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Neue Maßnahmen gegen Corona

Ab kommender Woche wird Mundschutz Pflicht

Dienstag, 31. März 2020, 17:55 Uhr
Der Landkreis Nordhausen wird ab kommender Woche weitere Maßnahmen ergreifen um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Unter anderem werden Mund- und Nasenschutz dann zur Pflichtausrüstung in geschlossenen Räumen…

Ab kommenden Montag wird das Tragen von Mund- und Nasenschutz in bestimmten Bereichen zur Pflicht (Foto: Angelo Glashagel) Ab kommenden Montag wird das Tragen von Mund- und Nasenschutz in bestimmten Bereichen zur Pflicht (Foto: Angelo Glashagel)

Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle im Landkreis Nordhausen ist inzwischen auf 17 gestiegen. Die aktuelle Lage im Überblick:
  • das Landratsamt wird morgen eine neue Allgemeinverfügung herausgeben, die ab dem 2. April offiziell in Kraft tritt
  • bei den zwei neuen Infektionen handelt es sich um eine Ansteckung im familiären Umfeld und eine Person, die den Erreger aus Bayern mitgebracht hat
  • bei drei Fällen ist die Quelle der Infektion unbekannt
  • das Alter der Erkrankten bewegt sich im bundesweiten Durchschnitt, betroffen sind sowohl junge Erwachsene wie auch Senioren, die Verteilung unter den Geschlechtern hält sich die Waage
  • drei Patienten befinden sich in stationärer Betreuung, wobei sich zwei Personen in intensivmedizinischer Behandlung befinden
  • zwei Personen gelten inzwischen als genesen, das heißt sie haben während ihrer Quarantäne keine weiteren Krankheitssymptome entwickelt
  • die Abstrichstelle der Kassenärztlichen Vereinigung hat bisher 277 Untersuchungen durchgeführt, das Gesundheitsamt liegt aktuell bei 70 Tests
  • 129 Personen befinden sich in „Absonderung“, das sind 23 weniger als in der Vorwoche, da einige Personen ihre Quarantäne beenden und in den Alltag zurückkehren konnten
  • aktuell befinden sich 19 Schülerinnen und Schüler sowie 122 Kindergartenkinder in der Notbetreuung, die Zunahme resultiert hier vor allem aus geänderten Kriterien des Landes

Mund- und Nasenschutz wird Pflicht

Die Zahlen seien im Landkreis Nordhausen weiterhin „unterdurchschnittlich“, erklärte Landrat Matthias Jendricke. Er unterstrich dass man dort, wo die Fallindikation sinnvoll sei, ausreichend Tests durchführe. Man arbeite mit der Kassenärztlichen Vereinigung im Moment daran, die Terminvergabe zu optimieren. Tageweise Verschiebungen dürfe es nicht geben, Termine müssten zeitnah umgesetzt werden können. „Wir würden gerne mehr Testverfahren durchführen. Das wir das nicht tun liegt nicht am Geld oder am Unwillen, sondern schlicht an den begrenzten Laborkapazitäten die wir jetzt nicht überstrapazieren können“, so Jendricke.

Dass die Lage im Südharz vergleichsweise entspannt sei, könne kein Grund sein, der Situation nicht mit dem gebotenen Ernst zu begegnen. „Das Ansteckungsrisiko ist bei uns im Moment unterdurchschnittlich, aber wir werden steigende Fallzahlen sehen und müssen unsere Vorsorge entsprechend ausbauen“, sagte Jendricke.

Dazu wird der Landkreis morgen eine aktualisierte Allgemeinverfügung herausgeben, die viele Details regelt und eine umfassende Neuerung enthält. Ab kommenden Montag (6. April), wird das Tragen von Mund- und Nasenschutz in geschlossenen Räumen zur Pflicht. Ausgenommen sind die eigenen vier Wände und private Bereiche wie die Fahrt im eigenen Pkw. Wer hingegen mit Bus, Straßenbahn oder Taxi unterwegs ist, muss Mund und Nase abdecken, das betrifft auch das Einkaufen in Supermärkten, Discountern und anderen Geschäftsräumen.

