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Mahnwache gegen Altersarmut

Die Rente geht uns alle an

Freitag, 24. Januar 2020, 18:00 Uhr
Was bleibt einem nach jahrzehntelanger Arbeit heutzutage noch übrig im Geldbeutel? Nicht viel, in jedem Fall nicht genug, meinte man heute auf dem Rathausplatz und rief zur Mahnwache gegen Altersarmut...

Mahnwache gegen Altersarmut am Nordhäuser Rathaus (Foto: Angelo Glashagel) Mahnwache gegen Altersarmut am Nordhäuser Rathaus (Foto: Angelo Glashagel)

Gerade mal 809 Euro bekommt Volker Westphal. 42 Jahre lang hat er gearbeitet, dann ging es nicht mehr, die Gesundheit spielte nicht mehr mit. Seit 2015 bezieht der Ilfelder Invalidenrente. Würde seine Frau nicht noch arbeiten gehen, sagt er, würde es am Ende des Monats ganz schön eng werden.

Zusammen mit ein paar Mitstreitern hat sich Westphal unter dem Motto "Wir gemeinsam gegen Altersarmut" heute auf den Nicolaiplatz zwischen Rathaus und Bibliothek gestellt. Es ist frisch, man sucht ein wenig Schutz vor dem frostigen Tag unter dem Torbogen des Rathauses. Viele Besucher hatte man noch nicht, mag es an den Temperaturen oder dem Wochentag liegen, in Anbetracht der Thematik hatte man sich trotzdem etwas mehr Interesse erhofft. "Die Rente geht uns alle an", sagt Westphal, "nicht nur uns Rentner, auch die kommenden Generationen und wenn es so weiter geht wie bisher wird die Lage nicht besser werden".

Das Rentenniveau liegt in Deutschland im Moment bei 48%, viel zu niedrig wie Westphal und Kollegen finden. Im Osten ist die Lage noch etwas prekärer, seine Ausbildung und die Zeit bei der Armee werden dem Ilfelder nicht voll anerkannt. Hätte er diese Jahre seines Lebens im Westen verbracht, sähe die Sache anders aus. Die Berechnungsunterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern lägen bei rund einem Euro weniger für Ostrenten, sagt er.

Für die beständige Empfehlung der Politik man möge und müsse doch privat vorsorgen hat hier keiner Verständnis. Das "riestern" lohnt sich nur für die, die ohnehin schon Geld haben und auch so auf eine auskömmliche Rente hoffen dürfen. "Ich war selber einige Zeit arbeitslos und musste meine private Altersvorsorge wieder aufkündigen. Was habe ich davon gehabt? Nichts.", erzählt Westphal.

Das Fundament für die heutige Situation sei mit der Schröder'schen Agendapolitik gelegt worden, das Problem insgesamt greife aber tiefer und zeige sich schon lange vor dem Renteneintritt. "Das ganze System krankt", sagt eine Teilnehmerin, der Mindestlohn ist nicht hoch genug, die Menschen einer "schleichenden Enteignung" ausgesetzt, "riestern" und Lebensversicherungen keine tragbare Alternative.

Das es anders gehen kann und das deutsche System keinesfalls Alternativlos ist, zeigt ein Blick zu den Nachbarn. In Österreich und der Schweiz liegen die Renten deutlich höher, unter anderem weil hier alle Bürger einzahlen.

"Die Situation muss sich endlich ändern, es kann nicht sein das Menschen im Alter darauf angewiesen sind Flaschen zu sammeln oder zur Tafel zu gehen", sagt Westphal. Ein erster und wichtiger Schritt wäre für ihn, wenn man in Berlin die Rentenerträge unangetastet ließe und die Einnahmen nicht für andere Dinge zweckentfremdet würden.

Die heutige Mahnwache soll nur der Auftakt gewesen sein, man werde wiederkommen, sagt der Ilfelder. Und ganz allein war man heute nicht, bundesweit war zu ähnlichen Demonstrationen aufgerufen worden. Bis zur nächsten Demonstration wird das Problem Westphal und seinen Mitstreitern auf keinen Fall abhanden kommen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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