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Carsten Dobras will für die FDP in den Landtag

„Die Landesregierung lebt aktuell im Gestern“

Dienstag, 15. Oktober 2019, 20:00 Uhr
Carsten Dobras stammt aus dem südlichen Sachsen-Anhalt (Wolfsberg bei Questenburg) und studiert und lebt seit 2015 in Nordhausen. An der Hochschule hat der junge Liberale inzwischen eine liberale Hochschulgruppe gegründet. Seit einem Jahr ist er Mitglied bei den Freien Demokraten. Luise Schulze sprach mit ihm.

Carsten dobras (Foto: FDP) Carsten dobras (Foto: FDP)


Herr Dobras, was bewegt sie als junger Mensch zum Engagement in der Politik und wieso entschieden Sie sich für die FDP?
Carsten Dobras:
Ich war schon immer liberal, sowohl in wirtschafts-, als auch sozialpolitischer Hinsicht. In Nordhausen ergab sich dann die Gelegenheit, sich das Ganze vor Ort anzusehen. Für mich war klar, dass ich mich politisch einbringen und nicht nur zusehen möchte.

Sie sind bereits bei der Stadtratswahl im Mai angetreten, nun versuchen Sie das Direktmandat für den Landtag zu ergattern. Was in Ihrem Wahlkreis liegt Ihnen besonders am Herzen?
Carsten Dobras:
Erst heute habe ich nachgesehen: Es gibt 7520 Arbeitslose in meinem Wahlkreis. Für den Fall, dass ich in den Landtag gewählt werde, möchte ich mich gleichermaßen für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für die Umweltproblematik einsetzen. Es ist bereits jetzt möglich, aus dem klimaschädlichen Gas CO2 Ethanol herzustellen, welches wiederum als Treibstoff verwendet werden kann. Das Dresdner Start-Up „Sunfire“ beispielsweise entwickelt Anlagen, mit denen diese erneuerbaren Kraftstoffe hergestellt werden können. Würde ein solches Synthesewerk nach Nordhausen kommen, könnten wir sowohl den arbeitssuchenden Menschen eine neue Anlaufstelle geben, als auch im Klimaschutz vorankommen. In Nordhausen gibt es zudem viele Fachleute. Außerdem könnten wir die neuen Energieträger in das bereits vorhandene Gasnetz einspeisen.

Die Landesregierung beschäftigt sich stattdessen aber lieber mit der Aufarbeitung der Treuhand. Geschichtsaufarbeitung ist ohne Frage sehr wichtig, aber hilft uns nicht bei der Lösung aktuell drängender Probleme weiter.
Wir dürfen nicht vergessen, dass der Verbrenner viele Arbeitsplätze schafft, das grüne Verteufeln der Technologie gefährdet diese. Wir sollten lieber in die Forschung investieren, als eine Schlüsseltechnologie aufzugeben.

Angenommen Sie werden Mitglied des Landtages — worüber würden Sie gern Ihre erste Rede halten?
Carsten Dobras:
Über genau diese Themen: Die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Möglichkeiten des Umwelt- und Klimaschutzes.


Die FDP wirbt auf ihren Plakaten unter anderem mit Slogans wie „Zukunft ohne Ladebalken“ und „Hallo Übermorgen“. Was dürfen die Wählerinnen und Wähler darunter verstehen?
Carsten Dobras:
Ganz klar den Ausbau des Netzes. Gestern besuchte ich mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. Klinge und dem Direktkandidaten aus dem Wahlkreis Nordhausen II, Otmar Ganter, den europäischen Radfernweg EuroVelo13. Überall entlang der Strecke gab es nur EDGE-Empfang. Das ist nicht akzeptabel. Der Mobilfunkausbau wurde zu oft an ausländische Konzerne vergeben, welche den Ausbau im ländlichen Raum vernachlässigen. Das ist katastrophal. Die Mobilfunkanbieter sollten in den Verträgen die zwingende Abdeckung des ländlichen Raums unterzeichnen müssen. Nach Möglichkeit sollten das deutsche oder europäische Unternehmen sein, Diktaturen wie China könnten möglicherweise Zugriff auf sensible Daten der Nutzer erhalten, wie uns der Fall Huawei gerade zeigt.

Bildung ist das Thema der FDP im Thüringer Landtagswahlkampf. Welche Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrermangels möchten Sie verfolgen?Carsten Dobras: Das Bewerberverfahren ist in allen Bundesländern unterschiedlich. Thüringen reagiert oft zu langsam. Wir müssen an dieser Stelle digitalisieren und vereinfachen. Außerdem sind auch die Lehrergehälter deutschlandweit unterschiedlich. Eine Bundesratsinitiative ausgehend von Thüringen könnte versuchen diese anzugleichen.
Ländliche Schulen sind bei Lehrern gerade deswegen nicht beliebt, weil Strukturen wie ein vernünftiger ÖPNV und Internetanschluss fehlen. Dort muss Geld investiert werden, um die Schulen attraktiver zu machen. Zum Beispiel jenes Geld, welches mit synthetischen Kraftstoffen eingenommen wird.


