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Krippenspiel fällt nach 24 Jahren erstmals aus

Zu Hilfe, (k)ein Jesus!

Freitag, 13. Dezember 2019, 12:00 Uhr
In ferner Vergangenheit liegen die Ursprünge einer besonderen Nordhäuser Weihnachtstradition: dem Krippenspiel mit Olaf Schubert. Doch ach und oh weh, nach nunmehr 24 Jahren wird die „frohe Botschaft“ nun erstmals nicht im Südharz erklingen. Grund genug einmal Licht ins Dunkel zu bringen und beim Heiland im Pullunder persönlich anzufragen woran’s lag das man überhaupt nach Nordhausen kam…

Krippenspiel mit Olaf Schubert in Nordhausen (Foto: nnz-Archiv) Krippenspiel mit Olaf Schubert in Nordhausen (Foto: nnz-Archiv)

Seien wir mal ehrlich: Nordhausen ist nicht gerade der Nabel der Welt. Ein kleiner Ort am Rande der Peripherie der mitteldeutschen Provinz. Eingezwängt zwischen Leipzig, Erfurt und Göttingen sollte das Südharz-Städtchen mit Fug und Recht im kulturellen Niemandsland liegen und tut es oft genug, zumindest wenn es um die „großen“ Namen geht. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Doch eine Truppe namenhafter Künstler von inzwischen nationaler Reputation zog es Jahr um Jahr immer wieder auf die Nordhäuser Bühne - Olaf Schubert, Bert Stephan, Klaus Magnet, Jochen Barkas und Stephan Gräber brachten mit ihrem Krippenspiel die „frohe Botschaft“ an den Harzrand.

Die Interpretation der Frühphase der Heiland’schen Sozialisierung fällt unter der spitzen Feder der Dresdner etwas anders aus als die tradierte Fassung der abendländischen Erzählung. Und zwar jedes Jahr. Die Basis ist mit Jesus, (Oma) Maria und Joseph, mit Kaspar, Melchior, Balthasar, Abendmahl und Kreuzigung gegeben, um diesen Rahmen herum aber wird bei jeder Ausgabe ein zeitgenössisch näherliegendes Thema gestrickt, an dem man sich mit Wortgewalt und Wortwitz abarbeitet. Mal muss Jesus in die „Heilandstalt“, mal landet Oma Maria wegen verletzter Aufsichtspflicht im Knast oder wird von Gott höchstselbst zur Fleischwarenfachverkäuferin degradiert, nachdem sie sich der Wettmanipulation schuldig gemacht hat. Anonyme Numismatiker, die Mönche vom Orden der depressiven Hedonisten, Utopisten und Tofu-Mörser, der immer wieder gewaltige Monolog mit Gott - das Krippenspiel bietet zu vieles in zu hoher Schlagzahl, als das man auch nur einen Auftritt auf ein paar Zeilen herunter brechen könnte, ganz zu schweigen von mehr als zwei Jahrzehnten Programm.

Kurzum: das Krippenspiel weiß zu begeistern und selbst wenn man einen Artikel zum Ausbleiben jenes freudenreichen Füllhorns vielfältigem Klamauks verfassen will, vermag man es kaum der Versuchung zu widerstehen, sich in ähnlich syntaktisch-semantischen Höhen aufzuschwingen, es den Meistern des maßgeschneiderten Wortgefüges gleichzutun, wohlwissend, das man scheitern muss, im Versuch wie in der Ausführung. Quod est demonstrandum.

Sei’s drum. Die sich aufdrängende Frage ist, angesichts der anfangs eingestandenen Provinzialität: Warum? Warum kehrt man, seit langem vom Erfolg verwöhnt, immer wieder zurück? Und wie hat das alles angefangen?

