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Nordhausen 1945

Nazirüstung und das KZ Mittelbau-Dora

Sonnabend, 25. Januar 2020, 12:36 Uhr
Neue Analysen beschreiben detailliert das Schicksal der Häftlinge des KZ Mittelbau-Dora und der Nebenlager sowie die Art der Rüstungsprojekte, die hier noch 1945 „in höchster Dringlichkeit“ umgesetzt werden sollten. nnz-Leser Tim Schäfer hat sich die Ergebnisse angesehen...


Eine Analyse der unter massivem Einsatz von Zwangsarbeit, speziell von Häftlingen aus dem Lagerkomplex Mittelbau-Dora beschleunigten Rüstungsprojekte Nazideutschlands um 1945 bei Nordhausen in Thüringen weist auf neue, weiter zu untersuchende Aspekte hin.

Neben Kriegsgerät, wie Flugzeug- und Raketen ganz neuartiger Konstruktion kam es bei Nordhausen und Umgebung auch zu weitergehenden, bedeutenden Vorhaben zur Infrastruktur und Versorgung. Als Stichworte sollen hier genannt werden der unterirdische Bau von Unterkünften und Versorgungseinrichtungen wie auch einer Krankenstation, Treibstofferzeugung und Logistik (B11, Himmelsberg). Wir wissen, dass derartige Vorhaben unter direkter Führung der SS standen, auch hier ist der Name Dr. Kammler damit verbunden, der ja noch 1945 zum SS-Obergruppenführer, dem höchsten Generalsrang der SS, befördert worden war.

Neues Kriegsgerät wie zur Boden-Luft-Abwehr sollten ja in Serie produziert werden und die Bomberflugzeuge vom Himmel holen, das war eine beinah reale Gefahr. Beispielsweise die Produktion bei Woffleben der FLA ferngelenkte Rakete HS 117 Schmetterling, von denen 1945 einige Exemplare in die USA befördert worden sind. Wir wissen, dass es nicht zum Einsatz dieser Raketen gekommen ist, aber wenn hunderte von Bombenflugzeugen damit abgeschossen worden wären, hätte man noch Einfluss auf die Kriegsführung und deren Verlauf genommen. Rein spekulativ, eine Bombardierung wäre somit womöglich erfolgreich verhindert worden, warum also, sind solche Raketen nicht mehr bei Nordhausen eingesetzt worden?

Man kann annehmen, dass Treibstoffe und deren Logistik und Raketen, Unterkünfte und Sozialeinrichtungen kriegsbedingt immer eine Bedeutung haben. Unter der Lage 1945 aber, lässt sich noch etwas ableiten. Denn die Räume wurden enger, insbesondere die Luftüberlegenheit der Alliierten sollte mit allen Mitteln, insbesondere durch massiven Häftlingseinsatz, noch gebrochen werden. Verantwortlich dafür war der besagte SS-Obergruppenführer Dr. Kammler, der ja überregional solche Rüstungsvorhaben befehligt hat und sogar über die militärischen Kräfte für den Raketeneinsatz verfügte. Es ist bekannt, dass Kammler dafür sorgte, dass aus Ostdeutschland die Spuren der Raketen und deren Technologie vor der Sowjetarmee beseitigt und verlagert worden sind, letztlich ging davon vieles in die Hände der USA. Neuere Berichte sagen aus, selbst Dr. Kammler kam in die Hände von US-Diensten.

Aber ein Einsatzzentrum im Mittelraum für diese Raketen, gespeist aus dem seinerzeit größten unterirdischem und produzierenden Rüstungszentrum bei Nordhausen, ist annehmbar. Also eine Strategie aus konzentrierter Infrastruktur, um Raketen einzusetzen, die wie aus dem Nichts, aber intensiv wie ein Wespenschwarmangriff ausgeführt werden. Bei gleichzeitiger Unverletzlichkeit der unterirdischen Produktion, Versorgung und Logistik. Das muss sich nicht direkt etwa auf den Kohnstein beziehen, sondern eher auf den umgebenden Raum. Wobei dieser Ansatz aufgrund möglicher mobiler Abschussrampen der neuen Luftabwehrraketen schon ein flexiblerer Ansatz ist.

Am 3. und 4. April 1945 erlebte Nordhausen die verheerendsten Luftangriffe seiner Geschichte und wurde zur meist zerstörten Stadt in Thüringen. Weil man um Strategie und Rüstung um Nordhausen gewusst hat?

Ich möchte noch deutlich machen, dass solche Geschichtsanalysen, hier populär bearbeitet, keinesfalls eine Art Sympathie für den Nationalsozialismus darstellen oder begründen sollen. Wer sich durch heutige geschichtliche Darstellungen, Frust oder politische Einflüsse in eine sympathische Beziehung zu A.H. oder den Nationalsozialismus bringt, der verwechselt mindestens ganz unterschiedliche Dinge. Es ist so und Sympathie zum Nationalsozialismus ist nicht die Antwort auf Frust oder kritisierfähige (politische) Entwicklungen der heutigen Zeit.
Tim Schäfer
Autor: red

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