Das heißt Sie sprechen sich gegen die weitere Verbeamtung aus?
Carsten Dobras:
Verbeamtungen sollen Lehrer bloß in die Schulen abschieben, die eigentlich eine Sanierung und Modernisierung brauchen. Sie packt das Problem nicht an der Wurzel und ist daher auch nicht die Lösung für marode Schulen. Wir sollten die Schulen und den ländlichen Raum lieber attraktiver machen.


Die Themen Umwelt- und Klimaschutz sind derzeit in aller Munde, Sie selbst studieren regenerative Energietechnik an der Fachhochschule in Nordhausen. Halten Sie die Ziele des Thüringer Klimaschutzgesetzes wie etwa eine klimaneutrale Landesverwaltung bis 2030 für umsetzbar?
Carsten Dobras:
Realistisch umsetzbar ja. Thüringen importiert derzeit Strom aus Sachsen-Anhalt, welcher zu großen Teilen aus der Braunkohle kommt. Gäbe es beispielsweise eine Landesförderung für Photovoltaik auf Dachflächen, ist alles möglich und nur eine Frage der Umsetzung. Die Landesregierung lebt aktuell im gestern, die AfD im Vorgestern. Kleine Maßnahmen helfen an der Stelle nicht viel, um diese Ziele zu erreichen. Thüringen muss erstmal genug Strom produzieren und das am besten durch Solarstrom.


Oft werden der schwache Tourismus und die niedrigen Besucherzahlen in der Region bemängelt. Was würden Sie konkret tun, um die Besucherzahlen zu erhöhen und die Stadt attraktiver für Touristen zu machen? Welche Rolle spielt beispielsweise Kultur?
Carsten Dobras:
Kultur spielt eine große Rolle. Wir besuchten gestern gemeinsam mit Herrn Dr. Klinge auch das Tauchsportzentrum am Sundhäuser See und das IFA Museum. Erstes zählt 15.000 Besucher im Jahr, letztes um die 6000. Die Stadt könnte bei der besseren Vermarktung helfen, steht jedoch auf der Bremse. Ich setze mich ganz ausdrücklich dafür ein, dass das IFA Museum Geld aus dem Land bekommt, sollte ich in den Landtag einziehen. Auch die weiteren Museen in der Stadt verdienen eine richtige Bewerbung.

Tourismus erfüllt zwar auch einen Bildungszweck, ist aber im Großen und Ganzen ein Wirtschaftszweig für die Stadt. Wie kann die Region außerdem wirtschaftlich gestärkt werden und hat die rot-rot-grüne Landesregierung dieses Ziel in den vergangenen 5 Jahren in Ihren Augen ausreichend verfolgt?
Carsten Dobras:
Definitiv nein. Früher gab es große Unternehmen wie die IFA. Die Infrastruktur ist da, die Menschen auch. Es gibt viel ungenutztes Potential im Land. Ich plädiere beispielsweise auch dafür, dass man in Thüringen bei der Gründung von Start-Ups ein Darlehen vergibt, welches nach 10 Jahren zurückgezahlt werden muss. Genug Platz für Ideen und Innovation ist da.

Momentan sind die Umfragewerte für die FDP sehr knapp. Welche neuen Möglichkeiten für eine Regierung könnten sich durch ihren Einzug auftun?
Carsten Dobras:
Zieht die FDP in den Landtag ein, existiert abseits von rot-rot-grün eine Mehrheit. Wer FDP wählt, wählt gegen rot-rot-grün und eröffnet dem Land neue Möglichkeiten. Wer hingegen die AfD wählt, schmeißt seine Stimme lediglich weg. Mit ihnen wird niemand regieren wollen. Aber nicht nur deshalb empfehle ich die Wahl der FDP, wir möchten unsere umfangreichen Ziele gern auch verwirklichen. Schaut man beispielsweise auf Steffen Iffland, kann man ein Musterbeispiel für puren Machterhalt beobachten. Der Bürgerwille zählt dort nicht mehr. Die Freien Demokraten möchten das anders machen.

Ein letztes Anliegen?
Carsten Dobras:
Ich habe mich schon mehrfach dafür ausgesprochen, dass wir eine größere Bürgerbeteiligung fördern sollten. Volksabstimmungen bergen immer die Gefahr, von den extremen Rändern vereinnahmt zu werden. Mein Vorschlag wäre ein Bürgerrat in Thüringen nach irischem Vorbild: Eine bestimmte Anzahl an Menschen wird ausgelost für ein Diskussionsforum über spezifische Themen. Der Rat beschäftigt sich dabei immer mit Sachthemen. Die Regierung muss dann den Empfehlungen des Rates folgen. Das Konzept wäre auf Stadt- und Landesebene denkbar. Natürlich sollte der Rat nicht mehr Mitglieder fassen als der Landtag.
Das Gespräch führte Luise Schulze
Autor: red

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