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30 Jahre friedliche Revolution

„Das geht uns alle an!“

Freitag, 08. November 2019, 08:03 Uhr
Das Nordhäuser Herder-Gymnasium beteiligte sich am 30-jährigen Jubiläum zur Friedlichen Revolution mit anspruchsvollem Programm. Heike Roeder berichtet...


Als die Montags- und Friedensdemonstrationen im Jahre 1989 in zahlreichen ostdeutschen Städten ihren Höhepunkt erreichten, war von den teilnehmenden Schülern des heutigen Herder-Gymnasiums an der 30-Jahr-Feier noch keiner auf der Welt.

Was veranlasst die im 21. Jahrhundert Geborenen, sich für dieses Jubiläum zu engagieren? Juliet Steinecke und Dariya Smirnova, die beiden Zwölftklässlerinnen, die die Beiträge der Wiedigsburgschüler moderierten, entschieden die Teilnahme wie die anderen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums für sich selbst. Schließlich sei es damals eine Bewegung gewesen, die weit reichende Veränderungen für die Ostdeutschen mit sich brachte, die von der jungen Generation als selbstverständlich angesehen werden: Meinungs-, Presse-, Reisefreiheit, so die Abiturientinnen. Für Freiheit sei hart gekämpft worden, diese müsse deswegen umso stärker beschützt werden – und das gehe uns alle an, sind beide überzeugt.

Auch in ihren Redeparts brachten sie das Anliegen der Herder-Schüler, das sich auch in den einzelnen Programmpunkten widerspiegelte, auf den Punkt.
Eine Drum – Performance mit Trommeln und Boomwhacker inspirierten das Publikum und ließen es mit einstimmen, auch weil sie sich unter das Publikum gemischt hatten. Dieser Beitrag veranschaulichte die rhythmische Stärke, die symbolisch für die Kraft der Masse steht, wie sie die Demonstrierenden damals schon hatten. Dem huldigend, wurde die Bühne mit bunten Blumen geschmückt, die die erkämpfte Vielfalt widerspiegelten.

Mit einer weiteren Performance rückten Schüler aus den Klassenstufen sechs bis elf das wohl berühmteste Bauwerk der deutschen Geschichte sowie der innerdeutschen Grenze in den Mittelpunkt, die Mauer. Das 1961 errichtete und folgend ausgebaute Bollwerk habe viele Eindrücke und Gefühle erzeugt: Wut, Freude, Freiheit, Unwissenheit, so die Moderatorinnen. Mittels eines Parkours stellten sie den von der DDR so bezeichneten „Antifaschistischen Schutzwall“ dar, erklommen die Mauer und symbolisierten so den Mauerfall sowie die Freiheit.
In Zusammenarbeit mit der Musikfakultät der Martin – Luther Universität Halle verarbeitete der Musikkurs der 12. Klasse das geschichtliche Ereignis musikalisch. Dabei wurde das Ziel verfolgt einen kreativen, rhythmischen und anspruchsvollen Umgang mit dem Liedgut der Deutschen und Europäer zu erzeugen, welches eine Identifikation zu unterschiedlichen Zeiten ermöglichte: die Hymnen.

In Gruppen erarbeiteten die Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen eigene Ideen und verschiedene Möglichkeiten, schrieben, komponierten, übten, …
Alexander John inspirierte mit bekannten, aber verfremdeten Hymnen. Dabei wurde das Deutschlandlied in Moll, Freude schöner Götterfunken verjazzed und die Kinderhymne als Walzer montiert. Der folgende Hymnenmix verknüpfte das Deutschlandlied, Auferstanden aus Ruinen, die Kinderhymne und Freude schöner Götterfunken. Die Texte dieser Hymnen sind so konzipiert, dass sie sich auf die jeweils andere singen lassen.

Folgend präsentierten sie einen musikalischen Kampf, ein Songbattle. Ein Kampf ohne Gewalt. Wie 1989. Ein Ziel für Gegenwart und Zukunft, wie die jungen Leute dies selbst formulierten. Teil dieses Battles waren 99 Luftballons von Nena und die Hymne Auferstanden aus Ruinen. Hierbei suchte der Musikkurs nach zwei Liedern, die in der DDR und BRD so bekannt waren, zwar charakterlich verschieden sind, aber dennoch die gleiche Aussage transportieren.

Als letztes stellten die musikalisch interessierten Schüler ein durch eine Gruppe selbstständig komponiertes Lied vor. Mit diesem Lied verdeutlichte der Musikkurs den für ihn wichtigsten Wert: Freiheit. Dazu wurde das Wort Freiheit auch in Deutsch, Englisch und Französisch gesungen, denn diese Botschaft richtet sich nicht nur an Deutschland, sondern an die ganze Welt! Und dieses Gut müsse bewahrt werden und die Bedeutung dessen dürfe niemals in Vergessenheit geraten, fußend auf der Friedlichen Revolution von 1989, setzten die Moderatorinnen ihren Schlusspunkt.

Der Sternmarsch, der alle Teilnehmer zum Theaterplatz führte, habe sie ansatzweise das erleben lassen, was zu den Montagsdemonstrationen dazu gehörte: Gemeinschaft, Überzeugungskraft für die Sache und konkrete Forderungen aufzeigend, wie Juliet und Dariya aufzeigten. Dazu wurde im Unterricht mit Blick auf die Historie gearbeitet, sodass typische Ziele und Slogan des Jahres 1989 nachvollziehbar waren. Gleichzeitig überlegten die Schüler, welche Forderungen heute für sie von Bedeutung sind und gestalteten Banner und Plakate entsprechend zweiseitig. Ausgestattet mit über einhundert Kerzen und Blumen zogen sie Richtung Blasii-Kirche und trafen sich mit weiteren Beteiligten, um gemeinsam dem Versammlungsplatz zuzustreben und dem Programm, das das Herder-Gymnasium, das Humboldt-Gymnasium, die Käthe-Kollwitz-Schule sowie das Tanztheater zusammenstellten, beizuwohnen.

Die rund 130 Schülerinnen und Schüler des Herder-Gymnasiums, die an der Veranstaltung teilnahmen oder diese aktiv mit gestalteten, (wie die anderer Schulen und Einrichtungen) bewiesen einmal mehr, dass die junge Generation nicht pauschal als desinteressiert bezeichnet werden darf, sie gewillt ist Engagement zu zeigen und um Errungenschaften der Vergangenheit bzw. deren Wert zu schätzen weiß.
Heike Roeder
Öffentlichkeitsarbeit am Herder-Gymnasium
Autor: red

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