Nicht berührt wird der Arbeitsbereich. Wie in den bisherigen Verfügungen auch werde man sich nicht in die internen Abläufe von Unternehmen und Firmen einmischen, sagte Jendricke, die Arbeitgeber haben selber dafür Sorge zu tragen, ihre Mitarbeiter ausreichend zu schützen. Ausgenommen sind Personen, die direkt im Kontakt mit Kunden stehen, wie Kassiererinnen im Supermarkt oder der Servicemitarbeiter im Landratsamt. Hier wird die Schutzmaske zur Pflicht.

Der Osterhase bringt dieses Jahr Schutzmasken statt Süßigkeiten
Eine professionelle Schutzmaske der Kategorie FFP2 wird man ab kommender Woche nicht brauchen. Laut Verfügung können Mund und Nase auch mit Masken, Tüchern oder Schals abgedeckt werden. Wie das aussehen kann, demonstrierte Landrat Jendricke gleich selbst. „Das ist im Alltag ganz praktikabel. Die Amtsärztin hat darauf hingewiesen, dass sich jeder eng gewebte Baumwollstoff eignet. Im Internet gibt es viele Anleitungen zur Herstellungen. Wichtig ist, dass das Material waschbar sein sollte. Werden die Masken bei hoher Gradzahl gewaschen, können sie auch wiederverwendet werden. In Verbindung mit den geltenden Regeln zur Abstandswahrung ist das eine einfache Form, das Umfeld zu schützen und mögliche Tröpfcheninfektionen zu unterbinden“.

Wenn man aus dem Kreislauf der Infektionen herauskommen und wieder ein Mehr an öffentlichen Leben und Freiheiten zulassen wolle, müsse man sich mit solchen Maßnahmen auseinandersetzen, betonte der Landrat. „Wir müssen Wege gehen, die uns aus dieser Kette herausführen können. Für viele wird die medizinische Notlage zur wirtschaftlichen Notlage, es muss eine „Exit-Strategie“ geben, um dahin zu gelangen müssen wir auch solche Möglichkeiten nutzen.

Die neuen Maßnahmen werde man behutsam einführen, ein jeder müsse die Chance bekommen, sich darauf einzustellen. Konkret bedeutet das: von Bußgeldmaßnahmen wird man bis zum Dienstag nach Ostern absehen. Es gehe dem Landkreis vor allem darum, dass sich die Menschen an die neuen Vorgaben gewöhnen könnten und der Einsatz von Mund- und Nasenschutz zum „Regelgebrauch“ werde. Lediglich bei „entschlossenen Verweigerern“ wolle man zu weiteren Mitteln wie Bußgeldern greifen. „Wir müssen da verhältnismäßig vorgehen. Dass es zum Beispiel bei kleineren Kindern schwierig wird, so etwas umzusetzen, ist uns bewusst.

Eine Lieferung aus China
Im Bereich der professionellen Schutzausrüstung konnten Mitarbeiter des Landratsamtes heute eine große Lieferung aus der Volksrepublik China in Nordrhein-Westfalen entgegennehmen, die per Direktflug in Deutschland angekommen war. Möglich wurde das auch Dank des Einsatzes von Unternehmer Tim Schäfer, der seine Beschaffungswege über China zur Verfügung gestellt hatte, um Schutzkleidung und -masken nach Nordhausen bringen zu können. „Wir haben bereits Anfang Februar mit der Beschaffung begonnen, dann aber nur Nach- und Teillieferungen erhalten. Inzwischen werden Wünsche von Arztpraxen, Pflegediensten und Altenheimen an uns herangetragen, die es zum damaligen Zeitpunkt so noch nicht gegeben hat“, erklärte Jendricke. Angesichts der weltweiten Entwicklung müsse man das jetzige Zeitfenster nutzen, um weitere Einkäufe zu tätigen, da man nicht wissen könne, ob man diese Materialien auch in vier Wochen noch bekommen könne. Eine weitere Bestellung habe man bereits getätigt.

