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BUND-Einsatz 88:

Im Artenschutz gegen den Trend

Dienstag, 05. November 2019, 07:43 Uhr
Im kommenden Jahr endet die von der UN ausgerufene Dekade der Biologischen Vielfalt. Das weltweite Artensterben soll demnach bis 2020 gestoppt bzw. hinsichtlich des ungebremsten Artenschwundes eine Trendwende erreicht werden. Auch der letzte Jahres-Einsatz des BUND-Kreisverbandes Nordhausen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes ist ein winziger Teil dieser Bemühungen.

Bund Einsatz (Foto: Bodo Schwarzberg) Bund Einsatz (Foto: Bodo Schwarzberg)

Entgegen dem bundesweiten Trend: Durch seit 13 Jahren kontinuierlich durchgeführte, ehrenamtliche Einsätze von Mitgliedern und Freunden des BUND-Kreisverbandes Nordhausen vergrößerte sich der Bestand des stark gefährdeten Abbiss-Pippaus im Naturschutzgebiet Alter Stolberg deutlich (2016).

Denn globale Ziele können allein durch die zahlreichen feierlichen Beschlüsse nicht erreicht werden. Wesentliche Teile sind ohne lokales Handeln undenkbar, was für den Artenschutz in ganz besonderem Maße zutrifft.

Am vergangenen Sonnabend mähten wir zu Dritt eine wenige hundert Quadratmeter große Fläche im Naturschutzgebiet Alter Stolberg. Sie beherbergt gleich vier in Thüringen stark gefährdete Pflanzenarten, von denen der Abbiss-Pippau (Crepis praemorsa) und die sehr seltene Einfache Wiesenraute (Thalictrum simplex ssp. tenuifolium) nach der neuen Roten Liste gefährdeter Pflanzenarten von 2018 auch deutschlandweit stark gefährdet sind. Die zwei anderen in Thüringen stark bedrohten Arten sind der Färber-Meier (Asperula tinctoria), und der Steppen-Sesel (Seseli annuum). Hinzu kommen im Umfeld eine ganze Reihe weiterer bemerkenswerter, gefährdeter Arten wie Gewöhnliche Kuhschelle, Echter Steinsame und Filz-Segge oder die Orchidee Grünliche Wald-Hyazinthe.

Die vier in Thüringen stark gefährdeten Arten konnten seit Beginn unserer ehrenamtlichen Erhaltungsmaßnahmen im Jahre 2006 und verstärkt ab 2010 erhalten werden, womit wir u.a. im Sinne der geltenden Schutzgebietsverordnung handeln. Bei der Exkursion der Thüringischen Botanischen Gesellschaft (TBG) im Juni zeigten sich die angereisten Pflanzenfreunde erstaunt über die hier noch nach Tausenden zählenden Exemplare des Färber-Meiers auf unseren beiden Mahdflächen im Alten Stolberg. Die Art wird durch Mahd stark gefördert.
Eine Trendumkehr gelang zumindest im Alten Stolberg auch beim Abbiss-Pippau. Diese Art wird im Entwurf zur neuen Thüringer Roten Liste als langfristig "sehr stark zurückgehend" geführt. Geschätzt sind von den um 1950 noch besetzten Rasterfeldern 70 bis 80 % heute nicht mehr besetzt. Bundesweit besteht eine ähnliche Tendenz.

Im Alten Stolberg hingegen verdreifachte sich der Bestand in etwa seit 2006 auf heute geschätzt 500 bis 600 Pflanzen. - Entgegen dem allgemeinen Trend. Der Grund: Die kontinuierliche Mahd sorgte für zunehmende Magerkeit und für offene Bodenstellen, in denen die ähnlich wie bei der Arnika teils flach aufliegenden Blattrosetten des Abbiss-Pippaus noch ausreichend Licht aufnehmen können.

Genau diese altertümliche Art der Bewirtschaftung ist heute an den verbliebenen, oft schwer erreichbaren Wuchsorten der Art kaum noch möglich, liegen sie doch oft nicht auf Wiesen, sondern wie im Alten Stolberg in lichten Gehölzen oder an Gebüschrändern. Früher zogen dort gelegentlich Schafe durch. Köhler sammelten Moos und andere Biomasse zum Abdichten ihrer Meiler, Reisig diente als Brennholz. Und die Wälder waren oft lichter, als heute.

Der Bestand im NSG Alter Stolberg ist auch deswegen so wertvoll, weil er auf Grund seiner Größe wohl genetisch stabil ist. Der mögliche genetische Austausch zwischen so vielen Pflanzen verhindert Inzucht und damit eine möglicherweise nachlassende Fitness gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen.

Da von immer mehr bedrohten Arten nur noch kleine, isolierte Populationen vorhanden sind, steigt die Bedeutung der wenigen großen Populationen für den langfristigen Erhalt der Arten in einem bestimmten Gebiet.

Allmählich wird auch seitens der Politik verstanden, dass das extensive Bewirtschaften großer Flächen allein noch keine Trendumkehr beim Artenrückgang bewirken kann. Dieses muss unbedingt mit dem kleinflächigen, art- und wuchsortbezogenen Artenschutz einhergehen. Und der gehört viel stärker gefördert, als bisher. Ansätze gibt es wenigstens.

Leider nur scheint der Klimawandel so schnell voranzuschreiten, dass für eine ganze Reihe von Arten auch die beste Gebietsbetreuung und Landschaftspflege umsonst sein dürfte. Aber auch auf Grund der vielen anderen kaum abgestellten Einflüsse wird die UN 2020 zum wiederholten Male im globalen Maßstab keine wirkliche Trendumkehr beim Artenrückgang verkünden können.

Im Landkreis Nordhausen wären die Erfolge im botanischen Artenschutz ohne die ehrenamtlichen Mitstreiter und Freunde des BUND-Kreisverbandes undenkbar: Am vergangenen Sonnabend widmeten sich Anne Gret Henkelmann und Tobias Strietzel gemeinsam mit dem Autor dieses Beitrages bis zu sieben Stunden lang der Mahd und Beräumung des Wuchsortes. Ohne sie und all Jene, die seit Jahren mit anpacken, könnten an vielen Stellen weder Abbiss-Pippau, noch Färber-Meier oder Kuhschelle erhalten werden.

Ihnen sei an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt.

Der nächste, 89. Einsatz (und 17. In diesem Jahr) soll noch in diesem Jahr stattfinden. Er wird rechtzeitig angekündigt.
Bodo Schwarzberg
Autor: red

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