung eines Inhaftierten, eine ihm zugewiesene Arbeit auszuführen (§ 41 StVollzG) und weiteren Regelungen hatte dies wohl eher wenig zu tun. Auch in dieser Periode soll es Opfer gegeben haben, die hier verunfallt sind.

Diese „post -1945“ Zwangsarbeit am Kohnstein hatte Gefahren und ähnliche Bedingungen für die Inhaftierten. Auch Weltkriegsmunition soll massenhaft von solchen Inhaftierten zur Vorbereitung der Sprengungen in den Berg gebracht worden sein. Somit zog sich diese Periode über viele Monate hin.
Dieser Frage sollte man nachgehen. Denn auch diese Form der Zwangsarbeit gehört leider zu unserer jüngeren Heimatgeschichte und forderte Opfer.
Tim Schäfer
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Autor: red

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