Vom Land Thüringen hat man zusätzlich 500 Schutzmasken zugeteilt bekommen, die aber nicht dem FFP2 Standard entsprechen. Letztere müssen lediglich im direkten Umgang mit infizierten Personen von Rettungskräften, der Feuerwehr, dem Gesundheitsamt und dem Krankenhaus eingesetzt werden, sollten aber nicht im allgemeinen Dienstalltag Verwendung finden. Einen medizinischen Grund im Südharz flächendeckend FFP2 Masken einzusetzen gebe es bisher nicht, erklärte Jendricke. Aufrufe wie sie jüngst aus Harztor an die Öffentlichkeit herangetragen wurden, seien nicht nötig, man könne die Wehren mit passender Ausrüstung versorgen. Im Fall der Fälle könne man auch die Nachbarkreise unterstützen, werde aber immer einen gewissen Lagerbestand für den eigenen Bedarf zurückhalten.

Weitere Regelungen
Neben der Vorgabe zum Tragen von Mund- und Nasenschutz wird die neue Verfügung einige neue Detailregelungen enthalten.

Quarantäne
Menschen die sich in Quarantäne begeben müssen, erhalten genauere Verhaltensregeln.
  • die Wohnung oder das eigene Grundstück dürfen nur in medizinische Notfällen verlassen werden
  • erlaubt sind pro Tag ein Gang zum Briefkasten sowie ein Ausgang, um Müll herauszubringen
  • es dürfen keine anderen Personen empfangen werden
  • Betroffene haben die Pflicht, mögliche Kontaktpersonen wie Ärzte, Polizisten, Rettungskräfte, Feuerwehrleute aber auch Lieferanten wie Post- und Pizzaboten oder Nachbarn darüber zu informieren, dass sie sich in Quarantäne befinden
Sonstiges
  • Kinder bis 12 Jahre dürfen ihre Eltern beim Einkauf auch ohne eigenen Einkaufswagen begleiten
  • die Zahl der Einkaufswagen in Baumärkten wird auf 100 beschränkt
  • Geschäfte und Tankstellen müssen Kundentoiletten kostenfrei zur Verfügung stellen, ausgenommen sind Geschäfte, die lediglich Straßenverkauf anbieten
  • Spiel- und Sportstätten müssen nicht nur geschlossen werden, Betreiber und Kommunen sind auch verpflichtet, auf die Schließung durch entsprechende Beschilderung oder Absperrband hinzuweisen
  • Gemeindeeigene Räumlichkeiten dürfen nicht vermietet werden
  • Brauchtumsfeuer zu Ostern sind untersagt

Jugendschutz
  • da es Fälle gibt, in denen eine Notbetreuung nicht ausreichend ist, um das Kindeswohl sicherzustellen, bereitet das Jugendamt den Betrieb einer „Notinobhutnahmestelle“ vor. Mitarbeiter des Landratsamtes und der freien Träger bereiteten die Öffnung zur Zeit vor, ein erster Fall in dem die Inobhutnahme eines Neugeborenen nötig werde, zeichne sich bereits ab, erklärte der erste Beigeordnete des Kreises, Stefan Nüßle
  • bisher gibt es keine bekannten Infektionen unter Kinder- und Jugendlichen
Der Vollzugsdienst im ersten Einsatz
  • seit vergangenem Freitag ist der Vollzugsdienst des Gesundheitsamtes im Einsatz um die Durchsetzung der Verordnungen zu überprüfen
  • drei Teams zu je zwei Personen waren am Wochenende in allen Kommunen des Landkreises unterwegs
  • mit der Stadt Nordhausen hat man sich auf Arbeitsteilung und Zuständigkeiten verständigt, bis zum Samstagmittag ist das Nordhäuser Ordnungsamt für die Kernstadt und die Ortsteile zuständig, bis zum Sonntagabend übernimmt dann der Dienst des Landratsamtes auch in Nordhausen
  • größere Vorkommnisse hat es am Wochenende nicht gegeben, die Polizei musste nicht hinzugezogen werden, erklärte die zweite Beigeordnete, Hannelore Haase
Und noch eine Nachricht gab es am Rande: in der kommenden Woche wird der Kreisausschuss im großen Plenarsaal zusammenkommen, um Haushaltsentscheidungen zu treffen. Die Mittel zur Beschaffung von medizinischem Material sollen auf drei Millionen Euro aufgestockt werden.
Angelo Glashagel
Autor: red

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