Die Ursprünge liegen im Jahre des Herrn, anno Domini 1995. Den Nordhäuser Jazzclub erreicht eine Anfrage aus dem fernen Dresden. Die Truppe um den jungen Betroffenheitslyriker Olaf Schubert möchte ihr neues Programm gerne einmal vor Ort ausprobieren. „Das Krippenspiel kam schon sehr früh nach Nordhausen da wir das Gefühl hatten: gerade in dieser doch relativ abgelegenen Region ist es wichtig die Botschaft zu verkünden. Und das „Buch Schubert“ fiel, das ist das Gute, in Nordhausen auf fruchtbaren Boden. Die Menschen hatten ja sonst nichts, sie brauchten Halt und Unterstützung und haben unseren ausgestreckten Arm angenommen.“, berichtet Schubert der nnz.

Die erste Aufführung fand auf der Bühne des Jugendclubhauses statt, vor einem guten Dutzend Besucher, erinnert sich Holger Gonska, heute Leiter des Nordhäuser Jazzclub. Damals bekleidete noch der inzwischen tragischerweise aus dem Leben geschiedene Dieter Gabriel diesen Posten. „Der „Erzengel Gabriel“ hat uns unter seine Fittiche genommen, ihm waren wir verpflichtet und logisch das wir seinen Anweisungen folge leisteten und immer wieder dem Ruf nach Nordhausen gefolgt sind“, erzählt Schubert.

Seinen ersten Soloauftritt absolviert der Dresdner Künstler im Foyer des Theaters vor 40 zahlenden Gästen und auch musikalisch spielt man mit „Dekadance“ in Nordhausen oft auf, immer in Verbindung mit dem Jazzclub. Das man die Truppe "unter die Fittiche" genommen habe, das stimme schon, meint Gonska und ein gewisser Stolz den Aufstieg begleitet zu haben, schwingt im Subtext mit. Auch deswegen ist man wohl nachsichtig, das in diesem Jahr kein "Zu Hülfe" auf der Bühne erklingen wird.

Denn der große Publikumsliebling wird über die Jahre das „Krippenspiel“ und ist inzwischen von der großen Bühne des Nordhäuser Theaters nicht mehr wegzudenken. Seit Jahren sind die Karten immer schnell vergriffen, manchmal innerhalb weniger Minuten. Aus Sicht der Krippenspieler hatte der Umzug derweil ganz praktische Gründe. „Der Umzug ins Theater erfolgte da wir unbedingt in der Garderobe nicht rauchen wollten. Das war uns das wichtigste. Wir feierten dann große Erfolge auf den Brettern die Thüringen bedeuten sollen. Und anschließend haben wir das dann einfach so weitergemacht. Aus Gewohnheit.“

Mit der hat man nun gebrochen, zum ersten Mal seit undenkbaren Zeiten kein Krippenspiel in Nordhausen geben. Zumindest keines, mit Olaf Schubert. Die Gründe, erklärt Schubert, seien organisatorischer Natur, man habe schlicht keinen passenden Termin finden können. „Mittlerweile müssen wir die Botschaft in die entlegensten Winkel der Republik tragen, also vor allem des Ostteils der Republik. Es war partout nicht möglich, einen gemeinsamen Termin zu finden. Deswegen steht Nordhausen dieses Jahr nicht auf dem Speiseplan.“

Dieses eine mal lasse man das durchgehen, meint Holger Gonska, das auch andere Regionen einmal in den Genuss kommen müssten, da habe man ein Einsehen. Aber einmal reicht! Das Krippenspiel sei für Nordhausen schlicht unverzichtbar.

Der alten Freundschaft Bande sind also nicht gebrochen und siehe da, in diesen wahrhaft dunklen Tagen kurz vor Jahresende gibt es einen Lichtblick: die „Silberhochzeit“ des Krippenspiels im kommenden Jahr wird man auch in Nordhausen feierlich begehen, einen Terminvorschlag von Seiten der Südharzer Jazzer gibt es schon. „Da freuen wir uns jetzt schon wieder drauf in der Garderobe nicht zu rauchen.“, sagt Schubert, „in diesem Sinne viele Grüße vom ganzen Ensemble an die Region und Keep on Doppelkorn. Oder sowas.“
Angelo Glashagel

Anm. d. Red.: Herr Schubert war so freundlich uns unsere Fragen vertont zu beantworten und das wollen wir den Krippenspiel-Freunden der Region nicht vorenthalten: hier gibt es das Ganze zum hören .
Autor: red

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