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Theaterintendant im Kulturausschuss

Ein logistischer Großakt

Dienstag, 19. November 2019, 16:30 Uhr
In gut vier Jahren soll das Nordhäuser Theater "perfekt" sein. Bevor es aber soweit ist, steht sowohl den Theatermachern wie auch den Theaterbesuchern einige Mühsal bevor. Wie die Herausforderungen aussehen werden und was das für Spielplan, Publikum und Partner bedeuten könnte, das erklärte gestern Intendant Daniel Klajner dem Kulturausschuss…

Wie geht es am Theater während der Sanierung weiter? (Foto: Angelo Glashagel) Wie geht es am Theater während der Sanierung weiter? (Foto: Angelo Glashagel)

Wenn das Nordhäuser Theater erhalten werden soll, dann muss es saniert werden. Nach Jahren voller Diskussionen und Verhandlungen ist die Erneuerung des Musentempels über einhundert Jahre nach seiner Eröffnung in greifbare Nähe gerückt und die ersten Bagger rollen bereits.

Rund 30 Millionen Euro werden in den kommenden vier Jahren in Sanierung, Um- und Ausbau des Hauses fließen. Dabei wird es an die Substanz gehen, buchstäblich. Der Umfang der anstehenden Arbeiten wird, je nach Blickwinkel, früher oder später substantielle Auswirkungen auf den Spielbetrieb haben. Wie die aussehen könnten, darüber informierte gestern Theaterintendant Daniel Klajner im Kulturausschuss, und von einem "logistischen Großakt" sprach.

Er begann mit einer Kleinigkeit: ab Januar wird der Zugang über den hinteren Hof wegfallen. Was banal klingt, hat Folgen, die sich kaskadenartig fortpflanzen. Die alternative Route zur Bühne führt über den Seiteneingang und das heißt: Änderungen am Bühnenbild, da der Zugang kaum größer ist als eine normale Wohnungstür. Das wiederum bedeutet das ältere Stücke, wie „Hänsel und Gretel“ nicht mehr gespielt werden können, einfach weil man das Bühnenbild nicht mehr ins Haus bekommen wird.

Seit klar ist, das die Sanierung kommen wird, hat man sich darauf eingestellt. Die neuen Stücke der Nordhäuser werden mit kompakteren Bühnenbildern auskommen. Die Kollegen aus Rudolstadt, die neben dem eigenen Haus auch Nordhausen und Eisenach mit ihrer Schauspielsparte beliefern, konnten das nicht. Die mögliche Programmauswahl wird, wie der Bühnenzugang, also erst einmal kleiner.

Immerhin: für die Besucher des Theaters soll sich wenig ändern, Klajner spricht lediglich von „optischen Beeinträchtigungen“ auf dem Theaterplatz. Bis zum Sommer 2022. Dann steht die eigentliche Sanierung im Inneren an und das Theater muss die Spielstätte wechseln.

Dafür wird man die zukünftigen Werkstätten im dann hoffentlich fertiggestellten Anbau nutzen können. Hier soll eine „Interimsbühne“ entstehen, die mit 344 Sitzplätzen deutlich kleiner ausfallen wird, als die Hauptbühne heute, die 488 Plätze bietet. So alles nach Plan verläuft, wird man hier zwei Spielzeiten absolvieren. Das verringerte Platzangebot wird sich auf die Wirtschaftlichkeit des Theaters auswirken - weniger Plätze heißt weniger verkaufte Karten, heißt weniger Umsatz.

Dem wollen die Theatermacher mit einem deutlich strafferen Spielplan begegnen. Zum einen wird man ab 2022 „en suite“ spielen, also zügig hintereinander. Anders als heute werden einzelne Stücke dann nicht mehr über Wochen und Monate hinweg zu sehen sein, sondern in kürzeren Zeiträumen „abgespielt“. Mit der Erhöhung der Schlagzahl hofft man den zu erwartenden Besucherschwund während der Bauphase abfedern zu können. Den Spielplan selbst will man aus diesem Grund etwas populärer „bestücken“ als das aktuell der Fall ist. Avantgardistische Kunst und schwer zugängliche Stoffe, die zwar künstlerisch wertvoll sind, aber nicht unbedingt den Nerv des breiteren Publikums treffen (Intendant Klajner spricht von „Risikostücken“) wird man auf der Interimsbühne nicht finden. Dafür plane man vermehrt „Klassiker“ zu spielen, sagt Klajner, Publikumslieblinge, die auch locken, wenn die Bedingungen nicht die gewohnten sind.

Im Ausschuss bleiben Klajners Ausführungen nicht kommentarlos, die Stadträte wollen wissen ob man sich Gedanken über alternative Spielstätten gemacht habe, wie die Preisentwicklung aussehen könne und wie es mit dem jungen Theater weiter gehen wird. Letzteres teilt sich dieser Tage eine kleine Probebühne in der Grimmelallee mit dem Zirkus Zappelini. Unabhängig von der Sanierung sind die Räumlichkeiten nur noch eine Option auf Zeit, das alte Gemäuer wird man über kurz oder lang aufgeben müssen, eine Alternative ist hier nicht in Sicht.

Für den jungen Zirkus Zappelini könnte das Problem zur „Existensfrage“ werden, meinte Klajner. Die jungen Artisten „beliefern“ das Theater Jahr um Jahr mit ihren Aufführungen und können die günstigen Proberäume im Gegenzug nutzen. Eine neue und teurere Probebühne andernorts einzurichten, könnte die Theater-GmbH über Gebühr belasten, fürchtet der Intendant. „Wir haben noch zweieinhalb Jahre das Problem zu lösen und wir sind offen für alle Ideen“, sagte Klajner im Ausschuss, Ziel sei es, für beide Jugendangebote passende Strukturen zu finden.

Der eigentliche Theaterbetrieb wird derweil auf der „Interimsbühne“ bleiben. Andere Spielstätten wie etwa die Blasiikirche für einzelne Aufführungen technisch auszustatten sei in der Zeit des Umbaus zu aufwendig, führte Klajner aus. Damit zur Preisgestaltung. Bevor die Sanierung beginnt, wird die Theaterbesucher eine moderate Preiserhöhung erwarten, mit der sich aller Wahrscheinlichkeit nach der nächste Stadtrat zu befassen hat. Klajner riet dem Ausschuss aber davon ab, die Preise auch während der Sanierung anzupassen.

Ob die strategischen Überlegungen von heute in etwas mehr als vier Jahren aufgegangen sein werden, das müsse dann die Statistik zeigen, so der Intendant weiter, Vergleiche mit anderen Städten seien schwierig. Auch wenn die Planungen auf den Erfahrungen anderer fußen, bleiben Unwägbarkeiten. „Jeder Standort, jede Stadt und jede Spielstätte ist anders. Für so ein Vorhaben gibt es keine Vorbilder, das kommt nur einmal in zweihundert Jahren. Wir machen jetzt einen Schritt nach dem anderen und das alles entspannt und mit Sorgfalt angehen“.
Angelo Glashagel
Autor: red

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