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DIW-Untersuchung

Flüchtlinge sind gesünder als Bevölkerung

Mittwoch, 29. Januar 2020, 10:22 Uhr
Flüchtlinge, die seit 2013 nach Deutschland gekommen sind, sind im Durchschnitt körperlich gesünder als die Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig ist ihr psychisches Wohlbefinden schlechter. Das gilt vor allem für Geflüchtete, die älter als 45 Jahre sind. Das sind zentrale Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)...


Die Studie stützt sich unter anderem auf Daten aus der IAB-BAMF-SOEP-Befragung Geflüchteter, die 2018 erhoben wurden.

Zum Jahresende 2018 waren knapp 1,8 Millionen Schutzsuchende in Deutschland registriert. Ein großer Teil von ihnen ist seit 2013 nach Deutschland gekommen. Um die gesundheitliche Situation dieser Geflüchteten im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen zu erheben, nutzten die Autorinnen Indikatoren, die unter anderem Angaben zu Schmerzen, Vitalität sowie körperlichen oder mentalen Einschränkungen zusammenfassen.

Darüber hinaus berücksichtigten sie die Selbsteinschätzung der Befragten bezüglich ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit sowie ihrer Zufriedenheit mit der Gesundheit im Allgemeinen.

Seit 2013 Flüchtlinge sind körperlich gesünder
Das Ergebnis ihrer Analysen zeigt: Die in jüngerer Zeit Geflüchteten sind körperlich im Durchschnitt gesünder als die Gesamtbevölkerung und dementsprechend auch zufriedener mit ihrer Gesundheit. Den Grund dafür sehen die Wissenschaftlerinnen auch in der Altersstruktur: „Die körperliche Gesundheit nimmt in allen Bevölkerungsgruppen im Laufe des Alters ab“, sagt die DIW-Ökonomin Maria Metzing, eine der Autorinnen. „Die seit 2013 Geflüchteten sind im Durchschnitt 32 Jahre alt und damit wesentlich jünger und gesünder als die Durchschnittsbevölkerung.“

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, psychisch zu erkranken
Umgekehrt verhält es sich bei der seelischen Gesundheit der seit 2013 Geflüchteten. Ihr psychisches Wohlbefinden steht in einem starken Kontrast zu ihrem körperlichen Wohlbefinden und ist im Durchschnitt geringer als das der Gesamtbevölkerung. Besonders betroffen sind Flüchtlinge, die älter als 45 Jahre sind: Mit zunehmenden Alter steigt für sie das Risiko, psychisch zu erkranken.

Darüber hinaus berichten die Frauen unter den befragten Flüchtlinge häufiger über ein schlechteres psychisches Wohlbefinden als die Männer. Auch Flüchtlinge mit einer niedrigeren Bildung (mit primärem Bildungsabschluss oder einem Abschluss der Sekundarstufe I) machen häufiger Angaben über ein niedriges psychisches Wohlbefinden als andere. Menschen ohne Migrations- und Fluchterfahrung hingegen berichten über ein besseres psychisches Wohlbefinden als der Bevölkerungsdurchschnitt.

„Möglicherweise ist die vergleichsweise schlechte psychische Gesundheit auf die traumatischen Erfahrungen während der Flucht oder eines Krieges zurückzuführen“, sagt Studienautorin Diana Schacht, die heute am Deutschen Jugendinstitut in München forscht. Auch die Trennung von der Familie, ungewisse Zukunftsaussichten und ein eingeschränkter Zugang zum deutschen Gesundheitssystem könnten die psychische Gesundheit beeinflussen. Derzeit erhalten Asylsuchende hierzulande erst nach einem erfolgreichen Asylverfahren beziehungsweise nach einem 15-monatigen Aufenthalt in Deutschland die gleichen gesundheitlichen Leistungen, die auch gesetzlich Krankenversicherten zustehen. Dazu zählt auch die Kostenübernahme für psychotherapeutische Behandlungen.

Insgesamt hat sich die körperlich und psychische Gesundheit der seit 2013 Geflüchteten zwischen 2016 und 2018 an den Bevölkerungsdurchschnitt angenähert. Aber auch 2018 liegt die psychische Gesundheit noch signifikant unter dem Bevölkerungsdurchschnitt. Die Autorinnen fordern daher weitere Maßnahmen, um die psychische Gesundheit dieser Flüchtlinge, insbesondere in der Altersgruppe über 45 Jahren, zu stärken. „Auch um ihre Teilhabe am deutschen Arbeitsmarkt zu verbessern, ist eine bessere gesundheitliche Versorgung nötig“, sagt Maria Metzing.
Autor: red

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